Die Wein-Börse reagierte auf die Corona-Krise mit einem steilen Anstieg der Verkaufsangebote.

Die Wein-Börse reagierte auf die Corona-Krise mit einem steilen Anstieg der Verkaufsangebote.
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Liv-Ex: 2020 war kein schlechtes Jahr

Die Domaine Leroy klettert auf Platz eins der »Power 100«, der von Liv-Ex erstellten Liste der mächtigsten Weingüter. Mit vier italienischen Betrieben in den Top Ten ist Italien weltweit der große Gewinner.

Die Londoner Wein-Börse Liv-Ex hat ihren jährlichen Research Report veröffentlicht. Wie stets, gibt der Bericht ein facettenreiches Bild vom Zustand des Fine Wine Markts – also jenes Teils der Weinbranche, der sich auf dem internationalen Parkett den gesuchtesten, sammelwürdigsten, und oft auch teuersten Weinen widmet.

Stabiler Markt

Dabei zeigt der Liv-Ex Report, dass Covid 19 in der Weinbranche für wesentlich geringe Volatilität gesorgt hat als an den Aktienmärkten. Während Dow, Dax & Co. im Frühjahr um 30 Prozent nachgaben, blieb das Minus im Liv-Ex 100, der die Handelspreise der 100 bedeutendsten Weine abbildet, im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Am 31. Dezember schlägt der Liv-Ex 100 mit einem Plus von rund 5 Prozent gegenüber seinem Jänner-Stand Dax, FTSE 100 und Hang Seng, einzig der S&P 500 brachte ein geringfügig höheres Jahres-Plus.

Tatsächlich reagierte auch die Wein-Börse auf die Corona-Krise – mit einem steilen Anstieg der Verkaufsangebote und einem Rückgang der Kaufgebote während des ersten Halbjahrs 2020. Während der letzten Monate 2020 stieg jedoch auch der Kaufappetit der Anleger wieder, inzwischen hat er Vorkrisen-Niveau erreicht, bei weiterhin erhöhtem Verkaufsangebot. In der »Total Exposure«, also der Summe aller Bids (Kaufgebote) und Offers (Verkaufsangebote) brach das Jahr 2020 bei Liv-Ex alle Rekorde: Mit einer wöchentlichen Exposure von bis zu 80 Millionen Pfund Sterling lag die Total Exposure doppelt so hoch wie 2018 und achtmal so hoch wie 2011.

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Bedeutende Verschiebungen

Ein weiteres interessantes Faktum ist, dass die Trumpschen Strafzölle, zumindest was den Handel auf Liv-Ex betrifft, differenzierte Auswirkungen auf das Verhalten amerikanischer Käufer haben: Während die Käufe aus den USA von Bordeaux und Burgundern seit Oktober 2020 rückläufig sind, steigen die Käufe von Champagner und italienischen Weinen kräftig an.

Italien ist auf Liv-Ex auch weltweit der große Gewinner. Der Anteil italienischer Weine am weltweiten Handelsvolumen von Liv-Ex überschritt im Jahr 2020 die 15-Prozent-Marke. Damit stellen italienische Weine die zweitgrößte Gruppe nach den Burgundern. Bordeaux setzt den Absturz der vergangenen Jahre fort und unterschritt im Jahr 2020 die fünf-Prozent-Marke.

Diese Verschiebungen wirken sich auch aus die »Power 100« auf, die von Liv-Ex erstellte Liste der mächtigsten Weingüter. In diese Liste gehen verschiedene Parameter ein, vor allem gehandeltes Volumen, gehandelter Wert, der durchschnittliche Handelspreis und die Preisentwicklung. Auf Platz eins der 2020er Liste steht die Burgunder-Domaine Leroy der streitbaren, inzwischen 88 Jahre alten Lalou Bize-Leroy. Auch auf Platz zwei steht ein Burgunder-Weingut: die Domaine Leflaive. Mit Gaja auf Platz 3, Sassicaia auf Platz 4, Ornellaia auf Platz 6 und Masseto auf Platz 9 folgen gleich vier italienische Betriebe in den Top Ten. Einziges Bordeaux-Gut auf den Spitzenplätzen ist Château Haut-Brion auf Platz 8. Aus dem deutschen Sprachraum schaffte es einzig Klaus Peter Keller in die Liste der Power 100. Mit Platz 66 (nach Platz 149 im Vorjahr) gelang dem Kultwinzer aus Flörsheim-Dalsheim ein Achtungserfolg, der viel Phantasie eröffnet für das Potenzial erstklassiger Rieslinge auf dem internationalen Weinbörsen-Parkett.

Die Top-Ten der «Power 100»
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Die Top-Ten der «Power 100»

Automatisierter Handel

Ein Fazit des Liv-Ex Teams ist, dass das Corona-Jahr 2020 Trends beschleunigt habe, die bereits zuvor im Entstehen waren. Auf der Handelplattform betrifft dies zum Beispiel den automatisierten Handel. Käufer und Verkäufer treten dabei nicht mehr in persona auf, sondern Computerprogramme lesen Lagerbestände und Kaufgesuche automatisiert auf die Plattform ein und lösen sieben Tage die Woche rund um die Uhr Handelsaktivitäten aus. Wer denkt, dass solch nüchterne Computertrades in der betulichen Weinwelt nicht funktionieren könnten, wurde 2020 eines besseren belehrt: Im November 2020 erreichte der Anteil automatisierter Trades auf Liv-Ex die 40-Prozent-Marke.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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