Alois Gölles

Alois Gölles
© Gölles

Gölles: Ein Tempel für den Essig

Die »gläserne Manufaktur« wurde zu einem hochmodernen Besucherzentrum ausgebaut. Der Vorzeige-Betrieb im Porträt.

Genusspilger im steirischen Vulkanland haben eine neue Wallfahrtsstätte: das Besucherzentrum von Alois Gölles. Der generisch gewachsene Betrieb hat mit der letzten Ausbaustufe eine Größe von 4.500 Quadratmetern erreicht und lässt die Besucher mit allen Sinnen erleben, wie Essige und Edelbrände produziert und gereift werden. Jährlich produziert die Familie Gölles über 100.000 Liter Essig und 30.000 Liter Edelbrand. Es kamen bisher schon rund 25.000 Besucher pro Jahr, die bestehenden Räumlichkeiten »waren viel zu klein« sagt Alois Gölles. Das Konzept des Neubaus ist langfristig ausgerichtet, die vorhandene Energie wird effizient genutzt. Geheizt wird mit einer Hackschnitzelanlage, das Holz dafür kommt aus dem eigenen Wald.

Edelbrände und Essige mit allen Sinnen erfahren

Auf der neuen Erlebnistour sollen Besucher die Produkte des Hauses mit allen Sinnen erfahren können. Der Weg führt die Gäste durch einen interaktiven Obstgarten mit Kino, den größten Essigfasskeller Österreichs und in einen Sinnestunnel, in dem man Verkosten, Riechen, Hören, Fühlen und Sehen kann. Die Tour endet mit einer Besichtigung der Schnapsbrennerei und einer Edelbrandverkostung an der Schnapsbar.

Wie alles begonnen hat

Alois Gölles betont im Gespräch mit Falstaff, dass er sehr bewusst auch in die Region investiert hat, wie auch zuvor schon beim Hotel Riegersburg. Ein derartiger Meilenstein ist aber auch ein geeigneter Zeitpunkt um innezuhalten und zurück zu blicken. Gölles besuchte die Wein- und Obstbauschule Klosterneuburg, die in seinem Maturajahrgang 1979 wohl noch mehr als sonst eine Kaderschmiede war. Zu seinen Klassenkameraden zählten der jetzige Schlumberger-Vorstand Herbert Jagersberger und die überaus erfolgreichen Winzer Manfred Tement, Karl Alphart, Leopold Sommer, Josef Bayer und Josef Pusch. Zurück am Hof hat Gölles die Edelbranderzeugung wieder aufgenommen, vorerst allerdings nur als Hobby im Rahmen einer bäuerlichen Abfindungsbrennerei.

Bei Rauch in Vorarlberg viel gelernt

Den professionellen Umgang mit Früchten hat Alois Gölles bei einem Praktikum bei Rauch Fruchtsäfte in Rankweil in Vorarlberg gelernt. Ein fixes Jobangebot hat er allerdings ausgeschlagen, um die Leitung der Obstverarbeitung, Produktion von Edelbränden und Weinbereitung bei der Versuchsstation für Obst- und Weinbau in Haidegg bei Graz anzunehmen.

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Reifeprüfung mit Balsam Apfel Essig

1984 schlug die Geburtsstunde des mittlerweile legendären Balsam Apfel Essigs. Heute ist der XA Balsam Essig mit seinen mindestens 20 Jahren Reife einer der gefragtesten Kult-Essige des Landes. Nach dem Vorbild der exklusiven Balsamici tradizionali aus Italien reift der Essig in immer kleiner werdenden Fässern aus verschiedenen Hölzern wie Eiche, Kastanie, Akazie, Kirsche und Esche bis er eine sirup- bis geleeartige Textur und höchste geschmackliche Harmonie aus Süße und Säure erlangt. Damals allerdings war wenig Verständnis, dafür aber viel Misstrauen der Innovation gegenüber vorhanden. Dem Unverständnis folgten Klagsdrohungen, kritisches Beäugen und mit den ersten Erfolgen schließlich zigfache Nachahmung.

»Ein neues Produkt braucht fünf Jahre«

Die Markenbildung war ein jahrzehntelanger Prozess, der von einer Hobby-Produktion über Mundpropaganda bis zum heutigen Bekanntheitsgrad geführt hat. »Die 1980er-Jahre waren eine sehr dankbare Zeit für eine derartige Qualität. Die Verlässlichkeit ist zu einer Marke geworden«, sagt Alois Gölles. »Ein neues Produkt braucht rund fünf Jahre, bis es breitenwirksam akzeptiert wird. Rückwirkend betrachtet haben wir sogar die ersten zehn Jahre im luftleeren Raum gearbeitet.«

Falstaff als Wegbegleiter

Viel Rückenwind kam nach einem Artikel im Falstaff Magazin im Jahr 1989, für den Michael Pronay den Apfelbalsam von Gölles als Pirat in eine Balsam-Essig-Verkostung geschmuggelt hat. Zur Überraschung aller Beteiligten konnte sich das Produkt im Spitzenfeld mit italienischen Ikonen behaupten. Gölles erinnert sich noch gut an die Aufbruchsstimmung Ende der 1980er:

»Da hatte die Spitzengastronomie einen ersten Höhenflug und sich wie ein Karussell gedreht, man musste aber aufspringen, um mitkommen zu können.«

Genusshotel Riegersburg

Mit strahlenden Augen denkt Gölles an die ersten Jahre im neuen Jahrtausend zurück, die er auch als »goldene Jahre« bezeichnet: »Alle Projekte sind aufgegangen, es wurde viel erwirtschaftet.« In dieser Zeit wurde auch die Idee für das Hotel Riegersburg geboren. Geld war offensichtlich vorhanden und wollte investiert werden. Zufällig stand »der schönste Platz in Riegersburg« zum Verkauf, der gesamte Grund ist Richtung Süden geneigt. »2007 hat das erste Gespräch stattgefunden, 2008 haben wir mit der Umsetzung begonnen und 2009 haben wir schon eröffnet. Wir haben den Bedarf an einem hochwerigen Hotel für Genussreisende geortet und das Konzept danach ausgerichtet. Aber wie bei neuen Produkten hat es rund fünf Jahre gedauert, bis das Hotel angenommen wurde.«

Vielversprechende Whisky-Produktion

Heute gehen 20 Prozent der Produktion in den Export, in 15 verschiedene Länder. Der internationale Markt ist laut Gölles aber nur eingeschränkt an Essig und Edelbrand interessiert. Salate werden nur in Mitteleuropa mit Essig mariniert, global gesehen werden eher Dressings verwendet. Essig gilt vielerorts sogar als Schimpfwort bzw. als Bezeichnung für mangelhafte Qualität. Eine Trinkkultur, bei der Obstbrand eine tragende Rolle spielt, gibt es ebenfalls nur in Mitteleuropa. Holzfassgereifte Brände wie Whisky, Rum oder Cognac spielen eine viel weiter verbreitete Rolle. Das ist vermutlich auch ein Grund, warum Alois Gölles zusammen mit Sohn David an einem großen Whisky-Projekt arbeitet. Wieviel Potenzial hier drin steckt, zeigt eine Falstaff-Blindverkostung von Rye-Whisky, bei der eine Fassprobe von Gölles international gut mithalten konnte und als bestes nationales Produkt bewertet wurde (siehe Rye-Whisk(e)y im Falstaff-Check).

Generationen mit- und nebeneinander

Noch führen aber Alois und Herta Gölles den Betrieb mit fester Hand. Der älteste Sohn David übernimmt aber schrittweise immer mehr Verantwortung, die anderen beiden Söhne Christoph und Johannes scharren bereits in den Startlöchern. Die Frage, ob sich Senior Gölles einen geruhsamen Ruhestand mit seinen Hobbys Tennis, Wein und Zigarren vorstellen kann, beantwortet er so:

»Ich finde es sehr lässig, selber zu brennen. Das ist eine Beschäftigung, die ich mir für die Pension sehr gut vorstellen kann...«

Alois Gölles führt in die Geheimnisse der Edelbrände ein.
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Alois Gölles führt in die Geheimnisse der Edelbrände ein.
Bernhard Degen
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