Eleganz aus Franken: Riesling mit Mainblick

Bei Riesling denkt man an Rhein und Mosel. Doch auch am Main wachsen Riesling-Originale.

Robert Haller ist viel herumgekommen in der Welt des Weins: Pfalz, Rheingau, Toskana. Der Weingutsdirektor des ehrwürdigen Würzburger Bürgerspitals steht nicht im Verdacht, provinziell oder engstirnig zu denken. Aber manchmal überkommt ihn trotzdem das Bedürfnis, auf den Tisch zu hauen und eine Lanze für Franken zu brechen: »Letztes Jahr, nach der Präsentation der Rieslinge aus dem reifen 2012er Jahrgang, haben alle Zeitungen die Weine von der Mosel, aus dem Rheingau und der Pfalz hochgelobt. Da habe ich beim Lesen immer wieder den Kopf geschüttelt und mir gesagt: Leute, ihr habt ein wichtiges Anbaugebiet vergessen!«

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Franken natürlich. Mit den Weinen des Bürgerspitals macht Haller vor, dass der Riesling auch in Franken kein Stiefkind sein muss – selbst wenn der Silvaner die Nummer eins am Main bleibt. Doch schon immer hat der Riesling einige der besten Lagen Frankens für sich eingenommen. Und gerade Hallers Vorbild hat eine stilistische Revolution angestoßen: weg von klobig-breiten Weinen mit derber Säure, hin zum Spiel und zur Eleganz – durch Vergärung im großen Holzfass, wenn möglich spontan. Und mit einem Rebbau, der nicht mehr um jeden Preis den höchsten Reifegrad sucht, sondern vor allem den Ausdruck des Lagencharakters.

Robert Haller erzeugt im Würzburger Bürgerspital puristischen Riesling mit Tiefgang und Schliff. / Foto beigestellt

Fränkische Eigenart
Warum Franken als Riesling-Herkunft seit Langem unterschätzt wird, ist leicht zu erklären. Es liegt daran, dass sich die fränkischen Vertreter der Sorte markant von den   gewöhnlichen Geschmacksmustern unterscheiden. An der Mosel und im Rheingau wachsen die besten Riesling-Weine auf Schiefer. Zudem beruht ihr Ruf – ganz besonders im internationalen Maßstab – auf fruchtigen Spätlesen und edelsüßen Prädikaten. Franken hingegen hat in all diesen Punkten eine ganz andere Wein-Identität: Süße Weine haben hier nur wenig Tradition, und außer bei Michelbach ganz im Nordwesten Frankens, an der Grenze zum Rheingau, gibt es nirgends Schiefer. Stattdessen dominiert eine Dreiheit von Gesteinen aus dem erdgeschichtlichen Zeitalter der Trias. Damals, vor rund 250 bis 200 Millionen Jahren, lag das heutige Franken unter einem Flachmeer, das immer wieder trockenfiel und erneut überspült wurde. So bildeten sich nach und nach Sedimente: zuerst Buntsandstein, dann Muschelkalk und Keuper. Im tiefstgelegenen Teil Frankens, mainabwärts bei Bürgstadt und Klingenberg, tritt heute der Buntsandstein zutage, eine Stufe höher bei Würzburg und Escherndorf ist es der Muschelkalk, und im Steigerwald, dessen Weinberge bis auf 400 Meter hinauf wachsen, stehen die Reben auf Keuper. Den drei Trias-Böden entsprechen drei Riesling-Prototypen: feingliedrig mit Kern diejenigen vom Sandstein, rauchig im Duft und körperreich diejenigen vom Muschelkalk, kräuterwürzig und seidig-voluminös diejenigen vom Keuper.

Spitzenlage Lump im Ort Escherndorf: Spitzen-Riesling von trocken bis edelsüß. / Foto beigestellt

Dem Riesling von allen drei Bodentypen ist überdies eine ungewöhnliche Reifebeständigkeit zueigen – eine Eigenschaft, die man gerade bei trocken ausgebautem Riesling nicht häufig findet. Sebastian Fürst hat eine kleine Batterie von Flaschen im geräumigen Verkostungsraum im Obergeschoss des Kelterhauses aufgebaut: Neben den Weinen des aktuellen Jahrgangs stehen auch Flaschen des Rieslings Centgrafenberg von 2009, von 2003 und von 1999 auf dem Tisch. »Vom Silvaner könnten wir sicher das Doppelte dessen verkaufen, was wir produzieren«, berichtet der Juniorchef der Familien-GbR erfreut. »Doch das ist noch gar nichts im Vergleich dazu, was momentan international beim Riesling passiert.« Importeure aus aller Welt, die ursprünglich vor allem des Spätburgunders wegen nach Bürgstadt gekommen waren, reißen sich nun um die wenigen Flaschen Riesling. Probiert man die älteren Jahrgänge, ist man versucht, das Sprichwort vom »Propheten im eigenen Land« zu zitieren: Das Ausland hat schon verstanden, nur in Deutschland zeigt manch einer dem Franken-Riesling  (noch) die kalte Schulter. Dabei probiert sich das noch ganz verschlossene Große Gewächs des Jahrgangs 2009 verheißungsvoll stoffig, der »R« aus dem Hitzejahrgang 2003 duftet betörend nach Rosmarin und Melisse und schmeckt erstaunlich frisch, während den 1999er eine geradezu moselhafte Würze mit kräftiger Salzigkeit auszeichnet.

Horst Sauer ist berühmt für edelsüßen Riesling – Tochter Sandra tritt in seine Fußstapfen. / Foto beigestellt

Potenzial für Entdeckungen
Die Berechtigung des »fränkisch« trockenen Ausbaus (mit einem Restzucker nahe null Gramm) wird beim Riesling naturgemäß besonders leidenschaftlich diskutiert. Während etwa Robert Haller den Ehrgeiz hat, »puristische« Weine wie das Große Gewächs aus der Stein-Harfe mit nur einem Gramm Restzucker zu keltern, bevorzugen andere etablierte Riesling-Spezialisten – etwa Horst Sauer, Hans Ruck oder eben die Fürsts – einen höheren Restzuckerwert zwischen fünf und sechs Gramm pro Liter.

Iphöfer Riesling mit stilistischen Saar-Anleihen: Andrea (l.) und Lena Wirschings »Sister Act«. / Foto beigestellt

Noch mal anders positioniert sich die junge Garde: Paul Weltner, Christian Stahl und Bastian Hamdorf vom Weingut Fürst Löwenstein füllen ihre Weine mit zwei bis vier Gramm Restsüße ab. Andrea Wirsching wiederum, die es nach Jahren an der Saar zurück nach Iphofen zog, hat eine unauslöschliche Begeisterung für das rassige Spiel der Saar-Weine mit nach Hause gebracht. Kein Wunder, dass der »Sister Act«, den sie gemeinsam mit ihrer Schwester Lena als neue Linie im Hause Wirsching erzeugt, den Süßespielraum mit acht Gramm reichlich ausschöpft. Mit Nerv und Mineralität schafft der Wein indes einen Spannungsbogen, der durchaus an Saar und Mosel erinnert, wenngleich mit Steigerwälder Ausdruck. Einen vergleichbar finessenreichen Umgang mit Süße und Säure zeigte in der Falstaff-Probe auch der Wein des 35-jährigen Tobias Weickert vom Zehnthof in Sommerach. Die ältesten Reben des Familienbetriebs haben zwar nur Anrecht auf eine Großlagenbezeichnung – Volkacher Kirchberg –, und häufig ist aus solchen Lagen kaum mehr als ein Literwein zu holen. Anders jedoch bei Weickert: »Die Stelle dort in Obervolkach, wo unsere 50-jährigen Reben stehen, bringt fast jedes Jahr 100 Oechsle«, sagt der junge Winzer. Eindeutig: Es gibt noch viele Schätze zu heben in Franken. Gerade auch beim Riesling.

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Text von Ulrich Sautter aus Falstaff Deutschland 02/15

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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