Gebrüder Fußer: Jungwinzer von der Mittelhaardt
Portrait: Martin und Georg Fußer geben ihren Weinen in dem biologisch-dynamischen Betrieb in der Pfalz die Zeit, die sie benötigen.
»Unsere Geschichte?«, fragt Martin Fußer zurück, zuckt als Ausdruck entspannter Bescheidenheit weniger ratlos als lässig mit den Achseln und sucht in seinen Erinnerungen nach einer geeigneten Variante aus der ersten Zeit ihrer noch unvollendeten Geschichte. Die beginnt im Jahr 2007, als zwei von Naivität betäubte Brüder mit unerschütterlichem Gründergeist ihr eigenes Weingut in Deidesheim aus der Taufe heben. Zu Weihnachten schenken die Eltern jedem Sohn einen Immervolltank. Aus Omas verwaisten Schuppen mit musealen Gerätschaften bekommen sie eine knuffige Korbpresse spendiert, die sofort unter der Parole »je höher der Pressdruck, desto höher die Saftausbeute« zum Einsatz kommt.
Fußers Geschichte ist seitdem um viele Episoden reicher geworden, hat an Umfang und Inhalt zugelegt. Rund 12,5 Hektar bewirtschaften der 33-jährige Martin und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Georg heute als zertifiziert biologisch-dynamischer Betrieb. Beide tragen Vollbärte, die aber weniger hip als einfach nur naturbelassen aussehen und sich einzig in der Farbe voneinander unterscheiden: Martins wächst dunkelblond, der seines Bruders pechschwarz.
Neues Kapitel: Biodynamie
»Mit der Biodynamie«, sagt Georg, »haben wir ein neues Kapitel in unserer Geschichte aufgeschlagen und einen Prozess eingeleitet, der uns fordert und fördert.« Auch der Ort ist ein Teil dieser Geschichte. Wo die spätsommerliche Sonne jeden Tag etwas früher hinter einer Hügelkette verschwindet und sich ein großer Schatten schützend über den Paradiesgarten legt, bleiben die Säuren im Riesling lange frisch, während die Frucht bis spät in den Herbst ausreifen kann.
Auch sonst heißt der Ansatz der Fußer-Geschwister »abwarten«. Langsames Wachstum ohne Düngung benötigt einige Jahre Geduld, bis die Reben Ertrag bringen und sich schließlich auf einem niedrigen Niveau eingependelt haben. Winzer, die sich so nach ihren Pflanzen richten, sind äußerst rar gesät, nicht zuletzt deshalb, weil es bisweilen eine lange Zeit braucht, bevor sich Geld mit ihnen verdienen lässt. Die Fußers sind noch jung und trotzdem schon über diese Phase hinweg. Ihre besten Weine, die die Bezeichnung »No1« auf dem Etikett tragen, können sie nun mit einer Verzögerung von rund zwei Jahren auf den Markt bringen. Genau dann, wenn ihre Zeit reif ist.
Tasting Best of Falstaff Talente
Aus Falstaff Deutschland 7/2016