Jacques' Wein-Depot: (W)einsame Spitze

Aus einer Laune heraus geboren, ist das Unternehmen heute Deutschlands führender Weinfachhändler.

Düsseldorf, Bilker Allee 49: der Sitz von Jacques’ Wein-Depot. Nichts deutet hier auf übertriebenen Luxus hin. Im Gegenteil: alles sehr schlicht und zweckmäßig. Lediglich die Ölbilder des Malers Werner Kemnitz, die in vielen Zimmern hängen, bringen ein wenig Farbe in das sonst recht nüchterne Bürohaus.

Lebenslust und Genuss
Dabei ist Lebenslust und Genuss das zen­trale Motto der Geschäftsaktivitäten. Jacques’ Wein-Depot ist Deutschlands führender Weinfachhändler mit über 280 Läden und einem Netto-Jahresumsatz von über 130 Millionen Euro bei bloß 60 Mitarbeitern in der Verwaltung. Eine straff geführte Firma, die richtig Geld verdient.

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Und das schon seit geraumer Zeit. In diesem Jahr feiert das Unternehmen seinen
40. Geburtstag. Kathy Féron und Alexander Borwitzky, beide gehören seit einigen Jahren der Geschäftsführung an, sagen unisono: »Das Geschäftsmodell von Jaques’ Wein-Depot hat sich ganz offensichtlich über vier Dekaden bewährt. Sonst säßen wir nicht hier.«

So sehen die Depots, von denen es über 280 gibt, heute aus / Foto: beigestellt

Jacques’ Wein-Depot, das ist nicht bloß eine Firmengeschichte irgendeines Weinhändlers. Die Gründer des Unternehmens haben uns Deutschen in einer Zeit, als die meisten von uns noch an gefälligen Süßweinen nuckelten, die internationale Weinwelt nähergebracht. Sie haben, um es auf den Punkt zu bringen, maßgeblich dazu beigetragen, den Weingeschmack deutscher Konsumenten zu verändern. Einer dieser Gründer ist Olaf Müller-Soppart, der heute in Interviews nicht ohne Stolz meint: »Wir haben die Deutschen hin zum Wein geführt.«

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Doch wie in vielen Unternehmen, die seit Jahrzehnten auf dem Markt sind, blicken die Verantwortlichen auch in diesem Fall auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Nicht immer lief alles zum Besten, das führte mehrmals zu einem Wechsel der Eigentümer, einige Male schrammte der Betrieb am wirtschaftlichen Abgrund vorbei. Die Gründer verkauften das Weinhandelshaus jedenfalls schon 1980 an den britisch-amerikanischen BAT-Konzern. Heute gehört das Unternehmen zur Hawesko-Gruppe aus Norddeutschland, einem börsennotierten Konzern, zu dem Jacques’ Wein-Depot ein Drittel des Umsatzes beiträgt.

Depot-Philosophie: Jeder Wein kann vor dem Kauf verkostet werden / Foto: Albrecht FuchsNovum in Deutschland
Bemerkenswert am Werdegang der Firma ist aber vor allem die Geschäftsidee, die zwei bis heute privat befreundete Männer in den frühen 1970er-Jahren aus einer Laune heraus umsetzten und die bis heute konsequent durchgezogen wird. Kennengelernt haben sich der Deutsche Olaf Müller-Soppart und der Franzose Jacques Héon bereits 1965. Héon arbeitete damals für eine französische Agrar-Außenhandelsgesellschaft, die von einer Frankfurter Werbeagentur mit Konzernmutter in Paris betreut wurde. Müller-Soppart war der zuständige Mann dafür. Héon und Müller-Soppart träumten von einem Weinshop in Deutschland, in dem Weine wie im Urlaub beim Winzer gekauft werden können. Man probiert, gustiert und lädt sich danach den Kofferraum voll. So etwas gab es damals in Deutschland noch nicht. Außerdem sollten es französische Weine sein. Auch das ein Novum. Denn die meisten Deutschen tranken zu dieser Zeit liebliche Süßweine aus dem eigenen Land, von mehrheitlich mediokrer Qualität. Nur eine kleine wohlhabende Klientel delektierte sich an edlen französischen Spitzenweinen aus Bordeaux und Burgund, die im Fachhandel gekauft wurden. Weine, wie sie die Fran­zosen täglich tranken, suchte man jedoch in Deutschland zu dieser Zeit vergeblich.

Im Jahre 1974 war es dann so weit. Die beiden Wein-Enthusiasten eröffneten den ersten Laden in einem ehemaligen Pferdestall außerhalb von Düsseldorf unter dem Namen Jacques’ Wein-Depot. Allein das sorgte bei manchen Lieferanten der ersten Stunde für gehöriges Kopfschütteln. So soll zum Beispiel ein französischer Winzer bei einem Besuch in Düsseldorf gemeint haben: »Was, hier in einem Pferdestall sollen meine edlen Weine aus Bordeaux verkauft werden?« Sie wurden. Und noch dazu mit Erfolg.

Weinschlauch: Drei-, Fünf- und Zehn-Liter-Boxen mit einem kleinen Zapfhahn / Foto: Albrecht FuchsSimpel, aber genial
Denn von der ersten Stunde an lautete das Motto: Die Leute müssen alle Weine vorher probieren können. Geschäftsführerin Kathy Féron: »Diese Idee war simpel, aber genial. Der Kunde verkostet erst und kauft danach, was er für gut befindet. Das ist eigentlich eine Garantie, dass er nicht zurückkommt und reklamiert. Damit würde er ja sein eigenes Urteil infrage stellen.«

Dennoch erkannten die beiden Gründer rasch, dass sie mit nur einem Depot nicht
viel ausrichten werden. Sie mussten expandieren. »Erst dann«, sagt Féron, »kann man auch auf der Einkaufsseite erfolgreich sein.«

Anfänglich waren es nur französische Weine mit einem »guten Preis-Genuss-Verhältnis«, wie Féron und ihr Partner in der Geschäftsführung, Borwitzky, versichern. »Erst 18 Jahre später wurden die ersten italienischen Weine in das Programm aufgenommen«, erklärt Borwitzky, »das war die Öffnung für alle anderen Weinländer der Welt.«

An der Preispolitik wurde hingegen bis heute nichts verändert. Noch immer sind es nur Weine im günstigen Preisbereich, die in das Portfolio aufgenommen werden. »Große Namen von berühmten Weingütern sind für uns kein Kriterium«, sagt Féron, »wichtig ist für uns, dass die Weine in unser Preisschema passen und dass wir mit unseren Partnern langfristig zusammenarbeiten können.«

Manche der Winzer sind tatsächlich schon 30 oder mehr Jahre bei Jacques’ Wein-Depot. So wie etwa die französische Winzerfamilie Ducourt aus dem Anbaugebiet Entre deux mers im Bordelais. Sie engagierten sich 1977 bei der Einführung des sogenannten »Weinschlauchs«, eines Gebindes, das in Kreisen distinguierter Weinexperten oft belächelt wird. Die Drei-, Fünf- oder Zehn-Liter-Boxen mit kleinem Zapfhahn werden allerdings in Jacques’ Wein-Depot noch heute erfolgreich verkauft. Féron: »Eine Königsidee, aus der ein wichtiges Produktsegment wurde.«

Ein Bayer im Ruhrgebiet
Zu den Säulen des Geschäftsmodells zählt auch die Art, wie die Depots geführt werden. Von Anfang an wurden die Filialen von selbstständigen Unternehmern betrieben, die im Namen von Jacques’ Wein-Depot ihre Ware verkaufen. »Sie haben einerseits kein Investitionsrisiko«, erklärt Borwitzky, »müssen sich aber andererseits an unsere Firmen-Philosophie halten. Sie sind Unternehmer innerhalb eines festgelegten Systems.« Konkrete Auswahlkriterien gibt es dafür keine, sieht man davon ab, dass es sich meist um lokale Partner handelt. »Ein Bayer im Ruhrgebiet, das würde nicht gehen«, meint Féron.

Es müssen auch keine ausgebildeten Weinakademiker sein, wer wenig theoretisches Wissen hat, der wird durch Schulungen an das Thema Wein herangeführt. Viel wichtiger ist, dass die betreffende Person das Konzept versteht. Ein Konzept, das sich immerhin schon 40 Jahre lang bewährt.

© Albrecht FuchsJacques' Weindepot auf einen Blick:
Gegründet: 1974
Gründer: Jacques Héon und Dr. Olaf Müller-Soppart
Unternehmenssitz: Düsseldorf
Filialen: mehr als 280
Nettoumsatz 2013: mehr als 130 Mio. Euro
Besonderheit: Weine können vor dem Kauf probiert werden
Sortiment: rund 250 Weine und rund 100 Aktionsweine pro Jahr, internationales Angebot
Infos: www.jacques.de

Text von Herbert Hacker aus Falstaff Deutschland 06/14

Herbert Hacker
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