Christian Jürgens rechnet für Juni mit der Wiedereröffnung seines Drei-Sterne-Restaurants.

Christian Jürgens rechnet für Juni mit der Wiedereröffnung seines Drei-Sterne-Restaurants.
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»Für mich ist das Glas eher halb voll als halb leer«

Christian Jürgens steht für Weltklasse am Tegernsee. Der Drei-Sterne-Koch spricht über die Auswirkungen der Pandemie auf sein Restaurant »Überfahrt« und weshalb er nichts davon hält, entgangene Einnahmen auszurechnen.

Falstaff: Sie sind seit einem halben Jahr in Zwangspause – können Sie kurz Ihren momentanen Tagesablauf beschreiben? 
Christian Jürgens: Wir stehen in der Regel früh auf, da unsere Tochter Filippa eine Frühaufsteherin ist. Danach gemeinsames Frühstück mit der Familie, eine oder zwei Runden Sport, gemeinsames Mittagessen und im Anschluss danach widme ich mich meinem Restaurant, das heißt im Einzelnen: Konzeptentwicklung, Kreieren neuer Gerichte, Austausch mit meinen Mitarbeitern, Social Media und weiteres.

Haben Sie durchgerechnet, wieviel Geld Ihnen durch den Lockdown verloren gegangen ist? Um welche Summe handelt es sich circa?
Ich halte nichts davon, etwas zu berechnen, was durch noch so viel Rechnen nicht wiederkommt. Diese Krise trifft uns alle sehr hart – nicht nur finanziell, sondern auch emotional.

Mussten Sie Mitarbeiter entlassen? Haben Mitarbeiter selbst gekündigt?
Wir sind in der glücklichen Lage, keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen zu müssen. Die Mitarbeiter, die uns verlassen haben, hatten schon Monate vor der Corona-Problematik mit mir gesprochen, dass sie sich beruflich verändern wollten. Obwohl ich sie alle gerne behalten hätte, denke ich mir, dass es wichtig für junge Menschen ist, nach zwei bis fünf Jahren Betriebszugehörigkeit sich auch noch einmal einer neuen Herausforderung zu stellen. Ich wünsche allen viel Glück und Erfolg bei ihren neuen Herausforderungen und bin auch nach ihrem Ausscheiden gerne für sie da.

Wie sehen Sie Ihre Perspektive?
Ich bin ein positiv denkender Mensch, von daher ist auch mein Blick in die Zukunft von positiven Gedanken geprägt. Unsere Company steht finanziell auf sicheren Beinen und steht nach wie vor hinter mir und unserem Restaurant.

Was fehlt Ihnen am meisten?
Die Normalität, so wie ich sie vor Corona empfunden haben. Die Unbeschwertheit Menschen zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen (ohne Vorsichtsmaßnahmen und Abstandsregeln).

Was macht Ihnen Hoffnung?
Es macht mir Hoffnung, dass es nun endlich vorwärts geht mit den Impfungen. Und auch die Gespräche, die ich mit meinen Mitarbeitern führe und bei denen ich spüre, wie sehr sie darauf brennen wieder zeigen zu können, was in ihnen steckt.

Hören Sie hin und wieder von Gästen?
Wir bekommen sehr viele Nachrichten und Feedback von unseren Gästen.

Gibt es irgendetwas Positives, das Sie der Krisenzeit abgewinnen können?
Wie ich schon sagte, ich bin ein positiv denkender Mensch. Für mich ist das Glas eher halb voll als halb leer. Ich konnte mich in dieser Zeit um meine Familie kümmern und Dinge bearbeiten, die ich schon seit längerer Zeit bearbeiten wollte. Das beinhaltet auch, meine Arbeit und unser gesamtes Miteinander zu hinterfragen und dies zu optimieren.

Würden Sie sagen, Sie haben das Beste aus der Krise gemacht?
Das wird sich zeigen, wenn wir auf diese Zeit zurückblicken und sehen, wie gut die Pläne waren, die wir jetzt geschmiedet haben. Ich möchte allen Menschen Mut zum Durchhalten in diesen außergewöhnlichen Zeiten zusprechen und ihnen dafür sehr viel Kraft wünschen!

Für wann rechnen Sie mit der Wiedereröffnung?
Ich sehe reelle Chancen für Anfang bis Mitte Juni. Allerdings hängt das von den verschiedensten Faktoren ab, und man muss abwarten, wie sich die Lage entwickelt.

Dieses Interview ist Teil des Artikels »Sechs Monate Lockdown – Top-Gastronomen ziehen Bilanz«. Einen Überblick und den Verweis auf weitere Koch-Interviews finden Sie hier.

Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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