Das Objekt der Begierde ist rar und teuer: Für manche Jahrgänge G-Max wurden schon mehr als 2000 Euro pro Flasche bezahlt. Klaus Peter Keller in einem seiner Weinberge.

Das Objekt der Begierde ist rar und teuer: Für manche Jahrgänge G-Max wurden schon mehr als 2000 Euro pro Flasche bezahlt. Klaus Peter Keller in einem seiner Weinberge.
© Simion Marian

G-Max: Das Phantom

Nur sehr wenige trockene Weißweine kosten mehr als 2000 Euro pro Flasche, fast immer kommen sie aus dem Burgund. Doch aus Rheinhessen kommt ein geheimnisvoller Riesling.

Nein, nicht Dschiii-Määx, ­korrigiert Klaus Peter Keller, sondern ganz einfach auf gut Deutsch Gee-Max. G wie Opa Georg, Max wie Sohn Maximilian. Dann gießt er einen Schluck von diesem Zaubertrank ins Glas – aus dem Jahrgang 2018, der erst in den kommenden Monaten in den Verkauf kommen wird. Angesichts des kryptischen Namens liegen vielerlei Assoziationen nahe: maximaler Extrakt? Preis-Maximum? G-Punkt des Riesling-Geschmacks? Natürlich befeuert es die Fantasie, dass Keller keinen Lagennamen aufs Etikett schreibt und auch sonst aus der genauen Herkunft des Weins ein Geheimnis macht. »Wenn ich bekanntgeben würde, wo die Trauben wachsen«, gibt er zu bedenken, »müsste ich einen Wachdienst in den Weinberg stellen. Wir haben jetzt schon Besucher in den Reben, die mit Plastiktüten kommen und Trauben holen, das ist nicht so lustig.«

Also noch mal von vorn. Sohn Maximilian wurde im Jahr 2000 geboren, 2001 wurde ihm zu Ehren ein »Baby-Wein« (O-Ton Keller) gekeltert. »Es gab ja auch schon einen Spätburgunder mit dem Namen unseres älteren Sohns Felix.« Da der Maximilian zugedachte Riesling von alten Reben stammt, lag es nahe, eine Brücke vom Namen des Nachwuchses zu jenem Vorfahren zu schlagen, der das Gutshaus gebaut und, so darf man vermuten, auch die Reben in der Herkunftsparzelle gesetzt hat. Dass anders als beim Spätburgunder Felix, der zudem den Namen der Lage Morstein trägt, der G-Max ohne Lagenbezeichnung auskommen muss, heißt nun aber nicht, dass der Wein keine klar definierte Herkunft hätte. »Gegenfrage«, antwortet Keller. »Woher kommt denn der Champagner von Salon? Da steht ja auch keine Lage auf dem Etikett. Und er kostet trotzdem einen vierstelligen Preis.«

So ist es inzwischen auch beim G-Max der Fall. Auf den Auktionen schoss der Preis in den vergangenen Jahren bis auf 2000 Euro pro Flasche. Manche Kommentatoren vermuteten gar, dass das Weingut selbst mit raffinierter Kurspflege hinter der Hausse stecke. »Bei uns hat Keller nie mitgeboten, das kann ich mit Sicherheit sagen«, stellt Stefan Sedlmayr vom Auk­tionshaus Munich Wine Company klar. Ähnlich äußert sich Jens Krau von Koppe & Partner: »Ich glaube nicht, dass das Weingut das gesteuert hat. Zwar bleiben die Weine tatsächlich zum großen Teil in Deutschland, aber es gibt hierzulande halt eine kleine Kolonie, die regelmäßig G-Max und andere Keller-Weine kauft. In den sozialen Medien sieht man dann gepostet, was sie gerade getrunken haben. Und es fließt auch immer ein bisschen was nach Asien.«

Derweil entströmt in der Flörsheim-Dalsheimer Wohnküche langsam etwas Duft dem Glas. Eine zurückhaltende Spontangärungswürze, Kräuternoten, florale Andeutungen, ein noch komplett unentfaltetes, aber aufgeräumtes und makellos klares Duftbild. Im Mund zeigt sich ein engmaschiges Gewebe aus Stoffigkeit und geschmeidigen Motiven, die Säure wirkt stabil und dabei völlig natürlich, der Clou aber ist die intensive taktile Mineralität, die fast schon bissig zupackt und den Gaumen in ihren Besitz nimmt, all dies umspielt von einer, ja, burgunderhaften Großzügigkeit und vom Schmelz des Jahrgangs. Im Abgang kommen rauchige Aromen zum Vorschein.

Wie es auf einem Familienbetrieb üblich ist, packt auch Ehefrau Julia mit an – bei der Lese des G-Max, aber natürlich auch bei allen anderen Tätigkeiten.
© Michael Hamann
Wie es auf einem Familienbetrieb üblich ist, packt auch Ehefrau Julia mit an – bei der Lese des G-Max, aber natürlich auch bei allen anderen Tätigkeiten.

Ein zwiespältiger Hype

Kalk, sehr viel Kalk also. Perfektes Lesegut. Und alles ohne jede Effekthascherei vinifiziert. Wie geht man damit um, wenn man einen solchen Kultwein auf dem Markt hat? Einen Solitär, der sich allerdings vielleicht auch in eine Preisblase vorgearbeitet hat? »Es ist schon gut«, sagt Keller, »wenn man durch die Auktionsergebnisse ein paar Jahre nach der Ernte noch mal eine Bestätigung bekommt, dass man nicht ganz so viel falsch gemacht hat.« Aber ihr Ziel, so Keller, sei nie gewesen, einen solchen Hype loszutreten. Den ersten G-Max, also den 2001er, hätten seine Frau und er damals für 50 Euro auf die Liste gesetzt – in der Annahme, dass dieser Preis abschrecke. Denn eigentlich hätten sie möglichst viel selbst behalten wollen. Selbst der 2010er war noch ab Weingut für etwas mehr als 100 Euro zu haben. Dann wurde das Preisgefälle zum Auktionsmarkt so gewaltig, dass das Ehepaar die »Keller-Kiste« erfand, eine gemischte 12er-Kiste, die bis zum Jahrgang 2017 zwei Flaschen G-Max enthielt. Mit dem Jahrgang 2018 wird es nur noch eine Flasche G-Max sein. Dazu kommen elf Lagenweine, von denen die gesuchtesten – Morstein, Hipping und Pettenthal – ebenfalls nur mit der Keller-Kiste zu erwerben sind. Ab Weingut kostet das Paket für jene Glücklichen, die eine Allokation ihr Eigen nennen, 1495 Euro. Im Handel und auf Auktionen bezahlt man für die Kiste, vorsichtig geschätzt, den doppelten bis dreifachen Preis.

Allerdings wachsen die Bäume in den letzten Monaten nicht mehr in den Himmel. Zuletzt blieben auf Auktionen sogar einige Lose G-Max völlig ohne Gebot zurück. Auktionsprofi Krau macht dafür vor allem zu hohe Ausrufpreise verantwortlich. Wo es Zuschläge gab, lagen sie je nach Jahrgang eher bei 1200 oder 1500 Euro als bei 2000. Auch die Daten des Londoner Handelsplatzes Liv-Ex zeigen ab etwa Mai /Juni 2019 einen fallenden Preistrend, berichtet Lucas Frost, der für Liv-Ex den deutschen Markt analysiert. »Ich bin eigentlich ganz froh, wenn sich das nicht überhitzt«, sagt Keller. Und verweist dann aber auch auf die Unruhen in Hongkong und die Trump-Steuer in den USA als Belastungsfaktoren. Ein klein wenig, das ist ihm anzusehen, zwickt es schon, dass die Preise im Moment nicht weiter steigen. Eine ausgesprochen menschliche Regung – in einer Erfolgsgeschichte, die das menschliche Vorstellungsvermögen fast schon übersteigt.

Der erste Jahrgang war 2001 – inzwischen gibt es den G-Max nur noch in der »Keller-Kiste«.
Foto beigestellt
Der erste Jahrgang war 2001 – inzwischen gibt es den G-Max nur noch in der »Keller-Kiste«.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2020

Zum Magazin

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Mehr zum Thema
Advertorial
Frühlingshafte Gefühle!
Mit dem ersten Hauch des Frühlings erwacht auch das Weingut Schneeberger zu neuem Leben, und das...
Advertorial
Farbenfroh wie das Leben
Die Familie Lergenmüller kombiniert auf einzigartige Weise das Pfälzer Terroir mit zeitgemäßen...