»Einen großartigen Chardonnay zu machen ist herausfordernd – einen schlechten Chardonnay zu machen fast herausfordernder«, meint Moëts Chef de Cave Benoît Gouez.

»Einen großartigen Chardonnay zu machen ist herausfordernd – einen schlechten Chardonnay zu machen fast herausfordernder«, meint Moëts Chef de Cave Benoît Gouez.
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Moët Grand Vintage: Mit Kellermeister Benoît Gouez durch besondere Champagnerjahre

Épernay. Anlässlich der Präsentation des »Grand Vintage« Zuwachs aus dem Hause Moët et Chandon, dem Jahrgang 2015, führte Kellermeister Benoît Gouez durch besondere Champagnerjahre. Falstaff war dabei.

»Einen großartigen Chardonnay zu machen ist herausfordernd – einen schlechten Chardonnay zu machen fast herausfordernder«, meint Moëts Chef de Cave Benoît Gouez verschmitzt über die beliebte weiße Champagner-Traube. In jenen Jahren, in denen die Wetterbedingungen für die weit sensibleren, roten Hauptrebsorten Pinot Noir und Meunier gut stünden, setze er daher besonders gerne hochanteilig auf diese. So auch der Fall beim neuesten »Grand Vintage«, dessen Ernte im herausragenden Weinbaujahr 2015 besonders reife, rotschalige Trauben hervorbrachte.

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2015 im Glas

Das Weinbaujahr 2015 wird mit einem milden Winter in Épernay eingeläutet, der starke Regenfälle mit sich bringt. Auf die anschließende extreme Kältewelle des Frühjahrs folgt ein heißer, trockener Sommer, der sich in einer ertragreichen Ernte reifer Trauben in den 1,150 Hektar großen Weingärten von Moët niederschlägt. Zehn bis dreißig Meter unter der Erde in den 28 Kilometer langen Tunnelsystemen des Moët Kellers, bringt Benoît Gouez in Folge die Lese nach sechsjähriger Reife im typischen Stil des Hauses ins Glas: fruchtig, ausbalanciert, von eleganter Reife, aber mit Jahrgangscharakter, so der Anspruch, für den Moët Grand Vintage steht.

2003 – ein Wendepunkt

Frisch degorgiert, wird nun an einer langen Tafel in den Kellergewölben unter der Stadt Épernay unter vielen Vintages verkostet, was Benoît Gouez als Wendepunkt beschreibt: den Jahrgang 2003, der mit der Hitzewelle eines ersten »Ausnahmesommers« vor Augen geführt hat, dass die Klimakrise auch nicht vor der Champagne Halt macht. Gouez: »Aus dem Sommerurlaub zurückkommend, waren wir in diesem Jahr noch nicht darauf eingestellt, so früh mit der Weinlese beginnen zu müssen. 2003 war das erste Jahr seit 1822 in dem wir mit der Ernte auf Grund der enormen Hitze noch Mitte August starten mussten, und wir begannen damit unverzüglich.«

Die Zukunft des Champagners

Ob mit der Züchtung neuer, resistenterer Rebsorten oder der Beteiligung an der Umweltzertifizierung Viticulture Durable en Champagne: Fast zwei Jahrzehnte und viele Vintages später, ist man dabei die Hürden der globalen Erwärmung in Angriff zu nehmen: »Wir müssen uns mit der Klimakrise mehr denn je adaptieren. Aber ich bin optimistisch, denn: Die Region der Champagne hat noch immer großartigen Schaumwein mit Reifepotential hervorgebracht.«

Für Falstaff nahm sich Benoît Gouez Zeit über seine Philosophie als Chef de Cave und den durch die globale Erwärmung gezeichneten Vintage 2015 zu sprechen.

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Falstaff: Benoît, Sie wurden 2005 mit nur 35 Jahren Chef de Cave für Moët. Wie war Ihr Weg dahin?

Benoît Gouez: Meine Wurzeln liegen in der Bretagne, wo ich geboren wurde, und in der Normandie, wo ich aufgewachsen bin. Ich entstamme werder einer Winzer-Familie noch wurde in meinem Elternhaus ein besonders großes Interesse an Wein gehegt, und dennoch: als ich 1990 am College of Agronomy in Montpellier inskripiert bin, bin ich erstmals in Berührung mit der Weinherstellung gekommen und mein Interesse war geweckt. Dabei fasziniert mich das Zusammenspiel von Technik und Gespür für guten Wein!

In erster Linie der Technik verpflichtet, glaube ich daran, dass ohne technische Fertigkeiten eine geringe Chance besteht guten Wein von gleichmäßiger Qualität zu produzieren. Doch sich darüber hinaus mit Fingerspitzengefühl dem Wein zu nähern ist für mich genau das, was einen guten von einem großartigen Wein unterscheidet. Das spiegelt sich auch in meiner Arbeit bei Moët wieder, wo wir technisch hervorragend ausgestattet sind, aber jede Entscheidung, die wir hier in den Kellern treffen, auf einer Blindverkostung des Weins basiert. Es ist das Beste beider Welten.

Falstaff: Was ist dabei Ihre Vision für die Grand Vintage Kollektion?

Benoît Gouez: Für mich ist Grand Vintage fast das Gegenstück zur Moët Impérial Kollektion, die für gleichbleibende Konsistenz eines Stils steht, auf den sich der Konsument Jahr um Jahr verlassen kann. Dahingehend geht es mir beim Grand Vintage darum, die unvorhersehbare Geschichte eines besonderen Jahres zu erzählen und mit den verschiedensten Facetten zu spielen. Die Vision ist es hier Vintages zu kreieren, die jedes Jahr für sich stehen und in ihrer Einzigartigkeit nicht reproduzierbar sind, voilà. Wenn wir die Vintages der Vergangenheit beim heutigen Tasting verkosten, begreifen wir: Auch hier sind Kellermeister mutige Wege gegangen. Darauf sehe ich demütig zurück und zur selben Zeit ehrgeizig in die Zukunft.

Falstaff: Bezugnehmend auf die Idee, dass jeder Vintage eine Geschichte erzählt: Welche Geschichte erzählt der neu auf den Markt gekommene Vintage 2015 mit den Hürden der Klimakrise?

Benoît Gouez: Alors, 2015 ist wie ich finde ein Erwachen. Selbst wenn wir, wie bei der heutigen Verkostung demonstriert, frühere Vintages mit der selben Trockenheit und Hitzeentwicklung hatten, wurde uns die Realität des Klimawandels in diesem Jahr endgültig bewusst. 2015 als Jahr des Pariser Klimaabkommens ist somit ganz klar ein Erwachen über den Klimawandel, politisch wie auch für uns als Winzer. Seitdem haben wir ein größeres Bewusstsein entwickelt. 2015 erzählt dabei die Geschichte eines Jahres der Dürre und Hitze. Das Ergebnis ist warm, klar, reif, aber ausbalanciert bei Erhaltung der Leichtigkeit und Frische. Bei allen Veränderungen müssen wir uns mehr denn je adaptieren, um die Identität und Zukunft des Champagners zu bewahren.

Falstaff: Benoît, vielen Dank für das Gespräch.


Daniela Lindner
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