Prämierte Edelbrand-Vielfalt: Die Stählemühle ist eine der besten deutschen Brennereien.

Prämierte Edelbrand-Vielfalt: Die Stählemühle ist eine der besten deutschen Brennereien.
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Feuer, Frucht & Fass: der Trend Fruchtbrände

Samtig-weich am Gaumen, der süße Frucht­geschmack veredelt: fassgelagerte Fruchtbrände entwickeln im Holz ein einzigartiges Aroma.

Herrlich blühen die Felder und die Bäume auf den Streuobstwiesen rings um die Obsthöfe. Erwartungsfroh blicken die Bauern auf die bevorstehende Ernte und sorgen sich doch ein wenig, welchen Einfluss die heftigen Stürme dieses Sommers auf den Ertrag ausüben. So manche Birne und so mancher Apfel wird den Weg durch die Brennblasen und in die Flasche finden, um in flüssiger Form den Gaumen zu verwöhnen. Einige der gewonnenen Destillate werden einen finalen Feinschliff durch eine Reifung im Holzfass erfahren. Eine zunehmende Schar von Genießern weiß das zu schätzen. Die Konsumenten entwickeln neue Freude und Wertschätzung für die hochwertigen Produkte aus der Region. Geistreich bemerkte schon der Dichter Joachim Ringelnatz: »Die besten Vergrößerungsgläser für die Freuden dieser Welt sind die, aus denen man trinkt.«
Wie entsteht ein Geist?
Aber hier soll es nicht um Geist gehen. Ein Geist entsteht in der Regel, indem zerkleinerte, unvergorene Früchte in neutralen Alkohol eingelegt werden, um eine Mazeration in Gang zu setzen. Der Alkohol entzieht dabei die Aromen, und im Anschluss erfolgt die Destillation zu einem Geist. Das Verfahren wird meist dann angewandt, wenn die Früchte – beispielsweise Himbeeren – nicht genug Zucker enthalten, um eine Maischegärung zu ermöglichen.Bei Fruchtbränden hingegen – auch Wässer genannt – erfolgt die Herstellung auf der Grundlage einer Maische. Es ist also genug Zucker enthalten, dass Hefen einen Gärprozess auslösen und den Fruchtzucker in Alkohol umwandeln können. Es entsteht ein Obstwein, der dann wiederum destilliert wird. Am Ende steht im Fall der fassgereiften Brände eine aromatische Abrundung im Holzfass – oft über mehrere Jahre.

Die Fasslagerung erfordert ständige Kontrolle, weiß Brenner Florian Faude.
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Die Fasslagerung erfordert ständige Kontrolle, weiß Brenner Florian Faude.

Veredelung im Fass

Moderne Schnapsbrenner widmen sich mit großer Hingabe ihren Edelbränden. Die Akribie beginnt bereits mit der Auslese des Obstes und der vorgesehenen Obstkonzentration im Brand. Zuweilen stecken in fünf bis zehn Liter Alkohol bis zu hundert Kilogramm Obst. Dann folgt die sorgfältige Beobachtung der Maische, aber auch die Entwicklung des Destillats im Fass muss ständig überprüft werden. Es gleicht einer Kunst, wenn die Ergebnisse die Qualität der Frucht, den Boden und die Region widerspiegeln. Und im Holzfass zu guter Letzt elegant abgerundet werden.
Zuhause bei Christoph Keller
Einer der renommiertesten Künstler an der Brennblase ist Christoph Keller. Ursprünglich verlegte der Mann mit dem markanten Vollbart erfolgreich Kunstbücher, ehe er 2004 unweit des Bodensees einen alten Hof erwarb. Mit dem Hof hatte Keller ein altes Brennrecht erworben, und aus reiner Neugierde begann er 2006 die Apparate in Gang zu -setzen und das Verfahren des Brennvorgangs zu erlernen. Schon seine ersten Resultate wurden mit Medaillen ausgezeichnet, und rasch erregte der Quereinsteiger Aufsehen. Heute gelten seine Stählemühle-Edelbrände als wegweisend und sind hochbegehrt, insbesondere seit er verkündete, dass er sein Projekt 2019 wieder beenden möchte. Kellers fassgereifte Brände sind zugleich köstlich und ungewöhnlich. Den »Berner Rosenapfel im Kastanienfass« widmet er einer seiner liebsten Apfelsorten aus dem Kanton Bern. Der Winterapfel entwickelt als Destillat eine Frucht- und Würze-Intensität, die das pure Produkt kaum vermuten lässt.
Die Reifung in einem Kastanienfass aus dem Spessart fügt subtile Anklänge von Rauch und Karamell hinzu. Besonders stolz ist er auf seinen Pinot Meunier aus dem Limousin-Eichenfass Vieux Reserve. Er betont, dass es sich nicht um einen Weinbrand handelt, sondern um einen wasch-echten Traubenbrand, der vier Jahre lang in einem Fass aus Limousin-Eiche reift.

»Es ist ein kreatives Tool, um neue Geschmackserlebnisse im Dreiklang Frucht, Destillation und Reifung zu kreieren.« Philipp Schladerer, Obstbrenner

Auf dem Holzweg

Die Arbeit von Christoph Keller prägte das wachsende Qualitätsbewusstsein anspruchsvoller Verbraucher und inspirierte zugleich die jungen Brennmeister in Europa. Etwa Florian Faude. 2006, mit gerade einmal 22 Jahren, nahm er seine Brennerei in Baden am Kaiserstuhl in Betrieb. Seine Philosophie: sortenrein, handverlesen, sorgfältig destilliert. Er ist fasziniert von der zusätzlichen Aromakomponente, die das Holzfass dem Brand beifügen kann.
Faude strahlt große Vorfreude aus, denn in wenigen Tagen füllt er seine vier Jahre alte Zwetschge und seinen drei Jahre gereiften Apfelbrand ab. 
»So manche klassischen Brände lassen sich wundervoll durch eine Fassreifung veredeln. Ich denke dabei an Zwetschge und Apfel oder Trester und Weinbrand. Manche andere Brände sind eher filigran und würden durch intensive Holznoten aromatisch eher untergehen.« 
Die Wichtigkeit des Fasses
Holz will sorgfältig behandelt werden, weiß der gelernte Winzer: »Damals wurde mir beigebracht, wie ein Fass sein muss.« Alte Fässer nimmt er genau unter die Lupe, untersucht das Spundloch und prüft die Hygiene im Inneren. Im Laufe der Zeit sammelte er reichlich Erfahrung über die Faktoren, die den Brand im Zusammenhang mit Holz beeinflussen: »Alles wirkt sich unterschiedlich aus: Lagerklima, die Stärke des Alkohols, Füllstand im Fass und natürlich das Fass selbst – Holzart, groß, klein, dicke Dauben, dünne Dauben und natürlich das Toasting, also wie das Fass ausgebrannt wurde.«

 Beim Brennen achtet Christoph Keller (links) auch auf die richtige Obstkonzentration: Aus 100 Kilogramm Obst werden etwa 5–10 Liter Alkohol.© www.berndkammerer.de
© Bernd Kammerer
Beim Brennen achtet Christoph Keller (links) auch auf die richtige Obstkonzentration: Aus 100 Kilogramm Obst werden etwa 5–10 Liter Alkohol.© www.berndkammerer.de

Apfel und Williams

Die verschiedensten Holzarten von Akazie bis Maulbeere kommen zum Einsatz, und der vorangegangene Inhalt kann sich von Armagnac über Sherry bis Sauternes erstrecken. In der Manufaktur Ziegler in Freudenberg am Main reifen die Edeldestillate zunächst in Eichenhölzern und anschließend im Kastanienfass. So auch Zieglers »Alter Apfel«. Er beruht auf der Apfelsorte Grevensteiner aus dem Alten Land und entwickelt in den Fässern eine rassige Kraft und einen langen Abgang, behält aber sein fruchtig-frisches Apfelaroma und seinen zarten Duft.

Spezialitäten aus der Hausbrennerei Schladerer

Die Schwarzwälder Hausbrennerei Schladerer ist mit dem markanten Flaschendesign aus dem Jahr 1932 eine Ikone. Das Haus bietet einige Raritäten, wie die Walliser Williams oder das Zibärtle, eine Wildpflaumenart aus dem Südschwarzwald, und lässt die facettenreichen Spezialitäten zunächst in Eschenholzfässern und danach in Tongebinden reifen. 
In anspruchsvollen Cocktailbars tragen Edelbrände, insbesondere in ihren fassgereiften Varianten, zunehmend zur Trinkkultur bei. Bartender Boris Gröner aus Freiburg liebt die Aromenvielfalt, die ihm unmittelbar vor der Haustür zur Verfügung steht: »Aus ein- und derselben Frucht können verschiedenste Aromen ins Glas gebannt werden. Das Spannendste ist aber, wie gut der Brenner es schafft, den Biss in eine reife Frucht im Destillat wiederzugeben. Diese Aromen bergen sehr viele Möglichkeiten, neue Geschmacksnuancen in Drinks zu verarbeiten. Ich sehe da reichlich Trendpotenzial.«
Gröner wird Ende September seine neue Bar in Freiburg eröffnen, die Brände in den Mittelpunkt rückt. Sicher hat Brenner Christoph Keller, der auch als Kopf hinter dem »Monkey 47 Gin« steckt, Verständnis dafür, dass Gröner empfiehlt, statt eines Gin & Tonic doch einmal einen Williams & Tonic zu probieren.
Was man noch über die Herstellung von Edelbrand wissen sollte:

(aus dem Falstaff Magazin 05/2016)

Peter Eichhorn
Peter Eichhorn
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