Ganz gleich ob frisches Bratensaftl oder Sauce: Die flaumige Konsistenz eines Knödels ist perfekt geeignet, keinen der kostbaren Tropfen zu verschwenden.

Ganz gleich ob frisches Bratensaftl oder Sauce: Die flaumige Konsistenz eines Knödels ist perfekt geeignet, keinen der kostbaren Tropfen zu verschwenden.
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Knödel zu Wild: Die beste aller Beilagen

Nichts harmoniert besser mit Wild als Knödel. Aber die kugeligen Sattmacher können kulinarisch noch viel mehr – und haben eine Tausende Jahre lange Geschichte: Bereits in der Steinzeit wusste man sie zu schätzen.

Der Knödel ist eine der großen kulinarischen Konstanten der Welt. Natürlich, in Österreich weckt das Wort zunächst einmal Assoziationen mit knusprigen Bratln, würzigem Sauerkraut, saftigem Rehragout, flauschigem Topfenteig oder süßen Marillen. Damit ist aber noch lange nicht Schluss: So gut wie jede kulinarische Kultur kennt ihre eigene Knödel-Version – und hat dafür unterschiedlichste Namen.

In China und weiten Teilen Asiens werden etwa Jiăozi gedämpft, Hefeteigknödel, die mit so ziemlich allem gefüllt werden können, von süßem Sesambrei bis Krabbeneiern. In ganz Südamerika werden Tamales heiß geliebt, mehr oder weniger gefüllte Maisteigknödel, die in Blättern gedämpft werden. Und auch in vielen Teilen Afrikas gehören Knödel zum Grundnahrungsmittel. In Ghana etwa werden Banku geschlemmt, Knödel aus vergorenem Maismehl.

Sattmacher & Resteverwerter

Dass Knödel so allgegenwärtig und weit verbreitet sind, liegt auch daran, dass sie höchst wichtige zivilisatorische Aufgaben übernehmen …

Erstens: Sie machen satt, und zwar so richtig. Ein wenig Fleisch, ein bisschen Gemüse, eine Schüssel Suppe oder ein Schuss Bratensaft werden dank Knödel zu einer vollwertigen Mahlzeit. Der oberösterreichische Spruch, wer mittags keine Knödel isst, sei den ganzen Tag hungrig, war lange durchaus wortwörtlich gemeint.

Zweitens: Knödel sind unschlagbare Resteverwerter. Fleischabschnitte oder Speckreste, ein wenig übrig gebliebenes Gemüse oder altes Brot, das zu hart zum Essen, aber zu wertvoll zum Wegwerfen ist – all diesen Zutaten kann mit Knödel-Unterstützung neues Leben eingehaucht werden. Die Krone dieses »Auferstehungswunders« ist der geröstete Knödel (mit oder ohne Ei), der selbst noch die Reste der Reste zum köstlichen Gericht macht.

Drittens kann so ein Knödel eine herrliche Verpackung sein. In ihm lässt sich alles verstecken, was zwar wunderbar schmeckt, aber nicht ganz so wunderbar aussieht – von Innereien über besonders fette Fleischteile bis hin zu vergorenem Gemüse. Das macht ihn zu einem Verwandten der Wurst, diesem eingelösten Heilsversprechen, dass am Ende alles gut wird, selbst Schweineblut und Darm.

Und viertens, und vielleicht am wichtigsten: Er schmeckt mitunter einfach umwerfend gut. Sei es als prall gefüllter Grammelknödel, der den knusprigen Wonneproppen Form und Halt gibt, als flaumiger Erdäpfelball, der all die köstlichen Säfte eines Bratls aufsaugt, oder als Topfen-Marillenknödel, bei dem der saftig-weiche Teig die süße Frucht zart-säuerlich umschmiegt.

Verhältnismäßig jung ist der Kartoffelknödel – er hat sich erst in den  letzten paar hundert Jahren als Alternative zu Teigknödeln etabliert. Heute ist er der Favorit als Beilage zu gebratenem Geflügel.
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Verhältnismäßig jung ist der Kartoffelknödel – er hat sich erst in den  letzten paar hundert Jahren als Alternative zu Teigknödeln etabliert. Heute ist er der Favorit als Beilage zu gebratenem Geflügel.

So alt wie das Rad

Kein Wunder also, dass der Knödel uns schon ziemlich lange begleitet: Erste sichere archäologische Beweise für Knödel stammen aus der Jungsteinzeit, etwa 3000 Jahre vor Christus: Sowohl in der Schweiz als auch in Pfahlbauten-Ausgrabungen am Mondsee wurden konservierte Reste von Knödeln aus dieser Zeit gefunden (zum Vergleich: Die erste Darstellung eines Wagens mit vier Rädern ist ähnlich alt).

Gute 4000 Jahre später, um das nachchristliche Jahr 1100, malte ein unbekannter Künstler eine knödelessende Frau an die Wand einer Südtiroler Burgkapelle. Die sogenannte Knödelesserin in der Burg Hocheppan ist die älteste erhaltene westliche Knödel-Darstellung. Die Dame brät die Teigbälle übrigens in einer großen Pfanne über offenem Feuer.

Dass sie diese offenbar für Maria, die Mutter Gottes, im Wochenbett zubereitet, zeugt von der enormen Bedeutung, die dem Knödel damals beigemessen wurde. Das Wort selbst kommt vom althochdeutschen chnodo, und das bedeutet Knoten oder Knötchen, was wiederum auf das lateinische nodus zurückgehen soll. Bei den Römern waren Knödel, wie wir sie kennen, allerdings unbekannt: Das römische Kochbuch »Apicius«, das älteste Kochbuch der westlichen Welt, enthält zwar Rezepte für gekochte Bällchen aus Fasanenfleisch und Wurst, nicht aber aus Teig.

Der Ursprung des Knödels liegt in Brei, der zu Bällen geformt wurde, um ihn besser transportieren  zu können.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass Knödel als eine Art »Take-away-Brei« begonnen haben: Weil sich Getreidebreie, ein wesentlicher Kalorienlieferant früher Bauern, schlecht transportieren ließen, dickten unsere Vorfahren diese Sterze ein und formten sie mit den Händen zu einzelnen Portionen – der Knödel war geboren.

Die allermeiste Zeit seiner langen Geschichte blieb der Knödel übrigens eine salzige Angelegenheit. Die heute so beliebten süßen Knödel und Fruchtknödel tauchen in deutschsprachigen Kochbüchern überhaupt erst im 19. Jahrhundert auf, als Zucker, lange ein Luxusgut, langsam für die breiten Massen verfügbar und erschwinglich wurde. Begonnen haben dürften Marillenknödel und Co. als bürgerliches (und günstigeres) Imitat der glasierten Früchte bei Hof, die in Schokolade oder Marzipan gehüllt waren.

Zwiebelrostbraten mit Semmelknödeln: Die Knödel wurden seinerzeit erfunden, um trockene Gebäckreste weiterzuverwerten.
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Zwiebelrostbraten mit Semmelknödeln: Die Knödel wurden seinerzeit erfunden, um trockene Gebäckreste weiterzuverwerten.

Zeitloses Erfolgsmodell

Viele von seinen Vorteilen teilt sich der Knödel mit seiner engen Verwandten, der Teigtasche, die, um die Verwirrung perfekt zu machen, noch dazu auf Englisch oft »dumpling«, also Knödel heißt. Wo genau der Knödel aufhört und die Teigtasche anfängt, ist mitunter schwer zu bestimmen. Der größte Unterschied ist vielleicht, dass Knödelteige – im Gegensatz zu Nudel- oder Teigtaschenteigen – meist nur so viel wie nötig geknetet werden: Knödel sollen zusammenhalten, aber nicht fest, sondern möglichst flaumig-locker bleiben. Auch Lufteinschlüsse im Teig sind dabei durchaus erwünscht. Wird der Knödel gekocht, füllen sich diese Hohlräume mit Wasserdampf – der Knödel steigt an die Oberfläche. Gare Knödel schwimmen daher auf.

Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen aus der Jungsteinzeit hat sich der Knödel bis heute übrigens kaum verändert. Schon die archäologisch wertvollen Mondsee-Knödel waren nicht nur trockene Teigbrocken, sondern dürften bereits mit Fleisch und Gemüse gefüllt gewesen sein. Und das ist wohl der beste Beweis dafür, was für ein Erfolgsmodell der Knödel ist. Wir dürfen also wohl davon ausgehen, dass er uns noch mindestens weitere 5000 Jahre begleiten wird.

Kleine Knödelkunde

Sie wollen mehr über die guten Sattmacher erfahren? Hier geht's zu den Top 6 Knödeln!

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2020

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Tobias Müller
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