Die Jungen von Montalcino: Giacomo Bartolommei (Caprili), Giovanni Neri (Casanova di Neri), Amedeo Cencioni (Capanna), Alex Bianchini (Ciacci Piccolomini), Francesco Ripaccioli (Canalicchio di Sopra).

Die Jungen von Montalcino: Giacomo Bartolommei (Caprili), Giovanni Neri (Casanova di Neri), Amedeo Cencioni (Capanna), Alex Bianchini (Ciacci Piccolomini), Francesco Ripaccioli (Canalicchio di Sopra).
© Othmar Kiem

Junge Löwen des Brunello di Montalcino

Brunello di Montalcino zählt zu den berühmtesten Weinen Italiens. Falstaff traf die neue Generation – die jungen Löwen in Montalcino.

»Wie die Generationen vor uns wollen auch wir etwas Eigenes einbringen. Uns ist aber klar, dass das sanft und wohlüberlegt geschehen muss. Es geht nicht um radikale Veränderungen, sondern um kleine Schritte, kleine Neuerungen, die die Qualität des Brunello immer weiter verbessern«, bringt es Giovanni Neri auf den Punkt. 
Die Geschichte des Brunello ist relativ jung. Erst 1967 schlossen sich zwei Dutzend Betriebe zum »Consorzio del Vino Brunello di Montalcino« zusammen. Viele Jahrzehnte vorher war der Name Brunello di Montalcino ausschließlich von der Familie Biondi Santi in die Welt hinausgetragen worden. In den letzten beiden Dekaden des vergangenen Jahrtausends boomte dann Montalcino, und heute gibt es 208 Produzenten. In vielen Betrieben ist in den letzten Jahren eine junge Generation herangewachsen, die ihren berühmten Vätern nachfolgt.

»In einem kleinen Gebiet wie Montalcino kann man mit einer einzelnen Rebsorte am besten die Lagenunterschiede herausarbeiten.«
Francesco Ripaccioli, Winzer

Jugendpower auf Canalicchio di Sopra (v. l. n. r.): die Geschwister Francesco, Simonetta und Marco Ripaccioli.
© Bruno Bruchi
Jugendpower auf Canalicchio di Sopra (v. l. n. r.): die Geschwister Francesco, Simonetta und Marco Ripaccioli.

Casanova di Neri liegt am Osthang von Montalcino, besitzt aber auch Weinberge im Süden bei Castelnuovo dell’Abate. Aus den dortigen Weingärten stammt der Brunello »Tenuta Nuova«. Giovanni Neri, Jahrgang 1991, studierte Weinbau und Kellerwirtschaft in Siena und arbeitet seit 2012 im Betrieb. »Für mich war es immer klar, dass ich eines Tages im Familienbetrieb mitarbeiten werde. Mein Großvater kaufte 1971 das Anwesen und begann, eigenen Wein zu erzeugen. Mein Vater Giacomo machte Casanova dann weltbekannt.« 
Giovannis jüngerer Bruder Gianlorenzo arbeitet ebenfalls im Betrieb mit. Er kümmert sich um das Büro und betreut das neue Weinrelais der Familie. Neben dem Brunello »Casanova di Neri« und dem »Tenuta Nuova« erzeugt das Weingut mit dem »Cerretalto« einen herausragenden Lagen-Brunello. 

Reife Sangiovese-Trauben, Grundlage für besten Brunello.
© Bruno Bruchi
Reife Sangiovese-Trauben, Grundlage für besten Brunello.

Giovanni Neri ist begeistert von seinem Beruf: »In einem Jahr denkst du, nun endlich alles verstanden zu haben. Die Witterung im folgenden Jahr aber stellt dich dann vor völlig neue Herausforderungen. Es bleibt immer spannend.« Und wie läuft die Zusammenarbeit mit Vater Giacomo? Der habe ihm immer viel Freiraum gewährt. Auf seine Anregung hin wurde vor drei Jahren ein Gerät für die optische Traubenselektion angekauft. Eine teure Investition, die sich aber schon jetzt bewährt habe, meint Giovanni Neri zufrieden. 

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Amedeo Cencioni vom Weingut Capanna ist mit Jahrgang 1986 der Älteste unter den Jungen. Er studierte Önologie in Turin. »Hier zu arbeiten ist für mich der schönste Beruf der Welt.« Capanna wurde vor 60 Jahren gegründet und zählt zu den ältesten Betrieben von Montalcino. Er befindet sich am Nordhang und umfasst 25 Hektar. Amedeo Cencioni will den traditionellen Stil beibehalten. »Beim Brunello wird an der langen Lagerung im großen Holzfass nicht gerüttelt.« Einige Neuerungen wie den wundarmen Rebschnitt und die Dauerbegrünung konnte er umsetzen. Anderes, was er an der Universität gelernt hatte, musste er wieder revidieren. »Mein Vater mit seiner reichen Erfahrung holte mich da immer wieder auf den Boden der Realität zurück.« 

Francesco Ripaccioli, Jahrgang 1987, zeichnet seit 2007 für Canalicchio di Sopra verantwortlich. Sein Großvater, bis dahin die Seele des Betriebs, hatte gesundheitliche Probleme. So hing Francesco sein Wirtschaftsstudium an den Nagel und krempelte die Ärmel hoch. »Ich bin auf dem Weingut aufgewachsen, und für mich war es immer klar, dass ich eines Tages den Familienbetrieb weiterführe.« Canalicchio di Sopra liegt im Nordosten. Die Weinberge verteilen sich auf zwei Lagen: Canalicchio rund um den Keller und Montosoli weiter im Norden. Francesco Ripaccioli erhält mittlerweile Unterstützung von seinen jüngeren Geschwistern. Während er für Keller und Verkauf zuständig ist, versieht sein Bruder die Arbeiten im Weinberg, und seine Schwester kümmert sich um die Ferienwohnungen.
Auf Canalicchio di Sopra wird ausschließlich Sangiovese angebaut. »In einem kleinen Gebiet wie Montalcino kann ich mit einer einzelnen Rebsorte am besten die Lagenunterschiede herausarbeiten«, ist Francesco überzeugt. Konsequenterweise wird es ab dem Jahrgang 2015 zwei Lagenweine geben, den Brunello Canalicchio und den Brunello Montosoli. 

Hier werden gleich drei Spitzen-Brunelli erzeugt: Casanova di Neri.
© Othmar Kiem
Hier werden gleich drei Spitzen-Brunelli erzeugt: Casanova di Neri.

Giacomo Bartolommei, Jahrgang 1991, ist seit 2011 im Weingut Caprili tätig. »Für mich wurde erst nach dem Studium – Önologie und Wirtschaftsinformatik – klar, dass ich in den elterlichen Betrieb zurückwill.« Er betreut den Keller, seine Informatikkenntnisse kann er nun im Büro gut umsetzen. Caprili wurde von Urgroßvater Alberto 1955 erworben. Er pflanzte einen Hektar, aus dem heute die Trauben für die Riserva AdAlberto kommen. Neben Sangiovese pflanzte Giacomo in den vergangenen Jahren auch weißen Vermentino aus. 
Giacomo Bartolommei konnte auch andere Veränderungen im Betrieb realisieren: »Den Rosso di Montalcino geben wir nun in etwas kleinere Gebinde, bei Brunello und Brunello Riserva hingegen verwenden wir ausschließlich große Fässer mit 50 bis 60 Hektolitern. Auf meine Anregung hin kauften wir ein Gerät für die optische Traubensortierung. Meine Idee für einen Lagen-Brunello ist innerhalb der Familie allerdings noch nicht auf allgemeine Zustimmung gestoßen. Das bleibt ein Projekt für die Zukunft.«

Weingut vor den Toren der Stadt: Canalicchio di Sopra.
Foto beigestellt
Weingut vor den Toren der Stadt: Canalicchio di Sopra.

Alex Bianchini, Jahrgang 1989, ist seit drei Jahren im elterlichen Weingut Ciacci Piccolomini tätig und leitet dort die Produktion. 1955 erbte Großvater Giuseppe das Gut in Castelnuovo dell’Abate von der Gräfin Ciacci Piccolomini. Er vergrößerte es ständig, und aus den sechs Hektar von einst wurden 55. Es gehe um die bestmögliche Interpretation des Terroirs, so Alex Bianchini. »Kleine Änderungen und Verbesserungen sind gewiss einzubringen, der Stil muss aber so erhalten werden. Bei Brunello heißt das für mich die ausschließliche Lagerung im großen Holzfass.«
Das bedeutet aber nicht, nur das Bekannte weiterzuführen. »Wir haben die Beerenselektion deutlich verbessert. Ich experimentiere auch mit Vergärung im Holzfass. Mal schauen, was daraus wird.« Zudem ist Alex Bianchini für die Umstellung des Betriebes auf Bio verantwortlich. »Für die Zukunft gibt es nur einen Weg: Qualität, Qualität, Qualität.« 
Mit solchen begeisterten jungen Menschen, die wissen, was sie am Brunello haben, die aber auch wissen, dass an stetiger Innovation kein Weg vorbeiführt, ist die Zukunft des Brunello gesichert. 

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2018

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Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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