Horst Sauer - Der Wein-Denker im Portrait

In England gilt er als Inbegriff deutschen Winzertums und wurde vielfach ausgezeichnet. In Deutschland hingegen wurde er noch nie als Winzer des Jahres ausgezeichnet. Dieser Zustand hat nun dank des Votums der Falstaff-Jury ein Ende.

Der 56-jährige Winzer Horst Sauer aus dem fränkischen Escherndorf ist alles andere als ein Weinmacher. Weindenker trifft es besser. Sowohl im Weinberg als auch im Keller ist er ein Zauderer. Er arbeitet zögerlich, nachdenklich, unaufgeregt – es sei denn, seine Tochter Sandra, 33 Jahre alt und seit 2004 im Betrieb mitverantwortlich, verlangt von ihm eine Entscheidung. Die beiden ergänzen sich in idealer Weise. Er bringt die jahrzehntelange Erfahrung ein, sie als Geisenheimerin die Wissenschaft. Gemeinsam gehen sie ihren Weg nach der Losung »­Bewahren und verändern«.

Manchmal, wie im Falle des Jahrgangs 2010, helfen weder die Wissenschaft noch die Erfahrung. Für diesen Jahrgang mit seinem hohen Alkohol- bei gleichzeitig hohem Säuregehalt gäbe es keinen Vergleich in der Vergangenheit, so Sauer. Seine Vinifizierung sei ein echtes Abenteuer, eine Herausforderung gewesen.

Rigide hand­verlesen sind die Trauben für den ­trockenen ­Sylvaner »Sehnsucht« / Foto: © Thomas SchweigertSo sieht Horst Sauer auch den sich abzeichnenden Klimawandel mit Sorge, aber er lässt sich nicht dazu nötigen, sein Glück mit neuen französischen oder gar mediterranen Sorten zu versuchen, was aber nicht bedeutet, dass er nicht darüber nachdenkt. Derzeit hofft er aber noch, dass er durch frühere Lese, präzisere Bewirtschaftung der Weinberge, durch sorgfältigere Auswahl der Klone noch länger mit den traditionellen Rebsorten klarkommen kann. Und diese sind für ihn Riesling, weißer und roter Burgunder, aber auch der Müller-Thurgau als Brot-und-Butter-Wein und vor allem der Sylvaner. Was diesen betrifft, pflegt Sauer den regulären grünen und als Besonderheit den seltenen Blauen Sylvaner. Aus ihm keltert er einen ­seiner besten Weine, den es aber nur in kleinen Mengen gibt. Genau wie die Ersten Gewächse aus der Parade-Lage Lump wird dieser Wein aus dem Fürstenberg spontan vergoren und bleibt so lange wie möglich auf der Hefe. Das führt dazu, dass diesen Weinen vordergründige Primärfruchtaromen fast völlig fehlen – und das ist gut so. Denn diese ­haben im Sylvaner nichts verloren, wenn er denn fränkisch erdig und trocken schmecken soll. Leider werden sie jedoch oft von ihren Machern mithilfe von speziellen Hefen und Enzymen hineingezaubert. Horst Sauer ist eine viel zu ehrliche Haut, um sich auf solche Spielchen einzulassen. Er kleidet seinen Sylvaner in bäuerliches Leinen, und das steht ihm allemal besser als prunkender Samt.

Für Sauer ist der Weg in die Zukunft gelegentlich auch ein Weg zurück in die Vergangenheit. So plant er, nach und nach die Ersten Gewächse nicht mehr nur ohne Reinzuchthefen zu vergären, sondern auch den Prozess vom Edelstahltank wieder ins große Holzfass zurückzuverlagern. Und als ganz besonders cool empfände er es, einen wirklichen gemischten alten fränkischen Satz zu haben, aber seine dahin gehenden Bemühungen waren bisher vergeblich.

Horst Sauer hat dem ­Frankenwein ein ­modernes Gesicht gegeben / Foto: © Thomas Schweigert

So sehr Sauer sich auch als Traditionalist fühlt, in anderen Belangen ist er modern, weltgewandt und marketingorientiert. Sein Weinprogramm macht auf der Preisliste ei-nen aufgeräumten Eindruck, ist straff nach Sorten und Typen geordnet. Dies sei notwendig, um zu höheren Flaschenzahlen bei den wichtigen Weinen zu kommen, sagt er. Nur dann könne man die Gastronomie, den Handel und auch den Export vernünftig bedienen. Sauer: »Richtig großes Kino ist beim Wein immer nur dann, wenn man vom besten Wein auch die größte Flaschenzahl hat.« Bordeaux und seine Grands Vins lassen grüßen. So weit ist er noch nicht, aber für deutsche und fränkische Verhältnisse ist das schon recht ordentlich. Vom trockenen Müller-Thurgau-Literwein gibt es etwa um die 8000 Flaschen und von Sylvaner Kabinett und Spätlese jeweils so um die 15.000 bis 18.000 Flaschen. Selbst die Ersten Gewächse stehen mit jeweils um die 5000 Flaschen gut da. Es gebe nichts Schlimmeres, so Sauer,  als einen Wein etabliert zu haben und ständig sagen zu müssen, wir sind ausverkauft, und die Kunden aufs nächste Jahr oder einen anderen Wein vertrösten zu müssen.

Auch was den Export betrifft, ist Sauer ganz schön weit vorn und gut aufgestellt. Seine Weine gehen nicht nur in die USA und nach Großbritannien, sondern auch nach Österreich, Skandinavien, in einer hohen Stückzahl nach Italien, seit Kurzem auch nach Brasilien und vor allem nach Asien. In Japan und auch China hat er interessante Märkte aufgetan, unter anderem mithilfe eines in Shanghai ansässigen, aus Franken stammenden und mit einer Chinesin verheirateten Importeurs. Überrascht war er davon, dass man dort keineswegs nur seine edelsüßen Auslesen, Eisweine und Trockenbeerenauslesen schätzt. »Das ist ein Trugschluss. Unsere chinesischen Kunden trinken auch sehr gerne trockene Sylvaner. Das empfinden sie als authentisch fränkisch«, erklärt Sauer. Im nächsten Monat fliegt seine Tochter in den Fernen Osten, um dort erstmals die Weine ihres Familienweinguts persönlich zu präsentieren und den Chinesen die Trinkphilosophie ihres Vater zu vermitteln – und die lautet ganz einfach so: »Der Wein muss einen Trinkfluss haben.«

INFO
Weingut Horst Sauer
Bocksbeutelstraße 14
97332 Escherndorf

T: +49/(0)9381/43 64
F: +49/(0)9381/68 43

mail@weingut-horst-sauer.de
www.weingut-horst-sauer.de

Text von Mario Scheuermann
Aus Falstaff Deutschland Nr. 2/2011

Mario Scheuermann
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