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Grillen: Glühende Liebe

Ein Feuer anzünden, herunterbrennen lassen und über der Hitze rohes Fleisch garen: Kaum eine
Technik aus der Küche ist so alt wie das Grillen – und kaum eine lieben wir mehr.

Man muss ja froh sein, dass Grillen überhaupt noch erlaubt ist. Genau genommen sprächen einige Gründe für ein sofortiges und dauerhaftes Verbot: die Emissionen! Bergeweise Fleisch! Und dann die unerhörte Männerdominanz! Glücklicherweise scheint das in diesem Fall kaum jemanden zu stören. Die ursprünglichste Ernährungsform überhaupt steht auch 800.000 Jahre nach ihrer Premiere hoch im Kurs – so lange halten Forscher das gezielte Garen über Feuer für gesichert. Auf die Frage, ob sie im Sommer gern grillen, antworteten in Deutschland 95 Prozent aller Befragten mit Ja. 72 Prozent aller Österreicher haben einen eigenen Grill zu Hause, und in der Schweiz wird im Durchschnitt alle neun Tage »grilliert«.
So weit die Zahlen, jetzt zum Gefühl. Das Wort Faszination sollte man nicht leichtfertig gebrauchen, aber in diesem Fall scheint es angebracht: Sämtlichen Trends zu achtsamer Ernährung, zu Gemüse und ständiger Selbstoptimierung zum Trotz lässt sich der Mensch von Feuer, glühender Kohle und darüber platziertem Fleisch in den Bann ziehen – unser biologisches Erbe bahnt sich hier mit Macht einen Weg in die Gegenwart. Nach wie vor ist Grillen fast ausschließlich Männersache, das ergab zumindest eine Umfrage des Autors im Freundeskreis. So weit, so alt.

Neue Gemüsewelten

Zur Wahrheit gehört indes auch, dass es seit der Steinzeit ein paar Veränderungen gegeben hat, was unser Grillverhalten angeht. Flammen und säckeweise Kohle sind längst kein Muss mehr – handliche Elektro-Grills lassen einen Grillabend auch in der Großstadt zu, etwa auf der Dachterrasse oder auf dem Balkon. Die modernsten Geräte lassen sich heute aus der Ferne per App steuern. Auf dem Rost liegen immer häufiger nicht mehr ausschließlich Rind, Schwein und Huhn, sondern auch Gemüse. Was damit zu tun hat, dass es mithilfe von passenden Rezepten aufgepeppt wird und nicht wie früher traurige Vegetarier ersatzbefriedigt. Nein, auch hartgesottenen Fleischessern schmecken solche Gerichte. Denn dahinter stecken häufig ambitionierte Köche, die es als Wettbewerb betrachten, auch andere Lebensmittel als Fleisch am Grill vorzubereiten. Egal, ob René Redzepi im »noma« oder wie in unserem Fall Sebastian Mattis aus dem »Fritz & Felix«: Damit es schmeckt, braucht es zuerst eine Idee.
Dass Grillen tauglich ist für die Haute Cuisine, beweisen Sterneköche in Restaurants quer über den Globus schon lange. Ob mit dem Big Green Egg oder klassisch unterm Salamander-Grill – in der Sterneküche macht man sich gezielt einen chemischen Prozess zunutze, der auch für Hobbygriller unverzichtbar ist: die Maillard-Reaktion. Sie umschreibt, was passiert, wenn Fleisch erhitzt wird und mittels unzähliger chemischer Abläufe die knusprige Kruste und köstliche Röstaromen entstehen. Kurz gesagt: Sie ist die universelle Abkürzung zur Glückseligkeit.

Egal, in welche Region der Welt man reist, das Grillen ist schon da. In Japan bekommt man in den Izakayas, den Kneipen, gegrillte Hühnchenspieße, die Yakitori, die anschließend in eine köstliche Sauce (Tare) gedippt werden, die aus Sojasauce, Mirin, Sake und Salz besteht. Das koreanische Barbecue steht für mariniertes Rindfleisch, das über Holzkohle in Minuten gegart wird. Die Sibirer sind zu Recht stolz auf ihre Schaschlyki, die in Kastengrills über Birkenholz rösten. Südafrika hat sein Braai, die Brasilianer setzen auf den Churrasco – die Liste ließe sich noch lange weiterführen.
Etwas genauer anschauen sollte man sich aber noch die Vereinigten Staaten: Hier, wo die Steakkultur entstand und sich bis heute am Schönsten beobachten lässt (s. Text »New York«), hat sich nicht nur ein Kult ums Grillen entwickelt, der mit der Erfindung des Kugelgrills durch einen gewissen Stephen Weber im Jahr 1952 begann. Hier hat sich, insbesondere in den Südstaaten, noch eine weitere Art des Fleischgarens entwickelt: das Barbecue oder kurz BBQ. Hierzulande wird es noch häufig mit dem Grillen gleichgesetzt, dabei ist es in Wahrheit eine eigene Spielart. Fleisch brutzelt hierbei nicht über glühenden Kohlen oder Gasbrennern, sondern gart langsam: bei niedrigeren Temperaturen, abseits der Hitzequelle, also etwa durch Rauch (Smoken). Eine gewisse Prominenz erlangte BBQ in Europa zuletzt durch die Serie »House of Cards«, wo es sich Präsident Frank Underwood auch in höchster Bedrängnis nicht nehmen lässt, den winzigen BBQ Joint seines Freundes Freddy zu besuchen. Underwood bestellt stets Ribs, also Rippchen – und wer einmal diese stundenlang gegarte, mit geheimen Gewürzmischungen (Rubs) bestrichene Spezialität probiert hat, weiß, dass man dafür einen Drei-Sterner links liegen lassen kann.
Was den Spaß angeht, ist so ein gemeinsamer Grillabend eh kaum zu schlagen. Deshalb unser Vorschlag: Rufen Sie Ihre Freunde an, stellen Sie die Weine kalt und holen Sie den Grill aus dem Schuppen. Es ist wieder Zeit.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2019

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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