Ein süffiges Helles macht in den warmen Sommermonaten noch mehr Spaß als sonst.

Ein süffiges Helles macht in den warmen Sommermonaten noch mehr Spaß als sonst.
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Falstaff-Bier-Trophy 2022: »Helles« gehört zu Deutschlands Lieblingen

Die jährliche Bewertung der besten Biere des Landes ist auch ein Gradmesser für die Trends in Sachen Hopfen und Malz. Das »brave« Helle zeigte bei der Falstaff-Bier-Trophy 2022 ebenso auf wie die Alkoholfreien.

Dass auch Bierstile der Mode unterliegen, ist kaum irgendwo so bekannt wie in der Hopfen-Hochburg Deutschland. Einstige Selbstläufer wie die Berliner Weiße wurden erst durch die jüngste Kreativbrau-Welle der Vergessenheit entrissen und auch Lichtenhainer oder die Leipziger Gose verdanken ihre Renaissance der in den USA entstandenen Craft Beer-Welle. Sie gräbt aber nicht nur nach alten Rezepten, sondern brachte mit dem Referenzbräu aller Hipster, dem tropenfruchtig-hopfigen India Pale Ale (IPA) auch die Technik des Hopfenstopfens zu neuer Blüte. Exzessiv wurden Aromageber wie die »C-Hops« namens Citra, Cascade oder Centennial im Lagertank, also nach dem eigentlichen Würzekochen, zugesetzt. Doch nach einem Jahrzehnt der Aromenhopfen schlägt das Pendel nun in die Gegenrichtung aus – so scheint es zumindest.

Die wiedergeöffnete Gastronomie will keine Biere mit Schönheitspreis und Passionsfrucht-Odeur, die mit ihrer Bitterkeit den Wunsch nach einem zweiten Glas verunmöglichen. Und auch privat war im Lockdown die Süffigkeit wichtiger als eine Diskussion über Mango und Bittereinheiten. Entsprechend oft fanden sich im Falstaff Beer-Cup daher Biere, für die Profis das Zauberwort »drinkability« verwenden. Wörtlich übersetzt ergibt es zwar wenig Sinn, doch die »Trinkbarkeit« ist vor dem Hintergrund der Biermode der vorigen Saisonen zu sehen. Dies betrifft nicht nur den Trend zum Bier als echtem Durstlöscher, sondern setzt sogar der Kategorie zu, die man bisher als dessen Inbegriff ansah: das Lager.

Hopfen, wie hier der Bitburger Siegelhopfen, ist für die Aromenvielfalt von Bieren entscheidend. Insbesondere die Craft-Beer-Welle setzt auf prägnante Aromenhopfen.
© Hardy Welsch
Hopfen, wie hier der Bitburger Siegelhopfen, ist für die Aromenvielfalt von Bieren entscheidend. Insbesondere die Craft-Beer-Welle setzt auf prägnante Aromenhopfen.

Trinkbarkeit statt Tropenfrüchte

Denn der »bierige« Krisengewinner nach Corona heißt »Helles«, wenn man den Zahlen der »Nielsen-Reports« glaubt: Demnach legte das »Hellbier«, wie es die Statistiker nennen, im Vorjahr um satte 14 Prozent im Absatz zu. Mittlerweile hat es zum deutschen Liebling Pils aufgeschlossen – damit ist das »Helle« der zweitmeist gekaufte Bierstil in der Bundesrepublik. Was vor allem verwundert, wenn man die deutsche Bier-Geographie kennt. Denn das »Helle« hatte ab Mitte der 1990er die unangefochtene Vorherrschaft unter den bayerischen Biersorten inne. Mit einem Ausstoß von 25 Prozent an der gesamten Bierproduktion werden jährlich rund 5,7 Millionen Hektoliter im Freistaat erzeugt. »Nicht so prickelnd« allerdings sei das Image dieses leichten Stils außerhalb der weiß-blauen Grenzen gewesen, formuliert es Lothar Ebbertz als Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes klar. Apropos Brauer: Sie stellt das mit hellstem Malz und schwächerer Hopfung kreierte Bier auch vor Herausforderungen. Jeder noch so minimale Braufehler wäre in einem »Hellen« sofort zu schmecken, wo weder ein starker Malzkörper noch ausgeprägte Hopfen-Aromen unerwünschte Einflüsse überdecken können.

Besonders augenfällig wurde die neue Liebe zum leichten Bier, als Werner Brombach, Inhaber von »Erdinger Weißbräu« in diesem Jahr seine zweite Marke (»Fischer’s Stiftungsbräu«) umbenannte, um damit zu expandieren. 30 Jahre nach dem Kauf wurde das »Stiftung Hell« im Frühjahr zum »Erdinger Brauhaus Helles«. Das bislang nur regional vertretene Bier soll nun auch überregional am Trend zum Hellen teilhaben. Erdinger ist dabei nur eine der großen Brauereien im süddeutschen Raum, die diesen Weg geht. Aus der ebenfalls für Weizenbier bekannten Brauerei »Schneider Weiße« stammt als 2022er Neuheit »Schneider’s Helles Landbier«. Der Newcomer konnte sich in der Falstaff-Verkostung mit 90 Punkten auf Anhieb unter den Besten der Kategorie etablieren: »Typgerecht schlanker Körper, unaufdringliche, aber lange anhaltende Bittere, trockener Nachtrunk«, lautet ein Auszug aus der Kostnotiz. Das beschreibt die ganze Kategorie recht gut. Oder man definiert das bayrische Helle so wie Jury-Mitglied »Bierpapst« Conrad Seidl im wahrsten Sinn des Wortes noch knackiger: »Wie eine Semmel, nur eben mit milder Bittere.«

Helles Malz prägen den Geschmack des angesagten »Hell«-Bieres.
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Helles Malz prägen den Geschmack des angesagten »Hell«-Bieres.

Das Abitur der Alkoholfreien

Während sich also das »Helle« als leichtere Lager-Alternative auch außerhalb des Südens etabliert, geht auch anderswo der Weg zur Leichtigkeit weiter. Beachtlich ist nämlich die Entwicklung einer lange als reines Bier-Surrogat verächtlich gemachten Kategorie: Noch nie war das Niveau der alkoholfreien Biere so hoch. Die Kombination aus den bisherigen Methoden – Entalkoholisierung und Gärstopper – wird von immer mehr Brauereien angewandt. Die anerkennenden Worte des österreichischen Brauers Karl Theodor Trojan (»Schremser«) für Störtebekers »Atlantik-Ale« unterstrich das eindrucksvoll: »Ich wäre froh, wenn viele Biere mit Alkohol so eine Balance hätten.«

Doch ehe die Freunde des satten Malz-Geschmacks nun verzweifeln, sei auch auf die andere Seite des Spektrums verwiesen. Denn die Qualität der deutschen Bockbiere, gerne auch mit Fass-Reifung, hat ebenfalls ein neues Niveau erreicht. Mit Spitzennoten für gleich zwei Biere aus dem Einbecker Brauhaus gehen Auszeichnungen für den »Winter-Bock« an die Geburtsstätte des Namens »Bock« – eine schöne Pointe für Bierhistoriker. Noch höher konnte sich die Berliner Brauerei Lemke im Starkbier-Segment etablieren: Sagenhafte 98 Punkte gab es für den »Barley Wine« vom Hacke’schen Markt, der die Jury an »Rum-Pflaumen im Schokomantel« erinnerte. Für intensive Fruchtigkeit ist also gesorgt, auch wenn die Tage der Hopfenexzesse gezählt scheinen. Prost!

Nicht zuletzt die Pandemie zeigte, dass Trinkbarkeit und Süffigkeit Derzeit wichtiger sind als ausgeprägte Hopfen Noten.
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Nicht zuletzt die Pandemie zeigte, dass Trinkbarkeit und Süffigkeit Derzeit wichtiger sind als ausgeprägte Hopfen Noten.

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2022

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Roland Graf
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