Sancerre in der Region Centre Loire ist für unverwechselbare Weißweine aus Sauvignon Blanc zu Recht legendär.

Sancerre in der Region Centre Loire ist für unverwechselbare Weißweine aus Sauvignon Blanc zu Recht legendär.
© C-MOUTON

Loire: Der Garten Frankreichs

Im legendären Jardin de la France wachsen einige der besten Weine Frankreichs. Begleiten Sie Falstaff auf einer Flussreise, die uns in Weingebiete führt, die Sie unbedingt kennen sollten.

Le Massif Central

Die Loire nimmt ihren Anfang im Massif Central, schlägt aber im Gegensatz zur Rhône und Saône nicht den Weg in Richtung Süden und Mittelmeer ein, sondern fließt zunächst nach Norden in die Auvergne. Und bald schon wird ihr Lauf von den ersten Reben begleitet: die Côtes du Forez und Côte Roannaise an der Loire selbst und die Côtes d’Auvergne sowie Saint-Pourçain an ihrem Nebenfluss namens Allier sind die vier Herkünfte des ersten von fünf Weinbaugebieten, der L’Auvergne. Es ist mit einer Gesamtfläche von 1400 Hektar das kleinste. Im eher rauen, kühleren Klima des Oberlaufes wachsen leichte, fruchtige und unkomplizierte Weiß- sowie Rotweine, die nur regionale Bedeutung haben. Hauptsorten sind Sauvignon Blanc und Chardonnay, der ebenso auf die Nähe zum Burgund verweist wie der Pinot Noir, der hier neben Gamay für den Rotwein sorgt. Berühmter als der Wein ist die Eiche aus den Wäldern von Allier, die man für die Barrique-Fässer verwendet. Und ebenso die Messer aus der Stadt Thiers auf halbem Weg zwischen Clermont-Ferrand und Roanne.

Le Centre Loire

Bei Nevers, wo die Allier mit der Loire zusammenfließt, beginnt das Weinbaugebiet Centre Loire, das tatsächlich auch geografisch das »Herz Frankreichs« bildet. Die Region Centre besteht eigentlich aus fünf unterschiedlichen Anbau-Inseln mit insgesamt elf Appellationen und eigenem AOP-Status, in denen sowohl geologisch als auch klimatisch recht beträchtliche Unterschiede herrschen. Drei dieser Bereiche liegen nahe oder direkt am Nebenfluss Cher, der erst unterhalb der Stadt Blois in die Loire mündet. Das zwergenhafte Châteaumeillant liegt im Süden der Region und ist ein uraltes Anbaugebiet. Hier wachsen auf leichtem, sandig-silikatreichem Boden Gamay und Pinot Noir, die Winzer haben sich auf Rosé spezialisiert, der irreführenderweise »Vin gris« heißt. Erstmalig findet dieser Wein in den »Decem libri historiarum« des Hl. Gregor von Tours aus dem Jahr 582 n. Chr. schriftliche Erwähnung. Quincy war die erste Appellation der Loire, die den AOP-Status erhielt, und die zweite in ganz Frankreich. Die trockenen und rassigen Sauvignon-Blanc-Weine waren bereits im Frühmittelalter begehrt. Aus Reuilly kommt ebenfalls knackiger Sauvignon Blanc, es wird aber auch Pinot Gris, Pinot Noir und Rosé kultiviert. Dieses kleine Weinbaugebiet erstreckt sich zwischen den Ufern der Flüsse Arnon und Cher im Südosten von Bourges. Am Unterlauf des Cher liegt die Appellation von Valençay.

Das Sauvignon-Blanc-Paradies

Das Anbaugebiet von Sancerre AOP liegt östlich von Bourges am linken Loire-Ufer und erstreckt sich über rund 3000 Hektar Weinberge. Die Region ist weltberühmt für ihre Sauvignon Blancs, erzeugt aber auch Rot- und Roséweine aus Pinot Noir von beachtlicher Güte. Die kleine Appellation Pouilly teilt sich in Pouilly-Fumé AOP und Pouilly-sur-Loire AOP. In Pouilly-Fumé werden ausschließlich Sauvignon Blancs mit ausgeprägtem Feuersteintouch erzeugt, in Pouilly-sur-Loire widmet man sich hingegen nur dem Chasselas. Das Anbaugebiet liegt zwischen dem Burgund und Berry am rechten Loire-Ufer, die Anfänge des Weinbaus reichen hier bis ins 5. Jahrhundert zurück. Der älteste, 44 Hektar große Weinberg namens »Loge aux Moines« existiert bis heute. Menetou-Salon liegt im Südwesten von Sancerre im Département Cher, hier wachsen auf Sandsteinuntergrund mehrheitlich Weißweine, es werden aber auch Rosé und Rotweine gekeltert. Die überschaubare Produktion der Winzer an den Coteaux du Giennois konzentriert sich auf leichtfüßige, trockene Weißweine. Sandsteinböden verleihen diesen einen rauchigen Charakter. In Gien dreht nun der Fluss seine Richtung nach Westen, um schließlich bei Orléans seinen nördlichsten Punkt zu erreichen. Hier wird die Loire beidseitig von Weinbergen begleitet, aus Orléans kommen Weiß-, Rosé- und Rotweine, während Orléans-Cléry ausschließlich für Rotwein aus Cabernet Franc steht.

La Touraine

Reist man nun den Fluss weiter entlang, vorbei an weltberühmten Schlössern wie Chambord, erreicht man kurz vor der Stadt Blois das dritte Anbaugebiet, die Touraine, benannt nach seiner Hauptstadt Tour. In diesem uralten Weinland im Pariser Becken liegen gleich sechzehn AOPs, die mit sehr differenzierten Weinstilen aufwarten. Die geologischen Bedingungen – einerseits kalkreiche Sedimente marinen Ursprungs und andererseits Tuffböden, die auf urzeitliche Vulkan-Aktivitäten zurückzuführen sind – machen hier eine breite Weinpalette möglich. Das Gros der trockenen Weißweine der Appellation Touraine sind sanfte, unkomplizierte Speisenbegleiter mit dezenter Säure. Es dominiert der Chenin Blanc – hier auch Pineau de la Loire genannt –, der am rechten Loire-Ufer kurz vor Tours in Vouvray zur Spitzenform aufläuft und als trockener Weißwein, aber auch als Süßwein (ja sogar als Schaumwein) produziert wird. Gereifter süßer Vouvray zählt neben den gefeierten Sauternes aus Bordeaux zu den größten Süßweinen Frankreichs. In dieser Appellation mit etwa 2200 Hektar in der Touraine wird die Sorte Chenin Blanc, manchmal mit kleinen Anteilen Arbois, in verschiedenen Stufen von ganz trocken bis sehr süß ausgebaut. Dank sehr spezieller Tuff-Kalksteinböden entwickeln die Weine eine ausgeprägte Fruchtigkeit.
Der Restzucker wird am Etikett ausgewiesen. Sec bedeutet einen Zuckerrest von bis zu maximal 4 Gramm, Demi-Sec bis 12 Gramm, die beiden süßen Stufen sind Moelleux (12 bis 45 Gramm) und Doux (mehr als 45 Gramm). Die Weine verfügen über eine gute Säurestruktur und feine Aromatik und reifen hervorragend, die edelsüßen verfügen über ein Reifepotenzial für viele Jahrzehnte. Das mit Abstand bekannteste Weingut ist die Domaine Huet. Nach dem Tod von Gaston Huet erwarb Anthony Hwang, ein Geschäftsmann aus New Jersey, den Traditionsbetrieb. Huets Schwiegersohn Noël Pinguet machte jedoch bis 2012 weiter die Weine. Huet gehörte zu den Betrieben, die bereits 1988 – also sehr früh – auf Biodynamik umgestellt hatten, heute sorgt im Keller Jean-Bernard Berthomé, ein langjähriger Mitarbeiter des Hauses, für Kontinuität. Seiner feinsten süßen Cuvée gab Herr Huet einst den Vornamen von Madame Huet, seither zählen gereifte Ausgaben der »Cuvée Constance« zu den Highlights bei Weinauktionen. In Montlouis-sur-Loire am linken Flussufer eifert man dem Vorbild Vouvray nach, ohne es ganz zu erreichen. Hier fallen die Weine oft noch süßer aus und können von einer zart erdigen Terroirnuance begleitet sein.
Ein besonderer, trockener Weißwein, nach dem es dezidiert Ausschau zu halten gilt, entsteht in der kleinen Appellation Cour-Cheverny. Hier pflegen einige Winzer die ebenso alte wie rare Rebsorte Romorantin, aus der einer der spannendsten Weißweine des Loire-Gebiets gemacht wird. Komplex und finessenreich zugleich verbindet er Nuancen von reifem Riesling im Bukett mit Aromen eines Viognier am Gaumen.

Rot, lebendig und voller Würze: Cabernet Franc

Unterhalb von Tours übernimmt dann der Rotwein und damit die Sorte Cabernet Franc zusehends das Kommando. Am linken Flussufer der Loire liegt die Appellation Chinon, am rechten Ufer an der Grenze zu Saumur liegen Bourgueil und Saint-Nicolas-de-Bourgueil. Die Appellation Chinon AOP umfasst etwa 2300 Hektar Rebland und liegt zwischen Tours und Saumur, beidseitig des Flusses Vienne, der der Loire zuströmt. Es sind drei unterschiedliche Bodentypen, die den Stil der Weine ausmachen, die in dieser Region entstehen. Leichtere Böden aus Sand und Schotter säumen die Vienne, die Abhänge bestehen aus kalkreichen, gelben Tuff, die Plateaus sind wieder reich an Sand, aber auch Feuerstein. Rund 200 Winzer erzeugen jährlich 13 Millionen Flaschen, es dominiert Cabernet Franc, der mit bis zu zehn Prozent Cabernet Franc verschnitten werden darf. Die Weißweine sind aus Chenin Blanc, der hier auch Pineau de la Loire heißt.
Bourgueil AOP besteht bereits seit 1937 und liegt im Westen der Stadt Tours am rechten Ufer der Loire. Sie umfasst sieben Gemeinden mit einer Rebfläche von 1400 Hek-tar. Rund 120 Winzer erzeugen hier durchschnittlich etwa 65.000 Hektoliter Wein, mehr als 95 Prozent davon sind Rotwein, natürlich aus Cabernet Franc, der Rest etwas Rosé und Süßwein. Die Rotweine wachsen entweder auf Tuffstein oder sandigen Schotterböden, was ihren Charakter bestimmt. In der Regel weist Bourgueil kräftigere und präsentere Tannine auf als der Chinon. Bourgueil umrahmt halbmondförmig die Appellation Saint-Nicolas-de-Bourgueil AOC mit etwa 950 Hektar, die für ihre langlebigen Rotweine bekannt ist, hier dürfen wie in Chinon bis zu zehn Prozent Cabernet Sauvignon den Cabernet Franc in der Cuvée begleiten.
Zum Großraum der Touraine gehören im Norden die Satelliten-Appellationen Côteau-du-Vendômois, Jasnières und Coteaux du Loir, wo guter Chenin Blanc wächst.

Die mittelalterliche Festung von Saumur ist ein Zeugnis des Reichtums, den der Handel mit Wein in die Loire-Region brachte.
© Hiroschi Higuchi
Die mittelalterliche Festung von Saumur ist ein Zeugnis des Reichtums, den der Handel mit Wein in die Loire-Region brachte.

Anjou-Saumur

Gleich nach dem Zusammenfluss der Loire mit der Vienne beginnt mit Anjou-Saumur die vierte große und zugleich vielfältigste Zone des Loire-Weinbaus. Mit insgesamt 20 verschiedenen geschützten Herkünften und recht unterschiedlichen geologischen Voraussetzungen gelingt es hier, eine enorme Bandbreite an qualitativ hochwertigen Weinen aus jeder Kategorie anzubieten. Gleich unterhalb der Stadt Saumur liegen am linken Ufer die Appellationen Saumur und Saumur-Champigny AOP, wo einige der besten Cabernet Francs der Welt wachsen, aber auch elegant-lebendige Weißweine aus Chenin Blanc ihren Ursprung haben. Und in der Region Saumur wird nicht gekleckert: Die sieben Appellationen mit AOP erzeugen durchschnittlich 28 Millionen Flaschen mit Herkunftsbezeichnung Saumur. Für elf Millionen Flaschen jährlich steht die rote Appellation Saumur-Champigny mit ihrem saftigen Cabernet Franc Pate, zehn Millionen Flaschen prickelndes Vergnügen trägt die AOP Saumur Brut bei, wobei die weißen Grundweine aus Chenin Blanc und die Basisweine für den Saumur Brut Rosé mehrheitlich aus Cabernet Sauvignon bestehen. Neben den Herkünften Saumur Blanc, Rosé und Rouge gibt es noch zwei kleine Spezialitäten: die charaktervollen Cabernet Francs von Saumur Puy-Notre-Dame auf 60 Hektar und eine Appellation für Süßwein aus Chenin, die Coteaux de Saumur heißt.

Die Wiege der Biodynamik

Unterhalb von Angers liegt auf der rechten Uferseite eine kleine Appellation namens Savennières, die für ihren exquisiten Chenin Blanc berühmt ist und zugleich als eine Wiege des biodynamischen Weinbaus gilt. Savennières AOP liegt am rechten Ufer der Loire, etwa 15 Kilometer südwestlich von Angers. Hier werden von etwa 36 Betrieben auf 130 Hektar aus Chenin Blanc hauptsächlich trockene Weißweine erzeugt, man kann aber auch in kleinen Mengen halbtrockene und süße Weine antreffen. Es gibt zwei Sub-Appellationen: nämlich Savennières Coulée de Serrant AOP. Hier erzeugt der Kult-Winzer und »Godfather of Biodynamik« Nicolas Joly auf perfekt nach Süden ausgerichteten Hängen mit Schieferverwitterungsböden seinen weltweit gesuchten Clos de la Coulée de Serrant.
Während diese Rarität von einem einzigen Winzer im Monopol erzeugt wird, sind es am zweiten Grand Cru namens Savennières Roches aux Moines AOP sieben Winzer, die auf rund 22 Hektar etwa 43.000 Flaschen pro Jahr herstellen. Im sonnenreichen, oftmals auch im Herbst recht warmen, ozeanisch geprägten Klima können auch edelsüße Weine aus Chenin Blanc erzeugt werden – eine Spezialität, der sich die Winzer am Nebenfluss Layon verschrieben haben, welcher der Loire aus dem Südosten zufließt.
Im Abschnitt zwischen den Orten Thouarcé und Beaulieu-sur-Layon kumuliert die Süßweinproduktion mit den Appellationen Coteaux du Layon AOP und Bonnezeaux AOP sowie Coteaux du Layon Prémier Cru Chaume AOP und Coteaux du Layon Grand Cru Quart de Chaume AOP. Generell ist das Anjou eine Herkunft für charmante, unkomplizierte Speisenbegleiter in Weiß wie Rot, aber auch beliebter Rosé-Weine. Viele dieser preiswerten Alltagsweine werden unter der IPG Val de Loire angeboten.

West-Region/Le Pays Nantais

Im letzten der fünf Teilstücke strömt die Loire durch das Pays Nantais westwärts dem atlantischen Ozean zu, der hier im relativ flachen Küstengebiet für ein mildes und eher feuchtes Klima sorgt. Auf einem Untergrund aus Urgesteinsverwitterungsmaterial aus Granit, Schiefer und Gneis liegen kalkreiche Braunerde, aber auch sandige, leichtere Böden. In weiten Teilen der sieben Herkunftsgebiete dieser Zone dominiert der Weißwein. Nur ganz im Norden an der Grenze zu Anjou in der Coteaux d'Ancenis und ganz im Süden im Fiefs Vendéens AOP spielen auch rote Sorten eine Rolle. Die wichtigen fünf Herkünfte tragen alle den Namen von Rebsorten, die allesamt etwas irreführend sind.
Die Rede ist von Muscadet und Gros-Plant. Dieses Begriffe sind Synonyme für leichte, frische, eher neutrale Weißweine, die nicht nur in Frankreich als Begleiter zu Meeresfrüchten und Fisch sehr beliebt sind.
Zunächst: Hinter Gros-Plant steckt die Rebsorte Folle Blanche und hinter dem Muscadet steht die Melon de Bourgogne, die bereits im Mittelalter aus dem Burgund ausgewandert ist und mit einer Muskat-Sorte recht wenig gemeinsam hat. Ihr sind vier Herkünfte gewidmet: Muscadet AOP, Muscadet-Coteaux de la Loire AOP, Muscadet-Côtes de Grandlieu AOP und – am wichtigsten, weil meist am besten – Muscadet Sèvre et Maine AOP.
Um den eher leichtgewichtigen Weißweinen etwas an Komplexität und mehr Körper mitzugeben, hat sich eine längere Lagerung auf der Hefe eingebürgert, der Zusatz »sur lie« am Etikett verweist auf diese Praxis. In jüngeren Jahren wurden von den führenden Betrieben große und erfolgreiche Anstrengungen unternommen, um das Image der Muscadet-Weine zu verbessern.

Naturnahe Zukunft voller Perspektiven

Wenn wir heute also von den Weinen der Loire sprechen, dann sprechen wir von einem sehr großen und heterogenen Anbaugebiet. Die Landschaft entlang des Flusses ist reich an Geschichte, wovon prächtige Burgen und Schlösser beredtes Zeugnis ablegen. Im »Garten Frankreichs« wurden immer schon Obst, Gemüse und Blumen kultiviert, die Tradition des Weinbaus reicht über die Mönche des Mittelalters bis zu den Römern zurück. Bis in 20. Jahrhundert wurde die Rebe selten in Monokultur gepflegt – man betrieb gemischte Landwirtschaft – und es entstanden wenige größere Weingüter. Die Weine waren meist billig, in vielen Teilen des Loire-Gebiets war das Winzergeschäft wenig rentabel. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte man daher verstärkt auf maschinelle Unterstützung, auch bei der Lese der Trauben, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Aber nicht allen gefiel diese Industrialisierung durch Technik und Chemie, und so entschieden sich an der Loire manche Betriebe bereits vergleichsweise früh, den Weg des biologischen Anbaus zu beschreiten. Für viele war dann der Weg zur Biodynamik auch nicht mehr weit. Heute kommt ein Großteil der Spitzenweine aus Betrieben, die mit der Natur arbeiten. Die Szene ist kunterbunt und reicht von blitzsauberen Terroir-Weinen mit präzisem Sortencharakter bis hin zu Amphorenweinen und Natural Wines aller Gattungen von »funky« bis »sehr gewöhnungsbedürftig«.
Das Anbot ist ungemein umfassend, der Weinfreund kann hier nicht zuletzt dank der enormen stilistischen Vielfalt wirklich noch etwas erleben. Und abgesehen von einigen Kultweinen, ist das Preisniveau an der Loire gemessen am Gebotenen noch ausgesprochen moderat.


Die Loire in Kürze

Die Anbauzone Loire verfügt über mehr als 70.000 Hektar Rebfläche und nimmt damit in Frankreich hinter dem riesigen Languedoc-Roussillon (240.000 Hektar) und Bordeaux (120.000 Hektar) gemeinsam mit dem etwa gleich großen Rhône-Gebiet den dritten Platz ein. Das Loiretal lässt sich grob in fünf Abschnitte einteilen. Flussabwärts wären das die Auvergne, die Centre, die Touraine, Anjou-Saumur und schließlich das Nantais. Der Fluss durchläuft unzählige, unterschiedliche geologische Formationen und Kleinklimata, die zur enormen Vielfalt der Loire-Weine beitragen. So entsteht eine große Zahl an Weinen kontrollierter Herkunft und es werden mannigfaltige Stilrichtungen gepflegt. Etwa 60 Prozent der Produktion sind Weißweine, 40 Prozent entfallen auf Rot- und Roséwein. Die wichtigsten Rebsorten sind Cabernet Franc und Chenin Blanc, in Centre Loire mit seinen bekannten Appellationen Sancerre und Pouilly-Fumé regiert Sauvignon Blanc. Auffällig an der Loire ist der hohe Anteil an Spitzenwinzern, die biologisch oder biodynamisch zertifiziert sind; die Loire ist heute als echter Hotspot für Freunde von Natural Wines bekannt.
Chenin Blanc: Die uralte Weißweinsorte stammt aus dem Anjou und liefert sowohl trockene als auch süße Weine mit gutem Säuregerüst mit zartem Orangentouch. Heute wird in Südafrika doppelt
soviel Chenin Blanc erzeugt wie in Frankreich.
Cabernet Franc: ist ein naher Verwandter des Merlot und stammt aus der Region Bordeaux, wo man ihn am rechten Ufer antrifft. Er ergibt robuste, frische Rotweine, die auf geeignetem Terroir mineralisch, langlebig und facettenreich ausfallen können.

Weiße Ikone: Coulée de Serrant

Nicolas Joly, der Godfather der Biodynamik.
Foto beigestellt
Nicolas Joly, der Godfather der Biodynamik.

Wenn Rudolf Steiner der Prophet der biodynamischen Entwicklung war, dann darf, was den Weinbau betrifft, der Winzer Nicolas Joly von der Domaine Clos de la Coulée de Serrant als der wichtigste Apos­tel dieser Idee gelten. Sein Buch »Beseelter Wein« gilt der Bewegung heute quasi als Bibel, die persönlichen Auftritte und Vorlesungen des charismatischen Winzers gestalten sich stets als heillos überbuchte Spektakel. Dass in seinem Weingut sogar die Ernährung der Pferde genau geregelt ist, deren Mist zur Düngung der Weingärten dient, ist wohl selbstverständlich.  Der Clos de la Coulée de Serrant ist eine uralte Spitzenlage, die eine eigene Appellation mit rund sieben Hektar Rebfläche aufweist, die exklusiv von der Familie Joly bewirtschaftet wird.
Der steile Weinberg bildet zur Loire hin in Richtung Süden eine Kessellage, die Chenin-Blanc-Stöcke sind durchschnittlich etwa 40 Jahre alt, die ältesten Reben bereits 80 Jahre. Die Basis dieses speziellen Terroirs bildet Roter Schiefer, der für eine perfekte Drainage sorgt. Bearbeitet wird der Weinberg mit Pferden und von Hand, Maschinen kommen hier nicht zum Einsatz. Während der Erntezeit werden durchschnittlich fünf Lesedurchgänge zur peniblen Selektion der Trauben durchgeführt. Vinifiziert wird in 500-Liter-Eichenfässern, wobei der AS-Anteil an neuem Holz niemals höher liegt als bei fünf Prozent. Aufgrund des sehr niedrigen Hektarertrags liegt die jährliche Produktion bei 20.000 bis 25.000 Flaschen. Dazu gesellen sich noch zwei weitere Weine: der Clos de la Bergerie aus der Nachbar-Appellation Roche aux Moines sowie der aromatisch-elegante Savennières AC namens »Les Vieux Clos«.

Die rote Ikone: Clos Rougeard

Foto beigestellt

Die Weine von Clos Rougeard der Brüder Jean-Louis »Charly« und Bernard »Nady« Foucault aus Caché in Saumur-Champigny AOP zählten unter Kennern stets zu den weltweit besten und gesuchtesten Cabernet Francs. Nach dem Ableben von Charly Foucault im Jahr 2015 wurde im Jänner 2017 das elf Hektar große Weingut zum allgemeinen Erstaunen an die Privatholding SCDM der Industriellen Martin und Olivier Bouygues verkauft, die bereits unter anderem das legendäre Château Montrose in Bordeaux erworben hatten. Blitzartig waren alle verfügbaren Weine vom Markt verschwunden und werden seither bei Auktionen und am Sekundärmarkt zu Rekordpreisen gehandelt. Noch sind keine Weine am Markt, die unter dem neuen Team unter Hervé Berland unter Beratung von Nady Foucault entstanden sind. Laut Hervé Berland, der einst erfolgreich als Direktor von Mouton-Rothschild wirkte, soll an der bestehenden Philosophie des Hauses nichts verändert werden, lediglich einige ohnehin schon länger geplante Modernisierungen im Keller wurden durchgeführt. Nady Foucault soll nun auch zum Gelingen der Umstellung von Montrose auf die Prinzipien der Biodynamik beitragen.
Die Brüder Bouygues haben an der Loire mit 14 Millionen einen legendären Betrieb zum Schnäppchenpreis bekommen, meint mancher Kommentator. Tatsächlich lag der Preis pro Hek­tar aber deutlich über einer Million Euro, in Saumur-Champigny sind aktuell rund 65.000 Euro der übliche Preis für sehr gute Lagen. Der Weinhandel erwartet jedenfalls für die kommenden Jahrgänge von Clos Rougeard und dessen Lagenweine wie den Chenin Blanc Brézé und die roten Le Clos (€ 230–260), Les Poyeux (€ 280–360) sowie Le Bourg (€ 480–550)* spürbare Preisanstiege, Magnums aus 2011 erreichten bereits vor dem Verkauf des Weinguts bei Auktionen vierstellige Euro-Ergebnisse. (* Aktuelle Circa-Preise für den Jahrgang 2012 im Handel)

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2019

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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