Immer den Main im Blick: Auf den Buntsandsteinböden Churfrankens hat Paul Fürst Spätburgunderlegenden erzeugt.

Immer den Main im Blick: Auf den Buntsandsteinböden Churfrankens hat Paul Fürst Spätburgunderlegenden erzeugt.
© Gert Krautbauer

Lebenswerk: Paul Fürst im Porträt

Paul Fürst ist eine Schlüsselfigur des deutschen Weinwunders der vergangenen 30 Jahre. Dabei war Fürst immer ein Mannschaftsspieler. Und ist es bis zum heutigen Tage.

Im Angebot eines bekannten Online-Auktionshauses gelangten vor ein paar Jahren zwei ungewöhnliche Flaschen zum Verkauf: Bürgstadter Spätburgundersekt brut, weiß gekeltert, Jahrgang 1989, Weingut Rudolf Fürst. Eine Zeitreise ganz an den Beginn des deutschen Weinwunders und an den Beginn der Karriere von Paul Fürst, der dieses Jahr von Falstaff für sein Lebenswerk geehrt wird. Nun soll es hier natürlich nicht um diesen Sekt gehen – der im Übrigen noch mit großem Genuss zu trinken war –, sondern darum, dass sich in diesen Flaschen all das spiegelt, was ihren Erzeuger Paul Fürst die ganzen Jahrzehnte hindurch ausgemacht hat und noch immer ausmacht.

Pinot, Pinot, Pinot

Zuerst und zuvörderst ist da Paul Fürsts Leidenschaft für den Spätburgunder. Natürlich hat er auch ausgezeichnete Rieslinge und Silvaner erzeugt. Doch es sind die Burgundersorten, mit denen er eine Alleinstellung erlangt hat: Ende der 1980er-Jahre wäre kaum ein deutscher Winzer, der auch Riesling im Betrieb stehen hatte, auf die Idee gekommen, einen Sekt aus Spätburgunder zu machen. Anders Paul Fürst: Als Pinot-Aficionado hat ihn ganz offensichtlich schon damals die Feinheit der Burgunderfrucht umgetrieben. Vermutlich reizte ihn auch die Frage, was man in einem warmen Jahr – ein solches war 1989 – erreichen könnte, wenn man so früh wie möglich zur Lese schreitet. Nach Spätlese- oder gar Botrytistrauben, wie viele andere deutsche Sekte jener Tage, schmeckte Fürsts Flaschengärung jedenfalls nicht.

Umsicht und Behutsamkeit

Außerdem ist dieser Sekt ein Musterbeispiel dafür, mit welch weitem Horizont Fürst seinen Weg suchte und fand. Dass er schon in so jungen Jahren sehr weit war, hatte sicher auch damit zu tun, dass er sehr früh in Verantwortung kam – sein Vater starb, als Paul Fürst erst 21 Jahre alt war. Doch vor allem muss auch der junge Paul Fürst schon intensiv nachgedacht haben: Einen weiß gekelterten Spätburgunder zur Flaschengärung zu verwenden, das überträgt das Vorbild der Champagne auf die heimischen Bedingungen – und stellt dabei auch die überaus kluge Frage, ob Bürgstadts Buntsandsteinböden wohl einen ähnlichen Beitrag zur Finesse eines Schaumweins würden leisten können, wie es die Kreideböden der Champagne tun.

Als ein ähnliches Vorantasten lassen sich auch Fürsts Spätburgunder-Rotweine jener Tage verstehen: Gleichermaßen behutsam wie neugierig arbeitete Fürst sie stilistisch aus. Immer geleitet von der Idee, mit unaufgeregtem, solidem Handwerk einen Schritt nach dem anderen zu gehen – um zu sehen, wohin dieser Weg führt. Dabei muss man sich vor Augen führen, wie der typische deutsche Spätburgunder der 1980er-Jahre schmeckte: dünn im Aroma und rustikal-gerbig im Tannin, manchmal zudem noch süßlich. Der neueste Schrei waren Rotofermenter, in denen die Maische wie in einem Wäschetrockner ausgewrungen wurde, oder Erhitzungsanlagen, die mittels Flash-Pasteurisierung Farbe und Gerbstoff aus den Beeren kochten. Alles Versuche, einem Offenbarungseid aus dem Weg zu gehen, der seine Ursache in falschen Klonen und zu hohen Erträgen hatte. Fürst aber setzte auf Akribie im Weinberg und auf traditionelles Handwerk bei der Weinbereitung, veredelt durch eine an Burgund orientierte Reifung des Weins im Barriquefass. So gelang ihm schon 1999 ein Spätburgunder Centgrafenberg R, der einem auch heute noch, 20 Jahre später, die pure Delikatesse ins Glas bringt.

Der Zeit voraus

Paul Fürst – siehe abermals den 1989er Blanc-de-noirs-Sekt – immer wieder seiner Zeit voraus: Als der Zeitgeist noch hochkonzentrierte und intensiv holzwürzige Weine bevorzugte, feilte Fürst bereits daran, die Subtilitäten der Burgunder vom Buntsandstein noch feiner zur Geltung zu bringen. Als viele Winzer dem Steillagenweinbau keine Zukunft mehr gaben, übernahm Fürst die emblematische Parzelle des Klingenberger Schlossbergs unterhalb der Burgruine, sanierte mit großem Aufwand die Trockenmauern und legte den Weinberg komplett neu an. Und als sich durch die neue Weingesetzgebung der EU die Chance bot, auch im deutschen Weinbau nach romanischem Vorbild Herkunftsbezeichnungen schützen zu lassen, ergriff Fürst die Initiative, um die historische Einheit »Bürgstadter Berg« in Brüssel als »gU« (geschützte Ursprungsbezeichnung) eintragen zu lassen.

Soziale Kompetenz

Die »gU« »Bürgstadter Berg« zeigt zudem exemplarisch, was Paul Fürst menschlich ausmacht: Er ist ein Brückenbauer von großer sozialer Kompetenz. Als VDP-Betrieb hätte sich das Weingut auf den Standpunkt stellen können: Uns reicht es, wenn der VDP den »Bürgstadter Berg« als Erste Lage neben den Großen Lagen Centgrafenberg und Hundsrück klassifiziert. Doch sowohl Paul Fürst als auch seine Ehefrau Monika haben ein gesundes Gespür dafür, dass sie nicht in einem sozialen Vakuum leben.

Mit demselben klugen Blick für den Interessensausgleich hat Fürst auch seinem Sohn Sebastian den Weg in die Betriebsleitung geebnet. Dabei hat Paul Fürst das Kunststück geschafft, loszulassen, ohne sich zurückzuziehen. Und hat mit brillanter Umsicht eine neue Nische für sich aufgetan: Da die Herstellung eigenen Komposts zur Förderung des Bodenlebens ein so diffiziler und aufwendiger Prozess ist, dass im Alltagsgeschäft dafür kaum Zeit bleibt, hat er sich genau dies zur Aufgabe gemacht. Wie stets abseits des Rampenlichts und ganz im Dienste der Mannschaft.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2020

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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Von Ulrich Sautter, Redaktion