Die Lieblingsartischocke vieler Spitzenköche kommt aus Johannes Schwarz’ Garten.

Die Lieblingsartischocke vieler Spitzenköche kommt aus Johannes Schwarz’ Garten.
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Große Liebe Artischocke

Der bayerische Biogärtner Johannes Schwarz ist ein Star in der Gourmetszene. Er beliefert Spitzenrestaurants mit alten Tomaten- oder Artischockensorten, die anderswo nur schwer zu finden sind. Mit Falstaff spricht er über verrückte Samensammler, falsche Biogärtner-Klischees und den perfekten Tomatensugo.

Das muss man erst einmal schaffen! Vom Jungunternehmer und Biobauern zum Lieferanten des FC Bayern München – und das in wenigen Monaten. Johannes Schwarz hat es hingekriegt. Er bringt regelmäßig Tomaten und Gurken in die Säbener Straße. Die Köche dort machen daraus Salate und Pastasaucen für Thomas Müller oder David Alaba. Was die Frage aufwirft: Warum Schwarz? Was macht er besser? Warum sind seine Tomaten, Artischocken, Bohnen so begehrt, dass sich Sterneköche wie Hans Haas um jede Kiste fast streiten?
Schwarz’ Antwort: »Weil ich es mit Leidenschaft mache. Und weil ich herumspinne.« Schwarz ist »studierter Gärtner«, also Diplom-Ingenieur im Gartenbau, ausgebildet am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU München. Er ist ein schlanker Mittdreißiger mit Dreitagebart, Intellektuellen-Hornbrille und Händen, die nicht nach Gärtner aussehen. Er spricht mit kräftigem Oberpfälzer Dialekt.
Vor sechs Jahren brachte eine Kommilitonin Schwarz auf die Idee, es mit dem Artischockenanbau zu versuchen. Und so pflanzte er welche, gleich neben dem Hopfenfeld, das der eigentliche Gegenstand seiner Forschung war.
Er war angefixt. Vier Jahre später wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit. Er pachtete 8000 Quadratmeter Land nördlich von München. Mit den ersten Artischocken ging er Klinken putzen. »Ich habe eine Kiste im ›Tantris‹ vorbeigebracht. Haas hat sie sich angeschaut, und ein paar Tage später kam die Bestellung.« Haas nimmt seither Artischocken und Roscoff-Zwiebeln ab, von denen er alle für sich haben will. Dann ein Dominoeffekt: Drei-Sterne-Mann Christian Jürgens vom Restaurant »Überfahrt« bestellte Kressen und essbare Blüten. Martin Fauster vom »Königshof« kaufte Wurzelgemüse. Tohru Nakamura von »Geisels Werneckhof« oder Bobby Bräuer vom »EssZimmer« wollen von allem etwas. »Ich habe kaum anrufen müssen, die kamen von allein.«

Gemüsestar: Johannes Schwarz beliefert die Spitzengastronomie.
Foto beigestellt
Gemüsestar: Johannes Schwarz beliefert die Spitzengastronomie.

Johannes Schwarz ist kein typischer Gärtner. Er ist ein ­Perfektionist mit Tunnelblick, der alte Gemüsesorten in ­die Töpfe der Spitzenköche zurückbringt. Tomaten verkauft er für neun Euro das Kilo. Seine Kunden zahlen das gerne.

Insgesamt baut Schwarz dreißig Arten an, und von fast jeder Art mehrere Sorten: fünfmal Chili, viermal Bete, fünfzigmal Tomaten und einmal Artischocke. Richtig, nur eine Sorte bei seiner Lieblingspflanze. »Ich habe alle ausprobiert, von der Imperial Star über die Violet di Chioggia bis hin zur Camus.« Am Ende blieb die eine übrig, deren Namen er uns nur sagt, weil wir versprechen, ihn nicht abzudrucken. Es ist eine alte Sorte. »Sie ist superfleischig und buttrig.« Das Saatgut ist extrem teuer; 1000 Korn kosten 600 Euro. Inzwischen hat Schwarz, der zertifizierter Naturland-Bauer ist, 1500 Pflanzen. Wir sind auf dem Feld. Schwarz schnippt eine Wanze weg. Jede Pflanze braucht einen Quadratmeter Platz und produziert bis zu zehn verschieden große Artischocken. »Die meisten meiner Pflanzen sind nur ein Jahr alt. Das heißt: wenig Heu, das Fleisch ist nicht fasrig.«
Dass Artischocken Hitze brauchen, sei falsch. »Zwanzig Grad und ein Schauer pro Tag sind perfekt.« Schwarz ist kein Idealist: »Ich stehe hier nicht mit Strohhut und schreite glücklich durch meine Bestände. Ich hasse ­dieses Bild vom Gärtner. Deswegen ziehe ich ex­tra weiße Turnschuhe an.« Er sei arbeitender Perfektionist mit Tunnelblick.
Schwarz testet wie ein Verrückter. Vieles ging daneben. Er lehnt sich an seinen grünen Deutz-Trecker Baujahr 1974 und erzählt: »Hörnchenkürbis hat alles zugewuchert und grausam geschmeckt. Bei der Weißen Gurke war das Fruchtfleisch schrecklich bitter. Und bei Costata Romanesco Zucchini habe ich mir bei der Ernterei alles aufgekratzt.«
Schwarz verlangt hohe Preise: 7,50 Euro ­für das Kilo Gurken, 9 Euro für Tomaten, ­15 Euro für eine Kiste Kräuter. Seine Kunden, nur Köche, zahlen das gerne. Apropos Kräuterernten: »52-mal roter Blattsenf, Blutsauerampfer, Schafgarbe oder japanische Steinpetersilie: Das hat mich über den Winter gerettet. Von einer Tomaten- und Artischockenernte kann man nicht leben. Ein Porsche geht sich da nicht aus«, lacht er. »Und das ist mir wurscht.«

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So kam das Projekt »Garden Table« gerade recht: Ein-Sterne-Koch Nakamura ließ im Gewächshaus auftragen, eine Woche lang, jeden Abend. »Da hatte ich hingeträumt«, sagt Schwarz. »Es ist ja auch die logische Konsequenz, Produkte dort zu essen, wo sie gewachsen sind.« Es gab sonnenwarme Gurken und Kräuter, die nur Minuten vorher gepflückt worden waren. Der »Garden Table« war die erste derartige Veranstaltung in Deutschland überhaupt. Eigentlich muss Schwarz jetzt expandieren. Damit tut er sich, ganz bayerischer Querkopf, aber schwer. »Ich will hier meine Ruhe haben.« Mit dieser urbayerischen Gemütsruhe widmet er sich ­seinen Tomaten. Fünfzig von den weltweit bekannten 8000 Sorten baut er an. »Gerade bei Tomaten gibt es auf der ganzen Welt Verrückte.« Er erzählt von einem Züchter in Kalifornien, der 600 Sorten habe, auch und gerade alte Sorten von den Amish oder den Indianern. Bei ihm bestellt Schwarz immer wieder Samen, so wie bei einer russischen Züchterin mit tausend Sorten in der Oberpfalz und dem Biobauernverbund Dreschflegel.
Der Ertrag sei ihm egal. Statt acht Kilo, die nicht schmecken, habe er lieber zwei Kilo, die gut sind. »Ich bearbeite Tomaten grundsätzlich ohne Handschuhe. Da kriegt man herrlich harzige Pratzen.« Seine Favoriten? Grüne Helarios aus Griechenland. »Eine kräftige Pflanze mit riesigen Fleischtomaten. Ich mag grünen Salat mit grünen Tomaten.« Oder Amana Orange, eine fruchtige Sorte. Sie wurde wohl von deutschen Einwanderern in die USA gebracht. »Außen ist sie keine Schönheit. Innen leuchtet sie orange. Sie eignet sich toll für Suppe.« Und schließlich Chocolate Stripes. »Wunderbar süß und fruchtig. So etwas habe ich lange gesucht.« All diese Sorten haben eines gemeinsam: Man kann sie nirgendwo kaufen. Sie haben keine europäische Sorten­zulassung.
Und dann ist da noch RAF aus Frankreich. RAF steht für »Resistent gegen Fusarium«, eine Pilzkrankheit. »Roh schmeckt sie nicht. Aber Saucen sind traumhaft. Sie binden von alleine ab.« Von der RAF bekommt die ganze Ernte nur einer – er selbst. »Im August steht bei uns jeden Abend ein Riesentopf auf dem Herd, in dem ich Sugo einkoche. Am Ende können wir es nicht mehr riechen ...«
(aus dem Falstaff Magazin 06/2016)

»Die meisten meiner Pflanzen sind nur ein Jahr alt. Das heißt: wenig Heu, das Fleisch ist nicht fasrig.«  

Johannes Schwarz Biogärtner

Mehr Produzenten von Gemüseraritäten finden Sie im anschließenden Artikel.

Christoph Teuner
Christoph Teuner
Redakteur
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