Gourmetszene Sachsen: Essen mit Elbblick

Kulinarisch ­gesehen gehört Sachsen noch nicht zu den ganz Großen. Doch die Gastronomie holt stark auf, vor allem in Dresden.

Sachsen gehört nach wie vor nicht zu den kulinarischen Zentren Deutschlands, 40 Jahre DDR zeigen immer noch Spuren. In dieser Gegend sind Sterne, Gabeln oder Punkte deutlich rarer gesät als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Bay­ern oder Baden-Württemberg. Dennoch gibt es auch hier engagierte Gastronomen, die jetzt aufholen.

Dresden ist dabei das kulinarische Herz der Region. Sicher, es gibt auch noch ein paar lohnenswerte Adressen im Umkreis: Schloss Wackerbarth in Radebeul etwa, das wir bereits in der Weinstory vorgestellt haben, beherbergt auch ein Gasthaus, in dem mediterran angehauchte Regionalküche serviert wird. Oder das »Goldene Fass« in Meißen, wo es eher bürgerlich zugeht. Das beste Restaurant der Region, »Sendig« in Bad Schandau, fiel leider dem katastrophalen Hochwasser von 2013 zum Opfer und wird wohl erst wieder im nächsten Jahr öffnen. Dresden bleibt also der Hotspot.

VW-Currywurst
Einen ersten Einblick in diese Szene bietet das »Lesage« in der Gläsernen Manufaktur. Dort, wo der Phaeton von Volkswagen gebaut wird, gibt es auch ein Restaurant, das unter der Regie des »Hotel Taschenbergpalais« geführt wird. Es ist diskret in die riesige Eingangshalle des Besucherzentrums integriert und hat mit seinen rundumlaufenden hochlehnigen Lederbänken und dem Industrieparkettboden etwas von einer Edelkantine. Passend dazu wird hier auch die originale VW-Currywurst, übergossen mit einem eigens für den Autokonzern hergestellten Gewürz-Ketchup serviert, von der in der Wolfsburger Werkskantine pro Jahr mehr als zwei Millionen Stück über den Tresen gehen. Doch das ist eher als Gag zu verstehen, denn die Küche kann durchaus mehr als Kantinenkost. Serviert werden moderne Bistrogerichte mit Anspruch. Das bekannte Clubsandwich wird hier in seine Bestandteile zerlegt und als Salat mit dünn aufgeschnittener gebratener Perlhuhnbrust, pochierten Wachteleiern, knusprigem Speck und Croutons serviert, die cremige Kräuterschaumsuppe mit einem Tempura von Schweinefilet. Natürlich geht man hier auch mit der Mode, und so kann der Gast bei der gegrillten Dorade mit Meeresfrüchterisotto und Chorizoschaum am Tisch entscheiden, mit welchem speziellen Salz sie gewürzt werden soll.

Luxuriös: die Frühstücks­terrasse des »Hotel Taschenbergpalais« der Kempinski-Gruppe / Foto beigestellt

Nach der Praxis kann ein bisschen Theorie nicht schaden. Wissenswertes rund um das Thema Essen und Trinken wird in einer Dauerausstellung im Deutschen Hygienemuseum gezeigt, das nur einen kleinen Spaziergang vom Restaurant entfernt ist. Von dort ist es nicht mehr weit in die Innenstadt, wo sich die Attraktionen Dresdens auf engem Raum finden. Etwa die Gemäldegalerie Alte Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit Gemälden aus dem 15. bis 18. Jahrhundert, von der schon Goethe fasziniert war. Die Gemäldesammlung ist im Semperbau des Zwingers untergebracht, an dessen freiem Ende zur Semperoper hin gelegen sich das nach der Galerie benannte Restaurant befindet. Hinter der beeindruckenden Fassade mit hohen Bogenfenstern werden internationale Gerichte serviert, die über das gewohnte Niveau deutscher Museums­gastronomie hinausgehen.

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Man darf hier freilich keinen Gourmettempel erwarten, aber die kleine Vorspeisenvariation aus Ziegenkäse mit lauwarmem Tomatenkompott, gebratener Wachtelbrust auf einem Salat von Avocado, Mango und Büffelmozzarella, einem geschichteten Törtchen aus Granny Smith, Roter Bete und Räucherforellencreme sowie einem gut gewürzten Saiblingstatar mit Sauerrahmmousse bietet mehr als den üblichen Standard. Auch das fein marmorierte Kotelett vom Duroc-Schwein kam zartrosa und saftig gebraten, begleitet von gebratenen Pilzen, Kartoffelpüree und gut reduzierter Jus.

Fischgerichte im »Kastenmeiers«
Von Zwinger und Semperoper aus lässt sich alles in der Altstadt gut erlaufen. Die Frauenkirche ist ganz in der Nähe, das Residenzschloss, die Hofkirche und auch die Brühlsche Terrasse, einst der Balkon Europas genannt. Besonders schön ist der Blick vom gegenüberliegenden rechten Elbufer aus auf die Altstadt, den schon der italienische Maler Canaletto 1748 auf seinem berühmten Ölgemälde verewigt hat (auch dieses Werk ist in der Gemäldegalerie Alte Meister ausgestellt). In der Altstadt gibt es ein paar gute Adressen, darunter das vorwiegend auf Fischgerichte spezialisierte Restaurant »Kastenmeiers«. Untergebracht ist es im Kurländer Palais, hinter der schneeweißen Fassade bildet das Restaurant mit seiner Lounge-Atmosphäre und der offenen Küche einen spannenden Kontrast. Auf die Teller kommen etwa Bouillabaisse mit viel Gemüse und saftigen Fischstücken, bei der die Sauce Rouille nicht fehlen darf, oder knapp gebratener Thunfisch mit Pak Choi, gewürzt mit gehackten Erdnüssen und Wasabi-Kartoffelpüree.

Kreation aus dem »Caroussel«: Juvenil­­ferkel mit Karotte, Kamille und Waldbeeren / Foto beigestellt

Nur einen Steinwurf weiter bietet das Restaurant »VEN« im »Hotel Innside by Melia« modernen Design-Chic und dazu passende Gerichte, etwa einen Kräutersalat mit Erdbeer-Pfeffer-Dressing und korsischem Schafskäse oder Bandnudeln mit Pfifferlingen und Curry-Orangen-Schaum. Auch die Desserts sind fantasievoll, etwa eine Mousse von weißer Schokolade und Rum mit Mango in Form von Sorbet und Ragout, interessant gewürzt mit Szechuanpfeffer und Zitronenthymian. Dresden hat aber noch weit mehr zu bieten. Es gibt zwei Häuser, die in der Liga der besten deutschen Restaurants spielen. Eines davon ist das »Caroussel« im »Hotel Bülow Residenz«. Küchenchef Benjamin Biedlingmaier, der unter anderem in der »Traube Tonbach« tätig war, serviert im barock anmutenden Speisesaal einen modernisierten klassischen Stil. Das zeigt schon eine Mais­variation als Amuse-Bouche, bestehend aus einer Mais-Pannacotta im Glas, ge­­toppt von Maisschaum, einem marinierten Maiskölbchen, etwas Radicchio-Brennessel-Salat, Trüffel, gebackener Polenta und etwas Popcorn. Gewöhnungsbedürftig ist die Speisekartenlyrik, die etwa »Rapumper, Rapumper, lass deine Flosse herunter« verheißt, wohinter sich gebeizter Saibling auf Feld­salatcreme verbirgt, begleitet von einer Feldsalatsphäre und einem Törtchen aus Saiblingstatar mit Feldsalatmousse und Radieschen­scheiben.

Stefan Hermann vom »bean & beluga«, einem der besten Restaurants der Region / Foto beigestelltBiedlingmaier kämpft mit Stefan Hermann vom »bean & beluga« um die kulinarische Krone Dresdens. Wem sie gebührt, lässt sich schwer sagen, die beiden kochen tatsächlich auf Augenhöhe. Biedlingmaier vielleicht einen Tick verspielter, Hermann geradliniger. Doch auch wenn Hermann manchmal etwas ins Avantgardistische abgleitet, sein Stil ist so klar wie die Einrichtung des Restaurants mit dunklem Boden, grauen Wänden, auberginefarbenen Polstersesseln und weißer Tischwäsche. Da kommen paniertes Sot-l’y-laisse, ein saftiges Rückenstück vom Huhn, puristisch mit mariniertem Kopfsalat und Mandelcreme, auf den Teller, das Kalb serviert er als Gröstel aus Innereien mit Artischocken und Bohnen. Dann gibt es da noch das sächsische Landei, ein mit Aprikosenkompott gefülltes Ei aus weißer Schokolade, begleitet von Aprikosenkompott und Pistazieneis. Was daran sächsisch sein soll, bleibt wohl Hermanns Geheimnis, aber es schmeckt – wie so manches in Sachsen!

Text von Johannes Weiss aus Falstaff Deutschland 07/14

Johannes Weiss