Nicht immer sind sich die verschiedenen Generationen über die Nachfolge einig.

Nicht immer sind sich die verschiedenen Generationen über die Nachfolge einig.
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Interview: Wolf Wilder über Nachfolgebegleitung bei Weinbaubetrieben

Weinunternehmer und Coach Wolf Wilder hat die Erfahrung gemacht, dass Weinbaubetriebe oft nicht optimal weitergegeben werden. Wie man es besser macht, lesen Sie hier.

Der Berliner Weinunternehmer Wolf Wilder war Mitbegründer des größten deutschen Online-Handels für spanische Weine vinos.de und nutzt seine Expertise heute — kombiniert mit seiner betriebswirtschaftlichen Kompetenz — als Coach für Weinbaubetriebe, die Unterstützung bei der Nachfolgeregelung benötigen. Wir haben ihn zu dieser überaus interessanten und herausfordernden Tätigkeit befragt.

Falstaff: Herr Wilder, gibt es Besonderheiten bei der Nachfolgeregelung auf Weingütern, unterscheidet sich das von einem Generationenübergang, sagen wir, bei einem Dienstleistungsbetrieb?
Wolf Wilder: Das Thema an sich betrifft natürlich alle, egal ob Dienstleistuns-, Handwerksbetrieb oder Weinbau, aber bei Winzern ist der Wunsch, den Betrieb in der Familie zu lassen, noch ausgeprägter.

Und macht es das der abgebenden Generation nun einfacher oder schwerer abzugeben?
Das kann man pauschal nicht mit ja oder nein beantworten. Die Herausforderungen sind jedenfalls andere, und vor allem das klare Kommunizieren ist eine sehr große Herausforderung. Da geht es um so Fragen wie: Ich möchte familienintern übergeben, aber wollen die Kinder das denn auch? Und wenn sie es wollen, haben sie die Fähigkeiten und Qualifikationen? Manchmal kommen auch so Äußerungen wie: Mein Sohn kann Wein machen, aber kann er auch Vertrieb?

Da wird es vermutlich schwer, das Persönliche vom Betrieblichen zu trennen…
Wir haben es mit drei Systemen zu tun: Weingut, Familie, Eigentum. Und die Vermengung ist extrem. Ich wechsel’ ja nicht die Beziehung zu meinem Vater, nur weil ich jetzt auf dem Papier den Betrieb übernommen habe.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich gerade auf die Beratung von Weinbaubetrieben zu spezialisieren? 
Ich mache das seit zwei Jahren mit meiner Frau und einem Partner aus der Schweiz zusammen. Ich selbst stamme ja aus dem Weinhandel und kenne die Branche sehr gut, meine Frau ist Coach und hat sich auf change Prozesse spezialisiert, unser Schweizer Partner ist inzwischen 71 und hat vor ein paar Jahren die eigene Firma, spezialisiert auf Veränderungsprozesse, an einen Mitarbeiter verkauft. Das zeigt: Wir haben alle selbst die Erfahrung als Unternehmer und sind Nachfolge-Begleiter auf Augenhöhe, keine blutleeren und emotionslosen Typen von irgendeiner internationalen Beratungsfirma. Als Berater möchten wir auch gar nicht bezeichnet werden! Leider wird im Weinbereich professionelle Unterstützung meist nur im Keller und beim Vertrieb in Anspruch genommen, aber den eigenen Betrieb optimal weiterzugeben, wird oft vernachlässigt.

Wie muss man sich die Begleitung vorstellen?
Ein großer Teil unserer Arbeit besteht aus Moderation und Mediation. Wir loten in Einzelgesprächen mit allen Beteiligten aus: Was sind die unterschiedlichen Interessen? Darum ist es auch extrem wichtig, dass alle Beteiligten damit einverstanden sind, dass Externe wie wir den Prozess begleiten. Wenn nur einer sagt, ne das finde ich doof, dann ist immer eine Blockade drin.

Es gibt ja viele Fallstricke, sobald zwei Geschwister da sind, die sich beide für Weinbau interessieren, stehen die Probleme ja schon im Raum…
…. oder bleiben vielmehr unter dem Tisch, denn in obgenannter Konstellation ist es vielfach schwierig, Zukunftsthemen ohne Emotionen zu bearbeiten. Darum braucht es externe Moderatoren, die eine offene Kommunikation ermöglichen. Wir bieten dazu auch Unterstützung zur Entwicklung eines Prozessfahrplans für die Nachfolge. Daher muss auch klar sein, dass es mit ein paar Telefongesprächen nicht getan ist. Wenn jemand sich unsere Begleitung so vorstellt, dann lehnen wir die Zusammenarbeit ab. Es geht um ein Projekt, wir brauchen ein Projektteam, in dem jeder seinen Platz hat. Wenn der Übergang gelingen soll, braucht man klare Strukturen. Weil Sie das Thema Geschwister ansprechen, wir haben auch gerade so ein Weingut, da klappt die Zusammenarbeit der Geschwister, weil die Kompetenzen ganz klar getrennt sind, der eine redet dem anderen nicht rein.

Wie früh sollte man als Winzer anfangen, sich mit der Nachfolgeregelung zu beschäftigen?
Man sollte das Thema angehen, solang man noch in einer starken Position ist. Klar, wir beschäftigen uns alle nicht gern mit unserer eigenen Endlichkeit. Aber das Alter schwächt die Position. Mit 70 wird’s schon eng. Dabei muss sich die abgebende Generation ja gar nicht komplett zurückziehen, kann Markenbotschafter werden, oder was ehrenamtlich machen auf einem ganz anderen Gebiet, oder als Mentor tätig werden, da gibt es viele Möglichkeiten. aber das Schlimmste finde ich, wenn jemand sagt – und das kommt leider oft vor: Erst kommt das Unternehmen, und dann die Familie. Und dann regeln sie’s nicht.

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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