»Gläser sind Lautsprecher«

Georg Riedel, Europas größter Qualitätsglasproduzent, über die Facetten der Glaskultur in aller Welt und den fernen Donner der Wirtschaftsmacht China.

Kufstein als Nabel der Welt? Für die Glaswelt des Georg Riedel ist es das. Riedel Glas zählt zu den wenigen österreichischen Marken, die auf allen Kontinenten stark vertreten sind, und ­Georg Riedel eilt beständig um den Globus. Am Tiroler Firmensitz wirkt er am Boden geblieben.

FALSTAFF Sie kommen gerade aus China zurück. Kennen die Chinesen schon Riedel-Gläser?
RIEDEL: Sagen wir es so: Es werden ­täglich mehr. Wenn Sie in den Restaurants der Fünf-Sterne-Hotels in Peking, Shanghai oder Chengdou dinieren, stehen die Chancen gut, auf unsere Marke zu stoßen. China ist hochinteressant und setzt in vielen Bereichen neue Benchmarks, auch in der Hotellerie und der Gastro­nomie. Nur eine Zahl: In China wurden im Vorjahr 750 Millionen Flaschen Wein verkauft, das ist Rang sieben beim Weinkonsum. Dabei trinken die Chinesen im Schnitt nur einen halben Liter Wein pro Jahr. Das Potenzial ist folglich riesengroß. Die Entwicklung in China wird in Europa kaum eine Branche verschonen, der ferne Donner aus China kommt näher und näher.

Welche Ziele verfolgen Sie in China?

Wir wollten immer eine 100-prozentige Riedel-Tochter gründen, und das war erst jetzt rechtlich möglich. Mit unserer eigenen Vertriebstochter haben wir vor allem die Gastronomie im Marketingfokus, das läuft sehr gut an. Auf dem Konsumentenmarkt setzen wir daher auf den neuen Mittelstand. Wir haben bereits 15 Riedel-Shops als Franchise-System gegründet. Bis zum Jahresende 2011 wollen wir mit 50 Riedel-Shops in China vertreten sein. China trägt derzeit nur wenig zum Gesamtergebnis bei, aber das wird sich rasch ändern.

Riedel ist auf allen Erdteilen präsent. Wie ent­wickelt sich das Geschäft?
In Australien läuft es sehr gut. In Europa gibt es Märkte, auf denen es rasant aufwärtsgeht. In England legen wir etwa seit fünf Jahren um 15 Prozent jährlich zu, auch in der Wirtschaftskrise. Die jungen Weinliebhaber ersetzen die alten geschliffenen Gläser durch Riedel-Gläser. Auch Skandinavien läuft gut. Andere Märkte stagnieren oder gehen zurück wie etwa Deutschland. In den USA sind wir fantastisch unterwegs, erreichen jedes Jahr ein zweistelliges Plus. Für diesen Markt ist mein Sohn Maximilian zuständig, der macht einen fantastischen Job. Wir sind in praktisch allen Top-Restaurants präsent, und die Shops entwickeln sich sehr gut.

Wohin geht denn Ihrer Meinung nach der Trend in der Gastronomie?
Es wird immer diese großen Gourmettempel geben, keine Frage, aber es werden wohl weniger werden. Die Zahl jener, die stundenlang vor ihren Sieben-Gänge-Menüs sitzen, ist rückläufig. In Summe wird sich die Gastronomie einfacher aufstellen. Die Ausstattung eines Restaurants wird weniger wichtig werden. Die Essenz eines Lokals, also Küche, Service und Preis-Leistungs-Verhältnis, wird kritischer beurteilt werden. Und der gastronomische Mittelstand braucht gute Argumente, warum es ihn weiterhin geben muss. Auch in der Top-Gastronomie wird der Gast legerer – aber dennoch nicht weniger anspruchsvoll. Der Gastronom erkennt den kundigen, ­erfahrenen Gast nicht so leicht wie früher. Die alten Codes passen heute nicht mehr.

Ist das Riedel-Sortiment mit seinen 21 Gläsern nun schon komplett – oder wird es in Zukunft eine noch größere Formenvielfalt geben?
Wir wollen den Kunden nicht verwirren, sondern ihm eine Auswahl bieten: mit verschiedenen Formrichtungen und Preiskategorien. Eigentlich braucht man nur fünf Glastypen: eines für aromatisch-fruchtige Weißweine, eines für kräftige, säurearme Weine aus der Burgunderfamilie, eines für zarte Weine à la Pinot Noir, ein viertes für mittelgewichtige Cabernets und Merlots und eines für den kräftigen, fruchtigen Syrah-Typus. Ich trinke Schaumweine aus dem Weißweinglas und reife Champagner aus dem Pinot-Glas. Fünf Gläser, mehr brauche ich ­eigentlich nicht. Das ist keine falsche Bescheidenheit, sondern meine Überzeugung.

Interview von Klaus Buttenhauser und Peter Moser, aus Falstaff Nr. 8/2010

Fotos von Peter Rigaud