Europas neue Pflanzrechte und die Folgen

Die EU wird die Pflanzrechtsregelung im Weinbau nicht weitgehend liberalisieren, damit liefert man sich dem Angriff der Weinbaunationen aus Übersee aus.

Der jetzt im Rahmen der Agrarreform zwischen dem Europäischen Ministerrat und dem Parlament ausgehandelte Kompromiss ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner. Das Europäische Parlament wird darüber nach der Sommerpause abstimmen, wenn die neue Regelung in Form von Gesetzestexten vorliegen wird. Es ist allerdings mit einer Zustimmung zu rechnen. Die neuen Regelungen sollen am 1. Januar 2016 in Kraft treten.

Ein Prozent pro Jahr
Der Kompromiss sieht vor, dass die Mitgliedsländer unter einem weiterhin strengen Regime ihre Anbauflächen für Wein ab 2016 um ein Prozent pro Jahr anheben und neue Pflanzrechte vergeben dürfen. Im Falle Deutschlands wären das rund 1000 Hektar. Die einzelnen Ländern sollen aber das Recht haben diesen Prozentsatz für sich tiefer anzusetzen, allerdings nicht bei Null. Denn auch dies beinhaltet der Kompromiss: Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, zusätzliche Flächen auszuweisen. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf auf die Ausweitung verzichtet werden. Der Schutz der ansässigen Winzer alleine könne kein Grund sein, um weniger Pflanzrechte zu erteilen. Nach den neuen Bestimmungen werden Winzer, die neue Weinberge anlegen wollen, eine Genehmigung der nationalen Behörden benötigen. Sie ist dann jeweils drei Jahre gültig. In dieser Zeit müssen die zusätzlichen Flächen bepflanzt werden.

Übersee-Weinbau im Vormarsch
Betrachtet man diese Regelung im globalen Kontext, dürften mittelfristig die negativen Auswirkungen für die europäische und damit auch die deutsche Weinwirtschaft überwiegen. Die weltweite Rebfläche lag 2011 bei 7,585 Millionen Hektar. Davon entfielen auf die Länder der EU 3,236 Millionen Hektar. Seit 2007 ist diese Fläche etwa durch Rodungen um über 300.000 Hektar zurückgegangen. Gleichzeitig haben Länder wie China, Brasilien, Chile, Argentinien und Südafrika in den vergangenen zehn Jahren rund 130.000 Hektar neue Rebflächen angelegt. Eine Umkehrung dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Vor allem China und Brasilien trachten nach größeren Anteilen am Weltmarkt und schaffen dafür die Grundlagen.

Bislang entfielen 45 Prozent der weltweiten Rebfläche auf die Länder der EU. Jetzt sind es nur noch 43 Prozent. Und es gehört wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass dieser Prozentsatz unter den bis 2030 festgeschriebenen Bedingungen auf 40 Prozent oder darunter sinken wird. Da die Nachfrage nach Wein aber vor allem in Asien und in einigen großen Schwellenländer kräftig steigen wird, befürchtet die Kommission zurecht, dass in diesen Märkten die europäischen Weine ihre Bedeutung verlieren und von Wein aus neuen Anbaugebieten in Amerika, Afrika und Australien verdrängt werden. Diese Entwicklung könne nur gestoppt werden, wenn die EU mehr Wein produziere und auf den Weltmarkt bringe.

Preisdruck droht
Und es besteht noch eine andere Gefahr: Dass nämlich diese Länder danach trachten, Hauptlieferanten des deutschen LEH und der Discounter zu werden und damit die deutschen Winzer unter erheblichen Preisdruck bringen werden. Die deutsche Weinwirtschaft wird im eigenen Land in der Fläche Marktanteile verlieren. Profitieren werden die großen Kellereien und die Importeure.

Text von Mario Scheuermann

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