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FRAG DEN KNIGGE! Wie gehe ich mit ungebeten Gästen um?

Herbert K. aus Zürich betreibt ein kleines Restaurant in Bahnhofsnähe. Es kommt vor, dass Gäste ihre Rechnung nicht bezahlen können oder wollen.

»Wie kann ich einen Gast abweisen, wenn ich befürchten muss, dass er nicht bezahlen kann?«
Herbert K. aus Zürich.

In Georgien sagt man: »Der Gast kommt von Gott.« Auf meiner Reise zum Kaukasus durfte ich erleben, dass die Georgier Gott ernst nehmen. Ihre Gastfreundschaft ist beeindruckend. Mehr heilige Freude als lästige Pflicht. Für alle Beteiligten. Obwohl kein Georgier, bin auch ich in einem offenen Haus aufgewachsen. Willkommen waren alle Gäste. Sogar die Ungebetenen. 
»Wen habt ihr denn da mitgebracht?« fragte meine Mutter eines Tages, als wir uns wie jeden Morgen vor der Schule zum gemeinsamen Frühstück einfanden. Wir Geschwister schauten etwas ratlos in die Runde – nein, von uns hatte diesmal keiner einen Übernachtungsgast mitgebracht. Wer aber lag dann friedlich schlummernd in unserem Gästezimmer? Ein Landstreicher, wie sich herausstellte, jemand, der letzte Nacht das seltene Glück gehabt hatte, ein unverschlossenes Haus mit einem unbenutzten Gästezimmer zu finden.
Die Bekanntschaft dieses Glücklichen habe ich nie gemacht, schließlich mussten wir zur Schule, und Gäste unseres Hauses haben bis heute das Recht, auszuschlafen. Jedenfalls erhielt der Überraschungsgast von meiner Mutter noch ein reichhaltiges Frühstück, bevor er seiner Wege zog. Zugegeben, solche Gäste hatten auch wir nicht alle Tage. Aber die Gastfreundschaft war meinen Eltern heilig und wurde bei Bedarf auch auf Menschen ausgedehnt, die sich selbst eingeladen hatten.

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Wer aber ein Restaurant betreibt, der lebt nicht von Luft und Nächstenliebe. Sondern von Gästen, die sich wohlfühlen UND zahlen. Alleine Ihre Frage zeigt, dass Sie sich unwohl fühlen jemanden den Zutritt zu verweigern. Das ehrt Sie. Weil Sie wissen, dass es nichts Unhöflicheres gibt als jemanden bloßzustellen. Und es entblößt, jemandem zu sagen, dass er insolvent aussieht.
So leid es mir tut, es gibt in Ihrem Fall keine höfliche Abweisung, keine geschminkte Wahrheit, sondern nur die ungeschminkte: »Ich bedaure, aber aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Zahlungsmoral meiner Gäste muss ich Sie leider um Vorkasse bitten.«


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Moritz Freiherr Knigge beantwortet Fragen zum menschlichen Miteinander von Gästen und Gastgebern.