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Jahrgang 2019: Nichts für schwache Nerven

Der Jahrgang 2019 kostete die deutschen Winzer Körner: Erst zu wenig, dann zu viel Wasser brachte ihnen eine Achterbahnfahrt der Gefühle – und machte eine schnelle Lese mit sorgsamer Selektion der Trauben erforderlich.

Ein vergleichsweise zögerlicher Austrieb im Frühjahr, dann aber ein recht warmer Mai und nachfolgend eine frühe Blüte Anfang Juni. Heiße Sommertage im Juli und August, Hitzeextreme mit Temperaturen von bis zu 40 Grad Cel­sius begleitet von Trockenstress und Sonnenbrand-Schäden auf den Beeren. Im Herbst plötzlich sehr viel Regen und daher eine
frühe Lese im Sauseschritt. So etwa ließe sich der Witterungsverlauf des Jahrgangs 2019 zusammenfassen. Deutschlands Winzer gingen während des Jahres durch Wechselbäder der Gefühle – und es ist auch jetzt, Mitte November, noch nicht wirklich klar, in welche Richtung das Pendel der Jahrgangsbeurteilung letztendlich ausschwingen wird.

»Beim Riesling war die Mosel dieses Jahr etwas besser als der Rheingau«, resümiert Dr. Tom Drieseberg, der mit seinen Weingütern Wegeler sowohl in Oestrich-Winkel als auch in Bernkastel vor Ort ist. »Der Regen zur Lese machte eine rigorose Selektion der Trauben erforderlich.« Unterm Strich stünde daher eine Ertragseinbuße von rund 30 Prozent. »Vor allem bei höheren Qualitäten, also ab Ortswein aufwärts bis zu den Großen Gewächsen, sind die Erntemengen gering.« Deutlich besser, so Drieseberg weiter, habe sich der Spätburgunder im ebenfalls zu Wegeler gehörenden Weingut Krone in Assmannshausen geschlagen: Da das meiste schon vor Beginn der Regenfälle eingebracht werden konnte, sei die Menge gut – und die Qualität ebenfalls.

Kathrin Puff von den Hessischen Staatsweingütern Kloster Eberbach schlägt ähnliche Töne an: Durch die Größe des Betriebs – 250 Hektar im Rheingau und an der Hessischen Bergstraße – hätten sie früh mit der Lese begonnen. Rieslinge aus Rheingauer Top-Lagen wie Baiken, Steinberg und Neroberg präsentieren sich dann auch kernig, mit gut von Extrakt gepufferter Säure und einem recht klassisch anmutenden Körperbau.

Vom Mittelrhein berichtet Jörg Lanius vom Weingut Lanius-Knab, dass sich die Lese in ihrem Verlauf immer weiter beschleunigt habe. »Am Anfang sah alles noch sehr gut aus, aber im Verlauf der Lese haben wir dann das Tempo gesteigert.« Den Ertrag beziffert Lanius mit minus 30 Prozent gegenüber einem Normaljahr.

Moritz Haidle aus Stetten im Remstal (Württemberg) betont vor allem den ungewöhnlichen Vegetationsverlauf des 2019er-Jahres: »Durch die Trockenheit bei der Blüte ging bei manchen Sorten länger nichts, das hat dann die Reife zusammengeschoben, im Herbst sind sie alle fast gleichzeitig reif geworden.« Vor allem beim Spätburgunder hatte Haidle anfangs noch den Plan, ihn etwas länger hängen zu lassen: »Dann haben wir aber gemerkt, dass die Oechsle kaum noch zunehmen.« So wurde er praktisch zeitgleich mit Lemberger und Riesling eingebracht. »An den besten Tagen haben wir mit 40 Leuten aus der Region gelesen, zum Glück haben wir ein eingespieltes Team aus Rentnern und sogar Berufstätigen, die sich dann extra Urlaub nehmen.« Innerhalb von drei Wochen sei die Lese im Keller gewesen. »Das war hier bei uns der zweitschnellste Herbst überhaupt, nur 2013 waren wir noch schneller.« Er rechne damit, so Haidle weiter, dass die Weine recht gut würden, aufgrund von niedrigem Ertrag und niedrigen pH-Werten seien die Perspektiven bestens. »Nur die Menge ist unbefriedigend, vor allem beim Riesling fehlt mir richtig viel.«

Auch Joachim Heger aus Ihringen am Kaiserstuhl (Baden) erwähnt gute pH-Werte und Jungweine, die sich frisch, lebendig und fruchtig präsentieren. Allerdings habe sich die extreme Trockenheit auf die Menge ausgewirkt: »Schon im Winter 2018/2019 fiel ­ja fast kein Regen, die Böden hatten kaum Wasserreserven«, sagt Heger und freut sich über die reichen Niederschläge des Novembers 2019. »Von mir aus kann es jetzt gerne bis Februar 2020 weiterregnen.« Vor allem auf den Vulkangesteinsböden seien die Erträge sehr gering gewesen, teils nur 20 Liter pro Ar. Etwas besser seien die Mengen in den Weinbergen auf Löss ausgefallen.

Eine der Gewinner-Regionen des Jahrgangs 2019 könnte Franken sein. So berichtet Robert Haller vom Bürgerspital, dass sich die Weine schon während der Gärung »brillant« präsentiert hätten. Durch die kühlen Nächte im Spätsommer sei »die Aromaausprägung sehr gut verlaufen, die Weine sind dicht, und die Säurestruktur ist gut«. Haller summiert, dass der Jahrgang 2019 – zumindest in Würzburg und Umgebung – die Bezeichnung »groß« verdiene. Man darf auf die ersten Weine gespannt sein.

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2019

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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