Harald Wohlfahrt, Dieter Müller, Nobuyuki »Nobu« Matsuhisa, Johanna Maier, André Jäger – ein Blick in die Kataloge der Kreuzfahrt-Reeder suggeriert, dass die besten Köche fast schon mehr auf den Weltmeeren unterwegs sind als in ihren Stammhäusern in der Küche stehen. Tatsächlich spiegelt das kulinarische Namedropping den enormen Aufwand wider, den die Big Player der Kreuzfahrt-Branche in die Gastronomie ihrer Schiffe investieren. Vor allem jene Gäste, die in Pizza auf dem Pooldeck und Selfservice vom Buffet nicht das Nonplusultra an Bordverpflegung erblicken, suchen sich ihre Reise – abseits von Kabine und Route – sehr genau nach dem aus, was sich auf den Tellern ihrer Schifffahrtslinie abspielt. Schließlich werden, vom Frühstück bis zum Mitternachtssnack, bis zu sechs Mahlzeiten in den Tagesprogrammen angeführt. Vor allem an den ruhigen Seetagen bestimmt die Kulinarik den Tagesablauf.
Große Namen
Mit hochklassiger Verpflegung von Sterne-Köchen versuchen zahlreiche
Der ehemalige Patron eines Drei-Sterne-Restaurants in Bergisch-Gladbach leitet
Kochlegende Dieter Müller hat mit seinem Restaurant »Dieter Müller« auf der »MS Europa« die Standards gesetzt / Foto: beigestellt
Das Mastermind hinter der großen Kocherei heißt Stefan Wilke und ist der wohl meistbeschäftigte »Chef on Sea«. Denn zusätzlich zu seinen bisherigen vier Restaurants auf der »MS Europa« befehligt er nun auch die Küchen der acht Lokale der im Mai in Dienst gestellten »MS Europa 2«. Auf dem neuen Luxusschiff wird zwar auf gleichem Niveau wie auf der »alten« Schwester gekocht, wegen der ohnehin schon enormen Vielfalt – vom Italiener »Serenissima« über das französische »Tarragon« bis zum Sushi-Restaurant »Sakura« – verzichtet man auf Gastköche, Events und Co. Stattdessen kommen regelmäßig »Genusshandwerker« an Bord, die Gewürzworkshops, Olivenölverkostungen oder Weinseminare abhalten. Und alternativ zu Landausflügen können für den Vormittag Kurse in der Miele-Kochschule gebucht werden.
Nobu und sein »Black Cod«
Das Thema Sushi lässt sich diesen
All-inclusive wird Standard
Ein weiterer Österreicher denkt in ganz anderen Dimensionen, wenn es ums
Weil das System der Zuzahlungen und das Kontrollieren von Getränkebelegen immer mehr Passagieren die Freude an der Seefahrt vergällt, sind zahlreiche Linien dazu übergegangen, »all-inclusive« als Motto auszurufen. Unter den US-Reedern bieten die Luxusschiffe von Regent Seven Seas oder Seabourn Genuss ohne Zuschlag inklusive Tischweinen sowie Spirituosen. In Europa sparen sich etwa die Gäste auf den Luxuskreuzern der monegassischen Silversea Cruises das ständige Unterschreiben von Zetteln.
Ein Einblick in die kulinarische Welt der »Sea Cloud II« / Foto: beigestellt
Bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten sind zwar die Getränke extra, dafür wissen erfahrene Stammfahrer aber, dass Kaviar regelmäßig auf den Speisekarten zu finden ist. Ausreichende Depots der feinen Störeier aus dem Haus Prunier zählen zur Pflichtausstattung an Bord der beiden »Europas«. Andere Genüsse sind bisweilen etwas schwieriger zu besorgen. Jener Gast aus Österreich, der eher beiläufig im Rahmen einer Ostseereise nach einem Beuschel fragte, bekam natürlich die zu erwartende Antwort. Lunge und Herz vom Kalb zählen nicht gerade zur Standard-Ausstattung im Fleischlager eines feinen Luxuskreuzers, auch nicht auf einem Schiff der Kategorie »Fünf-Sterne-plus«.
Doch weil man sich auf diesem Schiff auch bei der Kulinarik das Nein weitgehend abgewöhnt und das Plus der Wertung stets im Auge hat, wurde insgeheim mit Helsinki telefoniert. Und tatsächlich fand sich dort ein Fleischer, der Innereien liefern konnte. Einen Tag später gab’s für den Österreicher einen Überraschungsgang. Der Mann erzählt noch heute von jenem Beuschel, das er fernab der Heimat in den Schären vor Stockholm »ganz überraschend« serviert bekam.
Mehr zu Gourmet-Kreuzfahrten:
Die Gourmet-Kreuzfahrten im Überblick
Interview mit Stefan Wilke, Chefkoch »MS Europa 2«
Text von Alexander Bachl
Aus Falstaff Nr. 03/13