Mineralwasser: Am Mineral sollt ihr sie erkennen

Verschiedene Geschmacksrichtungen bei Mineralwasser? Sommelière Yvonne Heistermann kennt alle »geologischen Fingerabdrücke«.

Deutschland ist das Land der Mineralbrunnen. Die meisten konzentrieren sich auf einen von Nord nach Süd verlaufenden Streifen zwischen Rhein und Weser, die wenigsten gibt es in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Anerkannt sind 820 Quellen, mehr als 200 Betriebe füllen über 500 Mineral- und rund 40 Heilwässer ab – rund zehn Milliarden Liter pro Jahr. Und noch nie wurde so viel getrunken: Der Pro-Kopf-Verbrauch lag 2012 bei 137 Litern, immerhin zwei Liter mehr als im Jahr davor. »Mineralwasser ist in Deutschland nicht nur das mit Abstand beliebteste alkoholfreie Getränk, sondern wird mehr und mehr auch als lebendiger Teil unserer Genusskultur erkannt. Dazu gehört eine bewusste, differenzierte Wahrnehmung des vermeintlich so ›einfachen‹ Produkts, denn Mineralwasser ist nicht gleich Mineralwasser«, sagt Axel Dahm, Vorsitzender der Geschäftsführung des Gerolsteiner Brunnens.

Ein immer wichtigeres Thema
Auch in der Gastronomie wächst der Stellenwert des Mineralwassers. Sommelière Yvonne Heistermann, die im Auftrag der Deutschen Wein- und Sommelier-Schule für die Ausbildung zum Thema Wasser zuständig ist, hat festgestellt: »Die Gäste achten inzwischen immer mehr auf die Mineralisierung der Wässer, vor allem aus gesundheitlichen Gründen. Stark gefragt sind die Kategorien still und medium, Sprudel geht etwas zurück.«

Spannend wird ihr Unterricht, wenn es um die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen geht. Denn jedes Mineralwasser hat quasi einen »geologischen Fingerabdruck«. Wie viele Mineralstoffe in welcher Konzentration gelöst werden, hängt sowohl vom Vorhandensein natürlicher Kohlensäure als auch von der Gesteinsart ab. Wasserlösliche Gesteine wie Dolomit, Gips oder Kalkstein setzen schnell und einfach Calcium- und Magnesiumionen frei. Mineralstoffe aus Gesteinen mit hohem Quarzanteil wie Granit und Gneis sind schwerer löslich.

Die Vielfalt deutscher Mineralwässer spiegelt sich auch in den Flaschenformen wider / Foto: beigestellt

Bitter, metallisch oder harmonisch?
Ein hoher Gehalt an Calcium, Magnesium und Hydrogencarbonat sowie vergleichsweise wenig Natrium, Chlorid und Sulfate sorgen für einen harmonischen Geschmack. Ist viel Sulfat oder Magnesium enthalten, schmeckt das Mineralwasser leicht bitter. Natrium, besonders in Verbindung mit viel Chlorid, hinterlässt einen salzigen, viel Calcium einen metallischen Eindruck. Einen leicht sauren Geschmack bekommt Mineralwasser mit viel Kohlensäure, egal, ob diese natürlichen Ursprungs ist oder nachträglich zugesetzt wurde. Praktisch ist der »Mineralienrechner« (www.mineralienrechner.de) von Gerolsteiner. Hier werden die Werte der verschiedenen Marken jenen des sehr hoch mineralisierten Gerolsteiner Mineralwassers (gesamt etwa 2500 mg/l) gegenübergestellt.

Die goldene Mitte
Welches Wasser passt nun zum Wein? Yvonne Heistermann nimmt als Beispiele in ihrem Unterricht trockene Weißweine mit viel Säure, sehr gerbstoffbetonte Rotweine und edelsüße Weine. Generell gilt: »Leitungswasser oder stilles Mineralwasser schwächt oder nimmt den Geschmack des Weins, Wasser mit
viel Kohlensäure ist ebenso wenig geeignet.«

Sie verwendet zur Demonstration auch Billigwässer von Discountern, die oft eine Mineralisierung von weniger als 30 mg/l aufweisen. »Da kehrt sich der Effekt sogar um.« Der Geschmack des Weins wird also negativ beeinflusst. Der beste Kompromiss ist demnach »medium« – ausgewogene Mineralisierung
und mittlerer Kohlensäuregehalt.

Text aus Falstaff Magazin 04/13