Hansjörg Rebholz im Porträt: Der Meister der feinen Töne

Jahr für Jahr gelingt es dem Pfälzer, die speziellen Nuancen seiner Lagen herauszuarbeiten. Falstaff würdigt den »Winzer des Jahres 2013«.

Das Traditionshaus Rebholz ist seit dem 16. Jahrhundert in der Südpfalz verwurzelt und wurde von den letzten drei Generationen mit viel Weitblick geführt. So hat das Gut den Zusatz »Ökonomierat« dem Forstwirt Eduard Rebholz zu verdanken. Der hatte nicht nur in den 1950er-Jahren mit Blick auf Biodiversität seine Weinberge begrünt (man nannte das damals Faulheit), sondern auch auf ungeschönten »Naturwein« gesetzt – in einer Zeit, als die Südpfalz noch vom Verkauf lieblicher Massenware lebte. Hans Rebholz führte diese Geschichte weiter und war in den 1970er-Jahren – neben Franz Keller in Baden – der Pionier für trockene Weine in einer Zeit, als der deutsche Markt noch nach ­süßen Weinen verlangte.

Oben angekommen
Nach dem plötzlichen Tod von Hans Rebholz übernahm 1978 sein Sohn Hansjörg das Weingut – kurz nach dem Abitur, im Alter von 19 Jahren, erst ein halbes Jahr Ausbildung hinter sich. Heute ist der selbstbewusst auftretende ­Winzer ganz oben angekommen. Doch wenn dieser feinsinnige Mensch über seine ersten Arbeitsjahre erzählt, die geprägt waren vom menschlichen Verlust, aber auch von ­finanziellen Sorgen, dann ist diese Narbe noch immer deutlich zu spüren.

Ein Bild wie aus Südtirol: Pergola Reberziehung mitten in der Pfalz / Foto: Falstaff (Pick)

Zu jener Zeit war trockener Wein aus Deutschland nicht gefragt, schon gar nicht aus dem »falschen« Teil der Pfalz, der Südpfalz, von den Weingenießern gern als »Vorhof der Mittelhaardt« belächelt.

Hilfe vom Mentor
Dass er die harten Anfangsjahre durchstand, hat er auch seinem väterlichen Freund Hans-Günther Schwarz zu verdanken. Der legendäre Kellermeister des Weinguts Müller-Catoir zählt zu jenen inzwischen selten gewordenen Mentoren mit menschlicher Größe, die ihre Schüler mit Wissen, aber auch mit Selbstbewusstsein ausstatten und sie damit in die Lage versetzen, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen.

Dass die Südpfalz heute nicht mehr hinter der Mittelhaardt zurücksteht und die Weine der Lage Birkweiler Kastanienbusch weltweit auf den Weinkarten zu finden sind, ist zweifellos auch Rebholz zu verdanken. Zusammen mit Winzern wie Karl-Heinz Wehrheim hat er kompromisslos den unverkennbaren Charakter dieser Weine definiert, die als echte Grosse Gewächse zur deutschen Riesling- und Spätburgunderspitze gehören.

Vinifiziert mit Weitblick und Bodenhaftung: Kultwinzer Hansjörg Rebholz / Foto: Falstaff (Pick)

Wer Hansjörg Rebholz gegenübersitzt, spürt eine Nachdenklichkeit, die auch auf seine persönliche Geschichte zurückzuführen ist – und die immer wieder in die selbstkritische Frage mündet: »Wie hätten das mein Vater und mein Großvater ­gemacht?« Dass er seit 2005 ökologisch und seit 2010 konsequent biologisch-dynamisch arbeitet, war für ihn die logische Weiterentwicklung der Weingutshistorie.

Die Erfolge biologisch-dynamischer Betriebe aus der Region taten ein Übriges. Schließlich gilt die Pfälzer Mittelhaardt mit Namen wie Dr. Bürklin-Wolf oder Odinstal als deutsche Hochburg dieser Weinbauform. Und die Pfälzer Winzer pflegen eine gute Zusammenarbeit sowie einen regen Austausch.

Gewissensfrage
Hansjörg Rebholz sieht in der Bio­dynamik die Methode, um seinen Weinen noch mehr jene markante Stringenz zu verleihen, für die sie berühmt sind – und um dem Klimawandel zu begegnen. So ist es allein der Umstellung auf ökologischen Pflanzenschutz zu verdanken, dass er wieder physiologisch reife Rieslingtrauben bei 12,5 Prozent potenziellem Alkoholgehalt erntet. Damit behalten seine Weine den Trinkfluss, der ihm trotz allem originären Geschmacksausdruck wichtig ist. Konventionelle Mittel wirken systemisch, dringen also in die Pflanze ein und sorgen für eine Art Schock, der die physiologische Reife verzögert, jedoch nicht die Zuckereinlagerung. »Zudem habe ich ein besseres Gewissen, weil nicht doch irgendwo noch Pestizidrückstände drin sein können«, sagt Rebholz mit seinem sympathischen Pfälzer Dialekt.

Wer sich mit biodynamischen Prinzipien auseinandersetzt, landet unweigerlich bei dem Anthroposophen Rudolf Steiner. Der hatte mit seinem »Landwirtschaftlichen Kurs«, einer Sammlung mehrerer Vorträge, Mitte der 1920er-Jahre die Grundlagen für diese Methode gelegt. Hansjörg Rebholz ist davon überzeugt, dass Steiner altes Wissen gesammelt hat. Denn die älteste Ökobewegung sei als Antwort auf die Industrialisierung der Landwirtschaft entstanden, die alle Naturerscheinungen auf chemische und physikalische Prozesse reduziert und die über Jahrtausende hinweg gesammelten Erfahrungen der Landwirte im Sinne der Optimierung weggewischt habe. Steiners Vorträge gaben Rebholz Stoff zum Nachdenken. Obwohl er eingesteht, dass er über manche Ansätze des österreichischen Esoterikers und Philosophen stolpert. Doch am Ende blieb das Gefühl, dass es doch größere Zusammenhänge gibt, als es die reine Naturwissenschaft zu erklären vermag – was ihn schließlich dazu gebracht hat, den praktischen Empfehlungen Rudolf Steiners zu folgen, auch wenn er sich nicht alles erklären kann.

Winzer mit Riesenspaß
Seine Motivation bezieht er auch von einer Mischung aus Pragmatismus und Hedonismus. Einerseits zeigen die Präparate, die er einsetzt, rasch ihre Wirkung, andererseits macht es Freude, mit ihnen zu arbeiten. »Das ist etwas, woran man einen Riesenspaß hat, wenn man sieht, wie aus Zutaten auf einmal ein Kompost wird, der riecht wie ein toller Boden, so richtig, wie man sich Erde vorstellt«, sagt der Winzer. »Du siehst, wie viel Leben da drin ist, und weißt einfach, dass das gut für den Boden sein muss.«

Längst zeigen Versuche in der Forschungs- und Lehranstalt Geisenheim, dass biodynamisch bearbeitete Flächen über mehr »Bodenleben« verfügen. Aber das interessiert Rebholz nicht primär. Er vertraut auf seine eigenen Sinneseindrücke und den Schwung, den er und seine Mitarbeiter mit dieser Art des Weinbaus bekommen. Denn die Arbeit hat Auswirkungen auf das Team, besonders auf die Auszubildenden wie seine 18-jährigen Zwillinge Hans und Valentin, die das sehr emotional erleben.

»Es ist eben ein großer Unterschied, ob man nur auf einem Traktor sitzt und Flächen bearbeitet oder ob man sich mit der Erde auseinandersetzt, die man bearbeitet, und mit ihr in Berührung kommt«, sagt Rebholz. »Wir haben einen viel engeren Bezug zu unseren Weinbergen bekommen, das ist eine extrem positive Erfahrung für uns. Man geht viel ­individueller mit allem um. Jeder Weinberg kommt einem näher.«

Nicht auf Biodynamik reduzieren
Es passt zu Hansjörg Rebholz’ zurückhaltender und überlegter Art, dass er die Biodynamik nicht als gezieltes Marketingin­strument einsetzt. Seine Weine will er nicht darauf reduzieren. Perfekte fachliche Praxis sowie die Lage Kastanienbusch bilden für ihn den Kern seiner Weine. Die Biodynamik kommt als letzte Konsequenz hinzu. »Ich habe Bedenken, dass es am Ende wie mit Barrique, Terroir und Mineralik sein könnte – auf einmal hat es jeder.« Rebholz freut sich lieber im Stillen über seine Weinberge, den ausgeglicheneren Wuchs der Pflanzen und die daraus resultierende bessere Belüftung, die kleineren und aromatischeren Beeren, die vitaleren Böden, die den Weinberg für Wetterextreme rüsten, die delikate Kräuteraromatik, die seine Weine entwickeln. Aber vor allem sind es die Sinneseindrücke, die ihn und sein Team ­bereichern. Das ist für Rebholz ohnehin das Wichtigste: der Mensch, der im Mittelpunkt steht und der mit seiner Geschichte, seinem Wissen und seiner Erfahrung die Richtung vorgibt.

Info:
Weingut Ökonomierat Rebholz
Weinstraße 54
76833 Siebeldingen
T: +49/(0)6345/34 39
F: +49/(0)6345/79 54
www.oekonomierat-rebholz.com

Text von Romana Echensperger