Interview mit Valéry Miéral: Der Herr der Hühner

Miéral ist der berühmteste Betrieb unter den »volailliers«, den Geflügelhändlern der Bresse.

Er verkauft pro Jahr allein 150.000 Hühner. Unzählige Sterneköche setzen auf Miéral-Geflügel, unter ihnen Joachim Wissler. Falstaff Deutschland-Herausgeber Christoph Teuner hat den 42-Jährigen Valéry Miéral im Sternerestaurant »Léa« in Montrevel-en-Bresse getroffen, einer Art Tempel des Bresse-Huhns.

Falstaff: Monsieur Miéral, wir sitzen hier und essen Hühnerleber-Gâteau mit Hummersauce und Poularde mit Morcheln. Sie wirken, als gehe Ihnen das Herz über – und das, obwohl Sie schon so lange dabei sind. Wie kommt das?
Miéral: Ich bin seit 25 Jahren im Geschäft. Die ersten zehn Jahre hat mein Vater mir 800 Euro im Monat gezahlt. Und ich hatte 70-Stunden-Wochen. Trotzdem bin ich immer mit Leidenschaft zur Arbeit gegangen. Wir leben für das Bresse-Geflügel. Jetzt leite ich das Unternehmen, in vierter Generation.

Können Sie am Geschmack erkennen, von welchem Züchter ein Huhn stammt?
Ja. Jedes Huhn ist anders, weil jeder Züchter anders arbeitet. Das ist wie bei großen Weinen. Sie haben zwei Parzellen Chambertin direkt nebeneinander. Und trotzdem schmecken die Weine der beiden unterschiedlich.

Woran merkt man, ob Geflügelfleisch gut ist oder nicht?
Am Fett. Wenn ein Tier mit Sojafutter gemästet wurde, schmilzt das Fett nicht beim Braten. Wenn Sie eine Ente von mir nehmen, ist das Fett unter der Haut nach dem Braten weg, das Fleisch ist satt und saftig und die Haut ist knusprig und dünn wie Zigarettenpapier.

Es gibt rund 150 Betriebe, die Bresse-­Hühner oder -Puten züchten. Sie arbeiten mit 40 exklusiv zusammen und sagen, ­diese 40 seien die besten. Was macht Ihre Züchter besser als andere?
Das ist die Summe vieler Details. Ich nenne Ihnen einmal zwei. Es macht einen Unterschied, wenn der Mais für die Hühner nicht maschinell in Silos getrocknet wird, sondern auf traditionelle Weise. Die Kolben kommen in Holzgerüste und trocknen langsam im Wind. Ähnliches gilt für die Mastphase in der épinette. Milchpulver, auch wenn es von hoher Qualität ist, ist nicht so gut wie Frischkäse, den der Bauer aus der Milch seiner ­eigenen Kühe gemacht hat.

Funkt Ihnen die EU manchmal dazwischen?
Ja. Aber ich fange mit dem einzigen Fall an, der positiv ist: Seit 1993 ist es verboten, ­anderen Tieren als Hühnern und Puten das Prädikat Volaille de Bresse zu geben. Vorher brachten industrielle Züchter turbogemästete Enten aus Holland hierher, schlachteten sie und werteten dieses minderwertige Fleisch mit dem Bresse-Siegel auf. Wir haben damals unser eigenes Siegel Excéllence Miéral gegründet, unter dem wir Enten, Tauben oder Perlhühner verkaufen.

Mit welchen unsinnigen Regeln haben Sie zu kämpfen, ob sie nun von der EU kommen oder vom französischen Staat?
Die Sache mit dem Haltbarkeitsdatum. 21 Tage haben wir bei Bresse-Hühnern. Das ist Quatsch. Man kann das Fleisch viel länger reifen lassen, trocken reifen lassen. Dann ­verliert es bis zu 20 Prozent an Gewicht, schmeckt aber unvergleichlich gut. Ich habe einen Kunden, der lässt seine Poularden sechs Wochen lang hängen, bevor er sie isst.

Erlauben Sie, dass ich zweifle…
Verstehe ich. Der springende Punkt ist: Das Tier muss noch ganz und unversehrt sein. Herz, Leber, Magen, Lunge im Körper, Kopf dran, Füße dran, kein Schnitt. Wenn ein Huhn küchenfertig gemacht ­wurde, dann funktioniert das mit der ­Reifung nicht.

Monsieur Miéral, vielen Dank für das Gespräch.

Christoph Teuner
Christoph Teuner
Redakteur
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