25.000 Gläser und viele fleißige Helfer.

25.000 Gläser und viele fleißige Helfer.
© Falstaff/Sautter

International Riesling Symposium im Rheingau – Tag 1

Zwei prall gefüllteTage im Zeichen des Riesling – zum Auftakt mit neuen Erkenntnissen, einer umstrittenen Studie und einer gefeierten Verkostung.

Kloster Eberbach, 1136 von Zisterziensermönchen gegründet und heute im Besitz des Bundeslands Hessen, bot einen würdigen Rahmen für die Zusammenkunft von rund 250 Riesling-Enthusiasten aus aller Welt: Von Winzern, Sommeliers, Forschern und Journalisten. Dabei schaffte es das abwechslungsreiche Programm an zwei Tagen, die verschiedensten Arten von Informationshunger zufrieden zu stellen.

Montagmorgen: Erkenntnisgewinn und Genuss

Der Montagmorgen begann mit dem Eröffnungsvortrag von Professor Andreas Kurth, der an der Hochschule Geisenheim »Business Operations« lehrt und demzufolge auf Produktions- und Absatzstatistiken fokussierte. Auf Kurths Beitrag folgte ein von Stuart Pigott moderiertes Tasting, das beispielhafte Riesling-Typen der alten und – vor allem auch – der neuen Welt in die Gläser brachte. Nicht nur Erkenntnisgewinn, sondern auch Genuss bescherten Weine wie der 2016er »The Merle« Riesling der Erzeuger Pikes Wines aus Australiens Clare Valley: Dieser Wein verpackte seine Substanz in größte Feinheit.

Spektakulär in seiner Würze der 2015er »Scriptorium Jamieson Vineyard« vom Weingut Mari Vineyards aus Michigan in den USA – ein Wein überdies, der nolens volens spontan vergoren wurde, weil der Keller nach der Lese eingeschneit und einige Zeit lang nicht zu betreten war. Der 2015er »Fossil Vineyard« von Galen Glen aus dem Lehigh Valley in Pennsylvania wiederum wäre vermutlich in einer Blindprobe mit Mosel-Rieslingen kaum aufgefallen – seine leichte Süße im Stil einer feinherben Spätlese wurde von mineralischen Noten unter Spannung gehalten. Man darf wirklich gespannt sein, welche weiteren bislang kaum als Weinbauregionen bekannten Orte künftig als Riesling-Herkünfte von sich reden machen.

Nachmittag: Kopfschütteln und standing ovations

Die Nachmittagssitzung begann mit einem Vortrag von Professor Manfred Stoll aus Geisenheim. Der Weinbau-Professor stellte eine Studie vor, die den Ertrag einer 46-jährigen, einer 22-jährigen und einer 5-jährigen Riesling-Anlage untersucht hatte. Für dieses Projekt hatten die Forscher in derselben, in Boden und Exposition homogenen Parzelle, zeitlich gestaffelt jeweils denselben Riesling-Clon auf derselben Unterlage gepflanzt. Im Ergebnis, so Stolls Fazit aufgrund diverser Laboranalysen und einer sensorischen Beurteilung durch ein Geisenheimer Panel, habe sich bei diesem Versuch nicht nachweisen lassen, dass ältere Reben bessere Weine brächten.

Bei den anwesenden Winzern löste der Vortrag überwiegend Kopfschütteln aus. So merkte Ernie Loosen an, dass er jedes Jahr im Herbst in seinen Weinbergen sehe, dass alte Reben Trauben mit kleineren Beeren brächten – wenn die Geisenheimer Studie ein gegenteiliges Ergebnis bringe, dann gebe es wohl ein Problem mit der Studienanordnung. Roman Niewodniczanski vom Weingut van Volxem kommentierte, er verstehe überhaupt nicht, warum man Dinge untersuche, die ohnehin klar und allgemeiner Wissensschatz seien. In dieselbe Kerbe hieb auch Robert Schätzle vom Weingut Schloss Neuweier, der in Bordeaux unter Denis Dubourdieu sein Önologendiplom erworben hat. Schätzle nannte den Forschungszugang Stolls »typisch deutsch«: »In Bordeaux würde niemand auf die Idee kommen, bewährtes Erfahrungswissen widerlegen zu wollen. Dort investiert man lieber in Forschung, die dem Winzer konkret bei der Verbesserung der Weinqualität hilft.«

© Falstaff/Sautter

Die Gemüter beruhigten sich anschließend bei einem der Höhepunkte der beiden Tage: Bei einer Verkostung mit Schatzkammer-Weinen aus dem Bestand von Kloster Eberbach. Hausherr Dieter Greiner hatte dabei den Steinberg ins Zentrum der Probe gestellt: Jenen bereits von den Zisterziensern angelegten (und wie den Clos de Vougeot ummauerten) Weinberg auf Phyllitschiefer, der verläßlich die nobelsten Weine des heutigen Staatsweinguts bringt. Dabei zeigte sich ein knochentrockener 1943er Riesling »Cabinet naturrein« vital und mineralisch, und dessen 1953er Pendant elaboriert und etwas weniger kernig, fein ziseliert und immer noch frisch.

Vom Ausnahmejahr 1959 hatte Greiner schließlich einen Sechser-flight von Prädikaten aufgeboten, mit einer gleichermaßen geschmeidigen und stoffigen Beerenauslese, einer elegant-mineralischen Edelbeerenlese und einer vibrierenden, bei aller Dichte auch feingliedrig-ätherischen Trockenbeerenauslese als krönendem Abschluss. Die Probe endete in standing ovations.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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