Matteo Thun: Architekt ohne Grenzen

Er hat modernes Design geprägt und preisgekrönte Häuser und Hotels gebaut. Jetzt gestaltet er gemeinsam mit weiteren internationalen Stararchitekten Villen am Gardasee, die in die Architekturgeschichte eingehen könnten.

Matteo Thun ist ein unab­lässiger Kämpfer für die richtige Form. Die weltberühmte Mokkatasse von Alessi mit dem o-förmigen Ring an der Seite, in dem Daumen und Zeigefinger wie von selbst zueinanderfinden, geht auf sein Konto. Auch die rote Meinl-Kaffeeschale, bei der das schwarze Band von einem umgedrehten Fez zum Henkel wird, stammt von ihm. Mit den bunten, schrägen, ausgefransten Möbeln der Designgruppe Memphis, deren Mitbegründer er war, fand er Eingang in die internationalen Kunstmuseen. Und mit dem auf 1500 Meter Seehöhe wie ein liegender Baum gestalteten Vigilius Mountain Resort in Südtirol setzte er ein Architekturkunstwerk aus Holz in die Berglandschaft.

Man sieht: Matteo Thun hat der Welt schon ganz schön oft seinen Stempel aufgedrückt.

Wie viele Objekte er designt hat, weiß er selber nicht. Oder er tut so, als ob es ihm nicht wichtig sei. Denn mit dem Begriff »designen« hat er es nicht so. Zwischen einem Hausbau und der Gestaltung eines Stuhls liegen für Thun kaum Unterschiede. Und zeichnen muss man ja bei beidem, meint er. Aber Thun hat die Grenzen zwischen Design und Architektur ohnehin längst gesprengt. Das belegt die Fülle von Preisen und Auszeichnungen, die er für seine Werke erhalten hat. Auffällig dabei ist, dass sich Thuns Arbeiten häufig auf Hotels konzentrieren. ­»Unser Büro kann vom Masterplan über das Interieur, das Design der Zimmer und der Public Spaces bis hin zum Spa-Bereich sämtliche innovativen Lösungsmöglichkeiten bieten«, ­erklärt Thun.

Und so hat Immobilienentwickler René Benko Thun für eines seiner spektakulärsten Luxusprojekte gewonnen. In Gardone, einem der schönsten Orte am Südufer des Gardasees, der für sein mildes Klima und seine üppige Vege­tation bekannt ist, entstehen auf einem acht Hektar großen Grundstück Luxusvillen der ­architektonischen Superlative: Richard Meier, David Chipperfield, Sphere Architects und eben auch Matteo Thun setzen dort ihre Visionen vom luxuriösen und stilgemäßen Wohnen in die zypressenumrahmte Landschaft. Thun: »Alle Villen fügen sich völlig frei und unabhängig in die Landschaft ein. So entstand ein homogenes Gesamtprojekt mit lauter Unikaten.«

Und Thun setzt noch eins drauf: Er gestaltet das sogenannte »Clubhouse«, ein 1000 Quadratmeter großes Gebäude am Fuß des zu einem sanften Hügel ansteigenden Geländes mit Restaurant und Spa-Bereich. Dort können die Villenbesitzer ihre Gäste in eigenen Appartements beherbergen oder sich an der Lounge-Bar über die Besonderheiten des Wohnens in Architektenhäusern austauschen.

Der Architekt Thun hat seine eigenen Vorstellungen, wie Gebäude richtig geplant und gebaut werden sollen. Nachhaltigkeit ist mittlerweile ja ein recht strapaziertes Schlagwort. Thun arbeitet jedenfalls bereits seit 1990 nach Kriterien, die die Ökologie und die Landschaft berücksichtigen. Er nennt das das ­Triple-Zero-Konzept: null CO2-Ausstoß, null Kilometer Materialdistanz, null Abfall. Im Vigilius-Hotel in Südtirol hat er das auf beeindruckende Art und Weise umgesetzt. Das Haus hat nicht nur zahlreiche Umweltpreise erhalten, sondern wurde auch von »Geo« auf Platz eins der 100 besten Designhotels gereiht und rangiert auf der »The Hot List – Top 50 World Wide« des Magazins »Codé Nast Tra­veler« ganz oben. Dass die ­Natur bei seinen Hotel­projekten aber nicht zwangsweise im Vordergrund stehen muss, hat Thun beim Hotel Altstadt in Wien mit einem verschmitzten ­Augenzwinkern gezeigt. Bei der Gestaltung  der neun Zimmer des Gründerzeithauses hat er sich von einem Hauch Erotik aus dem Wien der Josefine Mutzenbacher inspirieren lassen. Und so steht jetzt dort die Badewanne, ganz im Stil der Modelle der Jahr­hundert­wende gehalten, recht keck frei in der Mitte des Raumes.

Die Badewannen der Villen der Star­architekten sehen natürlich ­anders aus. Bei dem Projekt in Gardone hat jedes der Häuser selbstverständlich auch einen Pool. Und der Pool zur Villa von Matteo Thun ist sogar ein Infinity Pool, also einer, bei dem der Beckenrand nach unten abfällt, sodass man beim Schwimmen vom Wasser aus in die unendliche Weite, hier auf das prachtvolle Panorama des Gardasees, blickt. Der terrassenförmige Aufbau des gesamten Geländes des Villa-Eden-Komplexes macht das möglich. Die Villa von Matteo Thun liegt im oberen Bereich des Hangs. Der Wohnbereich im Obergeschoß scheint auf zwei links und rechts angeordneten, mit Lavendel bewachsenen Quadern aus Naturstein zu schweben. Die Architektur der Villa ist leicht und transparent. Glasfronten verbinden die Natur, den See und die ihn umgebende Landschaft mit dem großzügigen Wohnraum. Das Gebäude fügt sich in die seit Jahrhunderten terrassierte Landschaft ein. Wer aus diesem Idyll doch ­einmal ausbrechen will, kann von der Anlegestelle mit dem hauseigenen Riva-Boot einen Abstecher nach Garda oder Sirmione machen.

Das Vigilius Mountain ­Resort liegt wie ein Baumstamm auf 1500 Meter Seehöhe / Foto: beigestellt
Das Vigilius Mountain ­Resort liegt wie ein Baumstamm auf 1500 Meter Seehöhe.

Leichtigkeit und Tran­s­parenz bestimmen die ­Villa von Matteo Thun / Foto: beigestellt
Leichtigkeit und Tran­s­parenz bestimmen die ­Villa von Matteo Thun.

Auch Richard Meier ­bindet den See optisch nahtlos in den Innenraum ein / Foto: beigestellt
Auch Richard Meier ­bindet den See optisch nahtlos in den Innenraum ein.

Das »Clubhouse« der ­Villa Eden Gardone ist das ­Zentrum zum Wohlfühlen / Foto: beigestellt
Das »Clubhouse« der ­Villa Eden Gardone ist das ­Zentrum zum Wohlfühlen.

Für Thun ist das Projekt am Gardasee trotz seines bislang schon geschaffenen großen Œuvres immer noch etwas ganz Besonderes: »Der Gardasee ist ein Jugendtraum. Zitronen, Oliven, weißer Kalkstein – der See ist fast ein kleines Meer«, schwärmt der Architekt.

Für seine Villa hat Thun, bevor er an die Planung ging, auf dem Grundstück ein Zelt aufgeschlagen. Geraume Zeit kam er immer dorthin, um das Grundstück zu den unterschiedlichsten Klima-, Jahres- und Tageszeitbedingungen zu ­erfahren. Erst dann setzte er sich an den Zeichentisch. Und natürlich hat er auch bei der ­Planung dieser Gebäude sein Triple-Zero-Konzept befolgt. Deshalb wurden die Olivenbäume, die an der Stelle, wo sein Haus stehen wird, ­gewachsen sind, behutsam ausgegraben und ein paar Meter weiter wieder eingesetzt.

Klingt ja alles schön, aber ist das für den Käufer einer mehrere Millionen Euro teuren Villa von Belang? Vordergründig wahrscheinlich nicht. Aber im Gesamtkunstwerk des Projekts Villa Eden spürt man den feinfühligen Umgang mit der Natur und der Materie sehr wohl. Und das macht einen Teil des Unterschieds zu anderen Immobilienprojekten im Luxusbereich aus. Matteo Thun kann es sich leisten, seine Vorstellungen bei der Verbindung von Architektur mit der Natur umzusetzen. Das gilt für Richard Meier, David Chipperfield oder Sphere Architects genauso. Hier setzen Ikonen der Architektur mit Bedacht ihre Handschrift in eine beinahe noch unberührte Landschaft. Aber natürlich werden die Villen nicht primär wegen ihrer nachhaltigen Bauweise gekauft. Neben der ­exzellenten Lage und der Exklusivität der ­Ausstattung sind natürlich auch die Namen der ­Architekten ein Anreiz für künftige Besitzer. Ein noch so tolles Luxushaus kann bald einmal ­jemand haben – eine Villa von Meier, Chipperfield oder Thun in einem einzigartigen Archi­tektur­projekt aber nicht.

Architektur ist in Gardone jedenfalls allerorts präsent. Elegante Hotels und noble Palazzi, im venezianischen Stil der Jahrhundertwende gebaut, flankieren die mondäne Seepromenade. Auch der künstlerischen Prominenz ist der Reiz des kleinen Orts nicht verborgen geblieben: Der stramme italienische Dichter Gabriele D’Annun­zio bewohnte den Palast »Vittoriale degli Italiani«, der heute ein historisches Museum ist. Und Dr. Arthuro Hruska, der letzte Zahnarzt des ­Zaren, legte in Gardone einen prachtvollen bo­tanischen Garten an. Heute steht der »Giardino Botanico« im Besitz des Künstlers André Heller. Vielleicht werden die Villen von Matteo Thun und den anderen Stararchitekten ja auch einmal zu Architekturdenkmälern der kleinen Ortschaft. Thun sagt, dass gute Architektur erst mit einem großen Abstand beurteilt werden kann: »Ob ein Gebäude gut altert, erfährt man erst nach ein, zwei Generationen. Außerdem bin ich kein Star­architekt, hier verweigere ich mich.« Thun hebt seine Werke nicht in den Himmel. Er war lange Zeit Mitglied in der italienischen Nationalmannschaft für Drachenfliegen – in der ­Architektur aber bleibt er auf dem Boden.

ZUR PERSON
Matteo Thun wurde 1952 in Bozen als Sohn einer Südtiroler Adelsfamilie, die sich in der Keramikherstellung einen Namen gemacht hat, geboren. Er war Schüler Oskar Kokoschkas an der Akademie in Salzburg und promovierte an der Universität in Florenz in Architektur. 1981 gründete er mit dem Designer Ettore Sottsass die legendäre Gruppe Memphis. Er unterrichtete unter anderem an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Von 1990 bis 1993 war er als Artdirector für Swatch tätig. Er wurde dreimal mit dem italienischen Designpreis »Compasso d’Oro« ausgezeichnet und 2004 in die New Yorker Hall of Fame aufgenommen.

IM GARTEN EDEN
Eingebettet in einen sanft ansteigenden Olivenhain entsteht das Projekt Villa Eden der Signa Holding. Die Stararchitekten Richard Meier, David Chipperfield, Matteo Thun und Sphere Architects gestalten individuelle Luxusvillen. Jede davon wird als architektonisches Unikat für den Besitzer entworfen. Zusätzlich bietet das acht Hektar große Grundstück ein »Clubhouse« mit fünf Designappartements, Wellnesszentrum, Beautyfarm und Restaurant. Ein »Cigar-Room« und eine Terrasse mit einem atemberaubenden Panorama ergänzen die Anlage. Die Gestaltung des Gartens wurde vom internationalen Landschaftsarchitekten Enzo Enea übernommen. Nähere Information: www.villa-eden-gardone.com

www.matteothun.com

Text von Hanna Fuchs
Aus Falstaff Nr. 02/2012