Pilze sind beliebt.

Pilze sind beliebt.
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Hut ab! Zuchtpilze als gute Alternative

Waldpilze haben leider nur eine begrenzte Saison. Peter Marseille und Torsten Jonas versorgen 356 Tage im Jahr.

Der Anbau von Speisepilzen ist keine Erfindung unserer Tage: Schon zu Zeiten Ludwigs XIV. kamen findige Gärtner auf die Idee, Champignons zu züchten. Denn diese heute fast schon zur Massenware gewordene Pilzart galt damals als große Delikatesse und war entsprechend beliebt und gesucht.
Kein Wunder also, dass auch der Sonnenkönig Champignons auf seinem Speisezettel haben wollte. Die Gärtner hatten beobachtet, dass Champignons auf abgeernteten Melonenfeldern und auf dem Dünger von Gemüsebeeten wuchsen, was sie auf die Idee brachte, es einmal mit der Kultivierung dieser Pilze zu versuchen. Schnell kamen sie dann darauf, dass es den Champignons in der Dunkelheit besser gefällt, und von da an wurden diese in Kellern und Gewölben angebaut. Gerade die Pilze vom Hof Ludwigs, die »Champignons de Paris«, galten als besondere Delikatesse.

Per Zufall zum Pilz gekommen

Im großen Stil etablierte sich der Pilzanbau dann aber erst ab den 1950er-Jahren, heute gibt es in Deutschland rund 100 Betriebe, die Champignons produzieren. Einer der Pioniere ist Peter Marseille aus Leichlingen im Bergischen Land, der eher durch einen Zufall zum Pilzanbau kam. Die Familie hatte Obstanbau betrieben, sich dann aber zurückgezogen, sodass die ehemaligen Lagerhallen leer standen. In den 1970er-Jahren begann Marseille dann damit, Champignons in den dunklen, kühlen Hallen anzubauen. Mit den Jahren baute er den Betrieb aus und produziert heute auf knapp 600 Quadratmetern Pilze. »Inzwischen sind es fünfzehn verschiedene Sorten, doch der Champignon in Weiß und Braun ist immer noch meine Hauptsorte«, erzählt er.

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Marseille hat aber auch ein Faible für die Exoten, wobei Kräutersaitlinge, Shiitake und Austernpilze bei ihm die Hauptrolle spielen. Wenn er einmal zu erzählen beginnt, kann er kaum aufhören. »Einer meiner Favoriten ist der Kastaniensaitling, der nach Walnüssen schmeckt, und der Limonensaitling kommt besonders gut zu Geltung, wenn man ihn roh ganz fein über Salat hobelt«, schwärmt er.

Marseilles Betrieb gehört zu den ganz kleinen, gerade einmal gut 25 Tonnen Pilze produziert er im Jahr, die meisten davon Champignons. Die verkauft er dann auf den Wochenmärkten in der Umgebung und be­­liefert die örtliche Gastronomie. Darüber hinaus macht er Führungen durch seinen Betrieb oder hält Vorträge – alles für die Pilze.

Die exotischen, häufig aus Asien stammenden Pilze wie Shiitake oder Enoki, die dort schon sehr lange in großem Stil kultiviert werden, stellen unterschiedliche Ansprüche an die Aufzucht. Meist wollen sie etwas mehr Licht, im Gegensatz zu den Champignons, die es eher dunkel mögen. Wichtig ist auch das sogenannte Substrat, auf dem die Pilze wachsen sollen und das ihnen als Nahrungsquelle dient. Zum Einsatz kommen hier Stroh, Sägespäne oder Holzschnitzel und anderes organisches Material, beispielsweise Getreide, das zunächst gewässert und dann sterilisiert wird, um eventuell vorhandene unerwünschte Fremdorganismen zu beseitigen.

Unsichtbares Myzel

Anschließend wird unter sterilen Bedingungen das sogenannte Pilzmyzel aufgebracht, der eigentliche Pilzkörper. Pilze haben die Eigenschaft, dass sie sich mit einem meist unsichtbaren, fadenförmigen Geflecht, eben dem Myzel, im Boden ausbreiten. Der sichtbare Fruchtkörper, den wir als Pilz bezeichnen, ist dabei nur ein kleiner Teil des eigentlichen Pilzes. Solch ein Myzel kann riesig werden und eine Fläche von mehreren hundert Quadratmetern einnehmen. In der Pilzzucht müssen bestimmte Bedingungen eingehalten werden, damit der ganze Aufwand schließlich zum Erfolg führt. Zu beachten sind unter anderem Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Gehalt an Kohlendioxid und die Lichtmenge, denen die späteren Pilze aus­gesetzt sind.

Pilze aus derartigen Kulturen haben mittlerweile auch in der gehobenen Gastronomie einen festen Platz gefunden, vor allem Kräutersaitlinge, Shiitake oder die winzigen Enoki finden sich dort immer häufiger. Und immer mehr Betriebe produzieren mittlerweile in Bioqualität.

Einer dieser Biopilzerzeuger, und dazu noch einer der größten, ist der »Pilzgarten« im niedersächsischen Helvesiek, der auch zu denjenigen gehört, die den Kräutersaitling salonfähig gemacht haben. Auch Pilzgarten-Geschäftsführer Torsten Jonas kam durch einen Zufall zum Pilzanbau. Als studierter Biologe und Gartenbauwissenschaftler hatte Jonas mit Zellkulturen experimentiert und hier eine gewisse Expertise gesammelt. Das sprach sich wohl herum, denn er wurde schließlich nach dem Studium in Guatemala angeheuert, um dort sein Wissen einzusetzen. »Und so bin ich dort hingegangen und habe eine Pilzfarm aufgebaut, ganz von Anfang an«, erzählt er. Von 1996 bis 2003 lebte er dort und hat sich in der Branche einen Namen gemacht. Dann wollte jemand ihn und seine Kenntnisse in Deutschland haben – eben im Pilzgarten. 1996 hatte der Betrieb als One-Man-Show angefangen, mit einer Produktion von gerade einmal 150 kg Shiitake-Pilzen pro Woche.

Schwamm drüber: Zuchtpilze werden in der Top-Gastronomie immer beliebter.
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Schwamm drüber: Zuchtpilze werden in der Top-Gastronomie immer beliebter.

Pilze das ganze Jahr über

Mittlerweile ist der Betrieb auf eine Anbau­fläche von über 4000 Quadratmetern gewachsen und produziert im Jahr rund 500 Tonnen Speisepilze, vorwiegend Kräutersaitlinge und Shiitake. Und das alles in Bioqualität, denn Jonas hat sich dem Demeterverband angeschlossen. »Das soll nicht heißen, dass nur Biopilze gut sind, aber für mich ist die Philosophie eines ganzheitlichen Ansatzes im Einklang von Mensch und Natur wichtig«, erklärt er.

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Jonas hat rund zehn Sorten Edelpilze im Angebot, neben Kräutersaitling und Shiitake sind das beispielsweise Rosensaitlinge, weiße Buchenpilze oder der Pom-Pom Blanc, der wie ein kleiner Blumenkohl aussieht. Natürlich weiß Jonas, dass Zuchtpilze geschmackliche Grenzen haben und nicht an die Aromen­komplexität von Waldpilzen herankommen. »Dafür sind sie aber das ganze Jahr über verfügbar und gerade im Bioanbau nicht mit Schadstoffen belastet, wie es die Waldpilze sind«, erklärt er. Und warum züchtet er dann nicht einfach Steinpilze & Co.? »Das ist extrem schwierig bis unmöglich«, sagt Jonas. Grund dafür ist, dass das Pilzmyzel in einer Symbiose mit den Wurzeln bestimmter Bäume leben, und das lässt sich unter Zuchtbedingungen so gut wie kaum realisieren. Das ist extrem schwierig und zeitaufwendig. Jonas: »Wenn ich heute mit Steinpilzen beginnen würde, könnte ich vielleicht in zehn oder mehr Jahren damit anfangen, die Pilze zu ernten. Das wäre dann schon eher etwas für meine Enkel.«

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