© Dennis Savini

Garmethoden am Grill: Feuer frei!

Einfach nur den Grill anzünden und das Fleisch auflegen? Das war einmal. Für ein Grillerlebnis der Extraklasse kommt es entscheidend darauf an, wie man sein Fleisch zubereitet.

Barack Obama hatte seine Rede beendet und war mit der Kolonne auf dem Weg zum Flughafen. Doch bevor er dort ankam, machte er noch einen Stopp. Obama wollte mittagessen. Aber nicht irgendwo. Sondern in einem Barbecue-Grill in Austin, Texas: »Franklin Barbecue«. Menschen warten hier ab sechs Uhr morgens, bis um elf Uhr die Türen öffnen. Die langen Schlangen vor dem Laden sind legendär. Für Barack Obama machte Inhaber Aaron Franklin eine Ausnahme. Der Präsident übersprang die Schlange, orderte für mehr als 300 Dollar Fleisch und zahlte die Rechnung seiner beiden Vorderleute gleich mit. Seitdem ist Aaron Franklins Barbecue nicht nur unter BBQ-Fans aus aller Welt ein Begriff, sondern gut genug für einen Präsidenten.
Franklin hat BBQ auf ein neues Level gehoben. Auf tonnenschweren Smokern, ehemaligen Tanks, gart er jene Cuts von Schwein und Rind, die sonst nicht hoch im Kurs stehen. Sein Brisket, 14 Stunden geräucherte Rinderbrust in Prime-Qualität, nur mit einem Schlag Coleslaw und etwas Brot, bricht reihenweise Herzen – längst nicht nur die von Männern. Das Pulled Pork lässt sich allein mit Gabeln in Fetzen zerteilen, so butterzart und saftig ist es.
All das bewirkt indirekte Hitze. Zwar verfeuert Franklin in den Smokern zentnerweise Eichenscheite, doch gegart werden die Fleischstücke nicht über den Flammen, sondern nur über dem Rauch, der in den Smokern entsteht. Das Prinzip des Barbecues, wie es in den Südstaaten der USA seit Jahrhunderten Tradition hat, besteht darin, Fleisch mit indirekter Hitze zu garen. Angesichts der köstlichen Resultate verwundert es nicht, dass man Smoker für den Hausgebrauch auch in heimischen Gärten immer häufiger dampfen sieht.
Eingeschworenen Grill-Traditionalisten mag es schwerfallen, aber wer sich einmal vom Gedanken verabschiedet, dass Grillen nur mit großer Hitze funktioniert, gewinnt so sehr wie beim Umstieg von Schwarz-Weiß- auf Farbfernsehen. Es geht immer um das Zusammenspiel aus indirekter und direkter Hitze. Gut zu sehen ist das etwa am Big Green Egg, das zwar schon seit mehr als 40 Jahren auf dem Markt ist, in Europa allerdings erst in den vergangenen Jahren häufiger zum Einsatz kommt. Es lässt sich sowohl bei mehreren hundert Grad Celsius betreiben, eignet sich aber genauso gut für Niedrigtemperaturen um die 80 Grad. Auch die neuen Outdoor-Kochstellen, die etwa unter den Marken Feuerring oder Ofyr auf den Markt kommen, bieten gezielte Einsatzmöglichkeiten für Grillen nah an der Hitze oder etwas weiter weg für sanftes Garen. Spannend für Fisch sind die wassergetränkten Planken, mit denen sich Fisch schonend garen lässt und dabei nuancierte Holz­aromen aufnimmt.

Wer sich dennoch für ein traditionelles Steakgrillen entscheidet, sollte sich die Spezialgeräte für diese Einsatzmöglichkeit anschauen: ultra-energiereiche Spezialgrills, die ein Steak binnen 90 Sekunden von roh auf medium rare bringen. Steak-Freaks schwören darauf: Grillen bei 800 bis 1000 Grad Celsius. Erst das ergibt, so die Hitzefanatiker, eine richtige Kruste, ohne dass dabei das Fleisch innen zu durch wird. Steakhäuser mit entsprechenden Grillgeräten wie etwa das »Beef 800°« in Würzburg oder das heuer in Wien eröffnete »Mama & der Bulle« werden immer mehr. Die Betreiber haben sich dafür eigene Geräte besorgt, die das Garen mit extremer Hitze möglich machen. Mit diesen Geräten lassen sich übrigens auch Fisch und Gemüse garen – und auch dabei geht es um die Kruste.
Für den Privatgebrauch sind derartige Hochleistungsgriller vor allem unter der Bezeichnung »Beefer« bekannt geworden, mittlerweile ist aber eine Vielzahl an ähnlichen Geräten auf dem Markt, etwa auch von den Düsseldorfer Spezialisten von Otto Wilde. Rein wissenschaftlich gesehen tritt beim Grillen mit hohen Temperaturen die sogenannte Maillard-Reaktion in Kraft, dabei verringert sich unter anderem sehr schnell der Wasseranteil beim Fleisch, während sich der Proteinanteil erhöht. Ein chemischer Prozess, der in letzter Konsequenz zu einer Kruste führt, die man bei üblichen Temperaturen, die deutlich darunter liegen, nicht zustande bringt – und das Fleisch bleibt innen trotzdem saftig. Beim herkömmlichen Grillen dauert die Zeit, um eine Kruste zu bekommen, bisweilen zu lang. Es kann passieren, dass das Steak dann längst durch und innen trocken ist.
Aber auch beim Grillen jenseits von 800 Grad werden von den Profis unterschiedliche Methoden angewandt. So lässt etwa Thomas Bös, Küchenchef von »Mama & der Bulle«, die Fleischstücke vorher rund 15 Minuten in einer Sous-vide-Folie in einem entsprechenden Gerät bei 54 Grad sanft vorgaren. »Erst dann geben wir die Stücke in den 1000-Grad-Griller«, sagt Bös, »um das Steak medium rare zu bekommen, reichen eine bis zwei Minuten, well done braucht circa fünf Minuten.« Aber wer will sein Steak schon well done? Denn genau das gilt es ja mit den Höllenfeuer-Grillern zu vermeiden.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2019

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Philipp Elsbrock
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