London: Die Hotel-Connection

Spitzengastronomie in Luxushotels: Ducasse, Darroze und Boulud sind schon da, nun eröffnen ­Blumenthal, Vongerichten und Puck ihre Dependancen.

Schlagbohren und Stemmen erfreu­en sich unter Hotelgästen eher geringer Beliebtheit. Bei Raten ab 500 Pfund will der werte Gast im feinen Hotel Mandarin Oriental am Londoner Hydepark natur­gemäß durch nichts gestört werden – selbst wenn im Haus jenes Restaurant entsteht, das in der Londoner Gastronomieszene als Eröffnung des Jahrzehnts gehandelt wird. Also zog das Management die Notbremse und verlegte die Fertigstellung vom Advent auf die ruhige Zeit nach dem Weihnachtstrubel.

»Dinner by Heston Blumenthal« im Hotel Mandarin Oriental/Foto: WerkBlumenthal im Mandarin Oriental
»Dinner by Heston Blumenthal« heißt das am 31. Januar eröffnete kulinarische Monument, dessen Details bis zuletzt streng geheim gehalten wurden.
Der Autodidakt Blumenthal rangiert mit ­seinem »Fat Duck« in Bray on Thames seit Jahren unter den besten Restaurants der Welt, er und der Katalane Ferran Adrià gelten als Großmeister der sogenannten Molekularküche. Unter seinen Signature-Dishes finden sich Gerichte wie Schneckenporridge und »Bacon-and-Egg-Icecream«, seine vielgängigen Menüs im »Fat Duck« nehmen vier Stunden in Anspruch. Doch nichts von alldem erwartet die Gäste in seinem neuen Hotel-Restaurant »Dinner by Heston Blumenthal«. Man kann sich hier sowohl zum »Dinner« als auch zum Lunch im »Dinner« verabreden.

Reduziert, kreativ, preiswert und ausreserviert

Heston Blumenthal ist nicht der einzige »Celebrity-Chef«, der eine Filiale in einem Hotel eröffnet. Doch nur er kocht konsequent britisch. Beim Ambiente verzichtete Designer Adam D. Tihany auf Blumenthals Wunsch bewusst auf Tischtücher und großen Tischabstand. Das »Dinner« sollte eher einer lebendigen Brasserie ähneln. Bei Tisch werden die Gäste mit originellen Details verblüfft, etwa wenn abschließend ein kleiner Wagen vorfährt und Eiscreme à la minute produziert wird.

Auch wenn das Entree des Mandarin Oriental Luxus pur suggeriert, muss sich vor der Preisgestaltung niemand schrecken. Abends muss man 75 Pfund für drei Gänge veranschlagen, für Londoner Verhältnisse moderat, mittags ist das Menü um 25 Pfund zu haben, eine echte Okkasion. Aufs Erste stehen die Chancen für derlei Genüsse aber schlecht, das »Dinner« ist bereits auf Monate ausgebucht.

Daniel Boulud (l.) eröffnete im Hotel Mandarin Oriental das Bistro »Bar Boulud«, Dean ­Yasharian ist sein Stellvertreter/Foto: WerkBest-Seller
Wer sich mit exzellenter Bistroküche zufriedengibt, findet im gleichen Haus ein Lokal, dessen Erfolg sich selbst die Betreiber nicht zu erträumen wagten. Die im April 2010 in einem vormals ungenützten Gewölbe des Mandarin Oriental eröffnete »Bar Boulud« zählt an guten Tagen schon einmal 1000 Gäste – ein Spitzenwert, den allenfalls der legendäre Gästemagnet »Plachutta« in der Wiener Wollzeile bisweilen zu erreichen vermag. Ganz London schien auf dieses mit legerer Noblesse geführte Lokal gewartet zu haben. Hier wird man ganztägig verpflegt, die grandiosen Schinken, Würste und Terrinen stammen vom Pariser Charcutier Gilles Vérot, »Croque Monsieur« und »Coq au Vin« werden ideal­typisch zubereitet. Und die »NY Burgers« erhielten die Höchstnote des gefürchteten Londoner Kritikers A. A. Gill.
Ein Blick in die Weinkarte offenbart die Seriosität dieses Lokals, eine derart in die Tiefe gehende Auswahl ist selbst im an tollen Weinkellern reichen London eher selten, hat aber auch ihren Preis.

Blumenthal und Boulud sind die jüngsten Zugänge unter den Dächern der besten Hotels Londons. Und sie sind keineswegs die einzigen ihrer Art. Die Kooperationen zwischen Spitzenköchen und Tophotels haben den Charakter einer Symbiose.

Gordon Ramsay ist in ­mehreren Londoner Hotels vertreten/Foto: WerkRamsay im Savoy Grill

Der Brite Gordon Ramsay versteht sich seit geraumer Zeit vortrefflich aufs Geldscheffeln und positionierte viele seiner ­Lokale an Hoteladressen. Das kurz vor Weihnachten wiedereröffnete »Savoy Grill« be­trieb er schon vor der 220 Millionen Pfund teuren Renovierung dieses Hotelklassikers. Beim Interieur wurde nicht gespart, die Software holpert allerdings noch gehörig. Sofern man in der absurden Düsternis die Karte entziffern kann, stößt man auf eine Liste anglofranzösischer Standards, die dann trotz enormer Preise nicht aufregender munden, als sie sich lesen. Das Personal serviert Burgunder nur auf ausdrücklichen Wunsch
in passenden Gläsern. Und die Messlatte für »Baba au rhum« gibt ein anderer »Hotelkoch« vor. Vielleicht sollte Ramsay gelegentlich in seinen eigenen Lokalen vorbeischauen.

Wurzelholz und ­Swaro­vski-Luster – ­ das »Savoy Grill« über­zeugt nur optisch/Foto: Werk

Ducasse und Darroze mischen auch mit
Alain Ducasse war 2007 der erste Franzose, der den Schritt in ein Londoner Hotel wagte. Inzwischen ist »Alain Ducasse at the Dorchester« wie seine beiden Flaggschiffe in Paris und Monte Carlo mit drei Michelin-Sternen dekoriert.

Ein paar Ecken weiter im altehrwürdigen Hotel »The Connaught« zog 2008 Hélèn Darroze mit ihrer puristischen Küche ein. Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder pendelt stets zwischen ihrem Stammhaus in Paris und London, um gar nicht erst den Verdacht aufkommen zu lassen, London sei »nur« eine Art Filialbetrieb. Der Michelin-Stern für beide Betriebe belegt das Engagement.

Alain Ducasse setzt in seinem Restaurant im Hotel Dorches­ter auf pflanzliche Kost/Foto: Werk

Alter Trend, neue Projekte
Diesen von den Traditionshäusern vorgegebenen Trend greifen nun auch zwei nagelneue Hotels auf. Im Februar eröffnet am Leicester Square das spektakulär gestylte »W Hotel«. Der New Yorker Kochstar Jean-Georges Vongerichten etabliert Der US-Österreicher Wolfgang Puck eröffnet das neue »CUT«/Foto: Werkdort sein bereits in New York, Bangkok und Istanbul erfolgreich erprobtes »Spice Market«-Konzept. Und im Frühjahr eröffnet mit dem »CUT at 45 Park Lane« das bisher erste europäische Lokal des Österreichers Wolfgang Puck. Voll am Puls des kulinarischen Zeitgeistes wird man dort die Unterschiede zwischen »wet aged« und »dry aged« Rind ergründen können.

Der umgekehrte Weg
Zwei Londoner, die seit den Neunzigern mit dem Restaurant »St John« im Ostlondoner Farringdon die Fleischküche neu definierten, ziehen die Sache mit dem Hotel nun umgekehrt auf. Fergus Henderson, berühmt für sein »nose to tail eating«, bei dem insbesondere beim Schwein vom Rüssel bis zum Ringelschwänzchen alles seinen Platz auf dem Teller findet, und sein umtriebiger Partner Trevor Gulliver sperren in den nächsten Wochen gleich gegenüber vom »Spice Market« einen Tempel des Fleischgenusses auf. Und weil so mancher vielleicht nicht mehr nach Hause fahren kann oder will, bauen die beiden ein kleines Hotel oben drauf. Das Motto: »From Table to Bed«.

Bei den Luxushotels mit Gastronomie lautet der Leitspruch eher umgekehrt. Denn wer erst einmal im betreffenden Haus Quartier genommen hat, darf im oft heillos überbuchten Res­taurant mit bevorzugter Platzierung rechnen. »From Bed to Table« sozusagen.

Die besten Küchen Londons

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Text von Alexander Bachl

Alexander Bachl
Alexander Bachl
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