Foto beigestellt

»Hommage Camille«: Premiere für Stillweine von Roederer

»Climate change« macht’s möglich – Falstaff hat die zwei Champagne-Stillweine in Weiß und Rot verkostet, die ihren Namen zu Ehren der Urgroßmutter von CEO Frédéric Rouzaud tragen.

Trial and error

Auf dem Weg zum ersten nun öffentlich präsentierten Rotwein musste das Roederer-Team immer wieder nachsteuern: Schon bald erkannte Lécaillon zum Beispiel, dass die anfangs verwendeten Burgunder-Piècen (also das Burgunder-Gegenstück zum bordelaiser Barriquefass) den subtilen Pinot aus der Champagne mit zu viel Röstaromatik überfrachten. Also läßt Roederer nun Fässer herstellen, die nicht über Feuer, sondern über Dampf gebunden werden. 

Auch an anderen Stellschrauben wurde im Lauf der Jahre gedreht, so am Prozentsatz der unabgebeerten Ganztrauben, die eingemaischt werden. »Wir mussten lernen, wie die Stämme aussehen müssen, damit sie gute Gerbstoffe abgeben. Wenn eine Traube kein perfekt verholztes Stielgerüst hat, wird sie abgebeert und wir verwenden die Rappen nicht«, so Lécayon. 

Perfektionismus ist Trumpf: Gelesen werden die Trauben aus der nur einen halben Hektar großen Parzelle Charmont im Grand Cru-Ort Mareuil-sur-Aÿ in zehn-Kilo-Kistchen. Das Ergebnis aus dem warmen und trockenen Jahrgang 2018 ist ein Pinot von unglaublicher Feinheit, dessen seidiger Gerbstoff nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass eine große innere Festigkeit und ein kräftiger Schuss kreidiger Mineralik diesem Pinot ein langes Leben garantieren. 

Kurz entschlossener Schwenk beim Weißwein

Für den stillen Weißwein, dessen Weinbereitungstechnik sich deutlich weniger von einer normalen Champagnervinifikation unterscheidet, als es beim Roten der Fall ist, nahm die Phase Experimente eine andere Wendung: »2002 hatte ich für den stillen Weißwein eine Parzelle ausgesucht, die auf halbem Weg zwischen Avize und Cramant liegt«, erzählt Jean-Baptiste Lécaillon. Und setzt amüsiert fort: »Aber was auch immer ich ausprobiert habe, der Wein schmeckte immer nach Cristal«. Also nach Roederers Prestige-Champagner. »So gut das eigentlich auch ist, aber das war nicht, wonach ich gesucht habe. Dann habe ich 2017 im Keller einen 1961er Stillwein aus Le Mesnil-sur-Oger gefunden und aufgemacht. Der Wein stammte noch aus der Zeit von Camille Olry-Roederer, die eine große Freundin der Côteaux Champenois-Stillweine war.«  

Der Wein schmeckte so gut, dass Lécaillon beschloss, im Jahrgang 2018 einen Stillwein aus Mesnil-sur-Oger zu erzeugen. Und gleich gelang ein Volltreffer, ein Wein von beträchtlichem mineralischem Biss, der Säure und Mineralität zugleich mit entwaffnender Anmut einbettet. 

Zu Ehren der Urgroßmutter des jetztigen Roederer-CEOs Frédéric Rouzaud, von Camille Olry-Roederer, tragen beide Stillweine neben ihrer Herkunft den Namen »Hommage Camille« auf dem Etikett. Nach dem gloriosen 1961er hatte das Haus Roederer die Produktion von Stillweinen bald eingestellt. »Seien wir ehrlich«, so Jean-Baptiste Lécaillon, »erst der Klimawandel macht Stillweine wieder möglich, in den siebziger Jahren wurden die Trauben einfach nicht reif genug.« 

Eine Rarität bleiben diese Weine aber auch unter den Bedingungen der Erderwärmung: Vom Chardonnay Volibarts aus Le Mesnil wurden 2880 Flaschen abgefüllt, vom Pinot aus der Lage Charmont in Mareuil ganze 1631 Flaschen. 

«Hommage Camille»
Foto beigestellt
«Hommage Camille»

96+ PUNKTE
2018 Hommage Camille Le Mesnil-sur-Oger Côteaux Champenois

Zur Verkostungsnotiz

96 PUNKTE
2018 Hommage Camille Mareuil-sur-Aÿ Côteaux Champenois
Zur Verkostungsnotiz

Nach einer Vorbereitungszeit von 19 Jahren erblickten sie nun zum ersten Mal das Licht der Wein-Öffentlichkeit: zwei stille Weiß- und Rotweine aus dem Champagnerhaus Roederer. Im Jahr 2002 pflanzte Roederer erstmals eine Pinot noir-Selektion aus Burgund in seine Weinberge. Bei den Vorarbeiten der Umstellung auf Bio-Anbau und Biodynamik hatte das Unternehmen in großer Zahl Bodenproben analysieren lassen. In sechs Parzellen, so berichtet Roederer-Chef de Cave Jean-Baptiste Lécaillon, hätten sie dabei über der typischen Champagner-Kreide vergleichsweise hohe Lehmanteile in der Feinerde gefunden. Ideal für die Produktion stiller Rotweine. Auf diese Böden setzten sie nun nicht wie sonst üblich Pinot-Klone aus der Champagne. Sondern sie pflanzten solche aus Burgund, die nach ganz anderen Kriterien, eben zur Produktion von stillem Rotwein, selektiert sind. 

Für Lécaillon und sein Team begann nun eine Zeit des Experiments, denn bei der Kelterung eines Rotweins muss man so ziemlich alles anders machen, als um aus einem Pinot noir einen weißen Champagner-Grundwein zu keltern: »Bei der Vinifikation der Grundweine für Champagner tun wir alles, um bloß kein Tannin aus den Beeren zu extrahieren. Beim stillen Rotwein geht es genau ums Gegenteil: Man möchte die Phenole rausbekommen aus Beeren, Kernen und Stielen.«

Jean-Baptiste Lécaillon im Zoom-Gespräch.
Foto beigestellt
Jean-Baptiste Lécaillon im Zoom-Gespräch.
Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Mehr entdecken
Mehr zum Thema