Einfahrt zum Château Mouton Rothschild

Einfahrt zum Château Mouton Rothschild
© E. Sander

En Primeur 2020: Bordeaux gibt’s billiger

Auch Mouton-Rothschild geht um ein Drittel günstiger in die Kampagne. Mittlerweile sind über 300 Bordeaux 2019 verkostet, bewertet und kostenfrei downloadbar.

Seit einigen Tagen bombardieren Weinhändler ihre Kunden mit den ersten Offerten für Bordeaux-Subskriptionen und nach einer Woche lässt sich bereits ein klarer Trend erkennen: im Vergleich zum Vorjahr mit dem sehr guten Jahrgang 2018 liegen die Preise diesmal um einiges niedriger. Nicht dass die Qualität nicht passen würde – ganz im Gegenteil, und wohl auch nicht weil die Weingüter endlich zur Einsicht gekommen sind, dass sie des schon die längste Zeit mit den Preisen übertrieben hätten.

Vielmehr ist es der lahmende Weinmarkt, der den noblen Herren in der Gironde zur Gewissheit verholfen hat, dass es an der Zeit ist, dem Bordeaux-Publikum eine wirksame Stimulanz zu verabreichen, um es so für den En Primeur-Kauf zu interessieren. Interessanterweise haben zwei Publikumslieblinge den Anfang gemacht, Pontet-Canet preschte vor und hat den Preis ex-Bordeaux um 31% gesenkt. Innerhalb weniger als drei Stunden war der Wein umgeschlagen.

Es folgte mit Château Palmer aus Margaux das nächste Weingut mit biodynamischer Tendenz, zum etwa dreifachen Preis von Pontet-Canet, aber mit einem um 33 Prozent niedrigeren Preis im Vergleich zum Vorjahr.

Über 300 Bewertungen

Schnell haben sich bereits zwei der vier Premier Grands Crus A in St. Emilion herausgewagt, wobei Château Cheval Blanc mit einem Abschlag von 30 Prozent klar im Trend liegt (Subskriptionspreis inkl. Mwst. ca. € 500,-), der Aufsteiger Angélus nur knapp 9% unter dem Vorjahr ansetzt und bei einem Preis von 320,- weniger attraktiv ins Rennen um die Käufer geht.

Château Lafite-Rothschild hat fürs Erste einmal 50 Prozent seiner Qualität in den En Primeur-Markt gesetzt, der Preis ist mit rund € 570,- attraktiv, im Moment wird der Wein zu diesem Geld aber nur den allerbesten Kunden verkauft, die Händler warten hier auf eine zweite Tranche, die wohl teurer sein könnte um dann eine Mischkalkulation zu machen.

Am Montag (9.6.) brachte Mouton-Rothschild den Handel zur Verzweiflung, als man den tollen Grand Vin (99 Falstaff-Punkte) um 30 Prozent günstiger herausbrachte und zugleich bekannt gab, dass man zunächst nur 20 Prozent der Menge anbieten werde.

Falstaff Wein Chefredakteur Peter Moser hat mittlerweile über 300 Bordeaux aus dem Jahr 2019 verkostet, beschrieben und bewertet. Falstaff bietet sie als kostenfreien Service zum Gratis-Download an:

BEWERTUNGEN DOWNLOADEN

Ein Vergleich mit der Kampagne 2008 bietet sich an: damals sind die Premiers ebenfalls recht früh mit gesenkten Preisen in den Markt eingestiegen, und haben den anderen Weingütern den Weg gewiesen. Damals hat es funktioniert: alle haben profitiert. Wer damals die richtigen Weine subskribierte, hat einen guten Schnitt gemacht.

Im Moment fehlen jenen Weingütern die sich noch nicht aufs Parkett gewagt haben, auch noch die Punktebewertungen von vielen wichtigen Juroren, Lisa Perrotti-Brown hat für The Wine Advocate (Parker) aktuell erst 16 Weine bewertet, die man ihr in die USA geschickt hat. Deren Präsident hat zwar die Zölle auf französische Weine wieder von 100 auf »nur« 25 Prozent gesenkt, der Vorteil, der dem amerikanischen Weinfreund durch die Preissenkungen entstanden wäre, ist dennoch perdu. 

Kollegin Anson vom Decanter ist da schon fleißiger gewesen, sie sitzt direkt in Bordeaux und hat Zugriff auf jene Weine, die nicht als Muster versandt wurden. Allerdings ist auch der Markt in Großbritannien durch den Brexit und seine Folgen momentan auch nicht der Bordeaux-Markt mit der größten Fantasie.

Aus Asien, woher in den letzten Jahren stets einige tausende Vertreter des Weinbusiness zu den En Primeur-Proben nach Bordeaux kamen und dort dem Kaiser von China gleich hofiert wurden, ist durch COVID und Weltwirtschaftskrise auch der große Durst vergangen, spätestens nachdem die aktuelle Führung die sündhaft teuren Weinen auch als potenzielle Bestechungsmittel klassifiziert hat.

Europa als Hoffnungsmarkt

Bleibt der Rest Europas: und so rücken die Schweiz, Deutschland und auch Österreich durchaus stärker in den Fokus der Bordelaiser: die aufgeschobene En Primeur-Probe der Union des Grands Crus de Bordeaux wird nun direkt bei den Kunden in spe abgehalten: am 22. Juni in Zürich, eine Woche später auch in Frankfurt. Man kommt also dem Markt entgegen.

Aber vergessen wir nicht: Subskriptionskauf ist ein Spiel mit der Zeit. Die aktuellen Weine werden im Herbst 2022 ausgeliefert. Da kann sich noch viel tun. Aus aktueller Sicht der Dinge lautet die Einschätzung: 2019 kann man durchaus kaufen. Und es wird sich für den Käufer auch wieder einmal lohnen. Eile ist aber nur bei Weinen geboten, die sehr limitiert sind oder bei solchen die man sich unbedingt sicher möchte.

Klar ist aber: es wird im Bereich der 20 bis 50 Euro-Liga ganz tolle Schnäppchen geben, und auch einige der Klassiker unter den Grands Crus werden zu sehr verlockenden Preisen zu haben sein. Und zwar in so gut wie allen Appellationen.

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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