© Alberto Zanetti

International Hotspot: Casadonna Reale

Niko Romito holt in seinem Drei-Sterne-Restaurant »Reale« das Allerbeste aus seinen Zutaten heraus – kein bisschen weniger und kein bisschen mehr. Das ist große Kunst und schmeckt grandios.

Sie wollen wissen, wie unglaublich gut eine Artischocke schmecken kann? Was alles an Aromen in diesem Gemüse steckt, von Anchovis über Lakritze bis Heu, ganz ohne jede Würze? Oder wie unfassbar fleischig, komplex, köstlich eine Taubenbrust sein kann? Wie befriedigend und vielschichtig eine unscheinbare frische Pasta, wie aufregend jodig ein Kalmar? Fahren Sie in die Abgeschiedenheit der ­Abruzzen zu Niko Romito in sein »Reale« und finden Sie es heraus. Der Mann bringt dort die Essenz, die platonische Idee seiner Zutaten auf schlichte, weiße Teller.
Romitos Speisen sind prächtig puristisch angerichtet: Die Artischocke liegt nackt und perfekt auf dem Teller, begleitet von nichts außer drei Punkten Rosmarincreme, die Taube von einem Klecks Pistazienmus, die makellose Schönheit der frischen Pasta trübt nicht einmal ein Span Parmesan – das ist ein reduziertes Fest für die zu oft von Schäumchen, Schwämmchen und Bremsspuren gequälten Augen des Sterne-Restaurant-Besuchers.

© Andrea Delbo

Die fehlenden zehn Prozent

Doch man darf sich nicht täuschen lassen: Hinter der simplen Präsentation stecken ex­trem aufwendige Gerichte. Dämpfen und ­braten, marinieren, fermentieren, pochieren: Romito bearbeitet seine Schätze mitunter tagelang, bis er das Allerletzte, die fehlenden zehn Prozent an Köstlichkeit herausgeholt hat. Ähnlich schlicht und doch aufregend schön ist auch das Restaurant: ein altes Kloster, vorsichtig und liebevoll umgebaut und mit Designermöbeln aus dem vergangenen Jahrhundert (vor allem italienischer Provenienz) eingerichtet – kein Stück zu viel, aber auch keines zu wenig. Wer kann, der bleibt daher gleich über Nacht in einem der tollen Zimmer. Ja, das kostet alles Geld – selten aber wird es so gut investiert sein.

Bewertung

Essen 50 von 50
Service 19 von 20
Weinkarte 19 von 20
Ambiente 10 von 10
GESAMT 98 von 100

Fazit: Japanisch anmutende Perfektion und Schlichtheit treffen auf moderne westliche Kochkunst und -techniken. Das Restaurant »Reale« in einem prächtig renovierten alten Kloster ist ein Gesamtkunstwerk, wie es sogar unter Drei-Sterne-Restaurants selten zu finden ist.

Casadonna Reale
Contrada Santa Liberata
67031 Castel di Sangro, Italien
T: +39 0864 69382 
nikoromito.com

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2019

Zum Magazin

Tobias Müller
Autor
Mehr entdecken
Restaurant
Ristorante Reale
Niko Romito ist der derzeit tollste Koch am Stiefel. Ein eremitischer Drei-Sterner in einem...
Contrada Santa Liberata, 67031 Castel Di Sangro
Mehr zum Thema
Restaurant der Woche Deutschland
Restaurant der Woche: »SICILIA«
Ein Stück Italien mitten in Berlin: Seit einigen Wochen entführt das »Sicilia« seine Gäste auf...
Von Maria Wollburg
Restaurant der Woche Deutschland
Restaurant der Woche: »Waldhorn«
Caroline Autenrieth fand als Pfarrerstochter über Umwege ihre Berufung für die Küche. Gemeinsam...
Von Matthias Ring
Restaurant der Woche Deutschland
Restaurant der Woche: »Mas-Tava«
Das neue kulinarische Juwel im Münchner Hackenviertel vereint unter der Leitung von Sebastian Wolf...
Von Annette Sandner
Restaurant der Woche Deutschland
Restaurant der Woche: »Kramer«
Feurige Genüsse: Küchenchef Fabian Kramer und sein internationales Team überzeugen mit ihrer...
Von Tina Hüttl
Restaurant der Woche Deutschland
Restaurant der Woche: »Verōnika«
Im ehemaligen Kunsthaus Tacheles begeistert das neue Restaurant »Verōnika« mit New Yorker Flair...
Von Maria Wollburg
Restaurant der Woche Deutschland
Restaurant der Woche: »Claas«
In Claas-Henrik Anklams Zweitrestaurant überzeugen vor allem der imposante Speisesaal und der...
Von Brigitte Jurczyk
Restaurant der Woche Deutschland
Restaurant der Woche: »Jacobi«
Inspiriert von saisonalen Zutaten, setzt Christoph Kaiser in Freiburg neue Maßstäbe. Mit subtilen...
Von Sophia Schillik