Andreas Caminada ist einer von denen, die der Branche etwas zurückgeben wollen.

Andreas Caminada ist einer von denen, die der Branche etwas zurückgeben wollen.
© V. Hoegger

Ein Mann, ein Wort

Die Nachwuchsproblematik ist präsenter denn je. Viele lamentieren, nur wenige handeln. Mit Erfolg – die ­Stipendiaten seiner Stiftung Fundaziun Uccelin werden noch während der Praktika abgeworben.

Die Frage brennt, ob die derzeitigen Ausbildungen noch den Ansprüchen der heutigen Gastronomie gerecht werden und für den Nachwuchs noch attraktiv sind. Die Branche diskutiert über den erschreckenden Abwärtstrend, der ungebrochen scheint. Denn nach Angaben der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) befanden sich 2007 knapp 15.000 Lehrlinge in der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in einer aktiven Lehre. 2016 nur noch knapp 9000. In Deutschland spiegeln die Zahlen die gleiche Entwicklung wider: Laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fasste die Sparte Hotel und Gaststätten im Jahr 2013 noch 63.048 aktive Ausbildungsverträge, 2016 nur noch 53.963. Und auch in der Schweiz gehen die Zahlen bergab: Während laut Bundesamt für Statistik, Sektion Bildungsprozesse, 2009 noch knapp 10.000 aufrechte Lehrverträge im Gastgewerbe bestanden, waren es 2015 nur noch 8266. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat Falstaff KARRIERE 2015 die Nachwuchsförderungsreihe Falstaff Young Talents Cup ins Leben gerufen. Neben der Möglichkeit, im Wettbewerb sein Können unter Beweis zu stellen, können die jungen Talente an Workshops und Trainings teilnehmen. Motivation und die Sensibilisierung für neue, spannende Themen sind das Ziel. Auch Andreas Caminada gehört zu denjenigen, die nicht nur reden, sondern zur Tat schreiten. »Wir möchten der Branche etwas zurückgeben«, wirft Andreas Caminada ein. »Es gibt talentierte junge Leute, die viel lernen, sehen und erleben möchten.« Aus diesem Grund hat der Schweizer 2015 die Stiftung Fundaziun Uccelin mit dem Zweck der individuellen Förderung einzelner Koch- und Servicetalente ins Leben gerufen. »Der Rückhalt, den wir durch unsere Stiftung bieten, soll ihnen den Weg dazu ebnen, Einblick in die weltweite kulinarische Vielfalt zu bekommen, damit die Qualität dieses wunderbaren Handwerks nachhaltig gesichert werden kann.« Eine Lücke, die es nach der Grundausbildung zu schließen gilt. Eine Initiative und Grundeinstellung, die imponieren und genau den Nerv der Zeit treffen.

Die Welt braucht Vorbilder, keine leeren Worte

Seit Jahren gehen unzählige Bewerbungen in das Schloss Schauenstein, welches Caminada seit 2003 als Pächter und Chef de Cuisine führt, ein. Der Wunsch vieler ist es, eine  Stage zu absolvieren. Nicht nur der klingende Name des Sternekochs in der Vita zählt, sondern auch die hautnahe Zusammenarbeit in der ersten Reihe. »Wir hatten immer wieder das Problem, dass junge Menschen bestimmte Erwartungen hatten, denen die wenigsten Betriebe gerecht werden konnten.« Irgendwann wollte der 3-Sterne-Koch nicht mehr über die Problematiken des Nachwuchses reden, sondern handeln. Die Conclusio der langen Überlegungen und Recherchen war ein eigenes Ausbildungsprogramm für Koch- und Servicetalente. Wer den Bewerbungsprozess erfolgreich besteht, kann in dem 20-wöchigen Programm aus einer Auswahl von namhaften Köchen, Betrieben und Produzenten wählen und dort in Ausbildung gehen. Dazu zählen unter anderem Heinz Reitbauer (Restaurant »Steirer­eck« in Wien), Virgilio Martínez (Restaurant »Central« in Lima), Dan Barber (»Blue Hill« at Stone Barns, New York), ­Joachim Wissler (Restaurant »Vendôme« in Bergisch-Gladbach), Massimo Bottura (»Osteria Francescana« in Modena) oder Jonnie Boer (»De Librije« in Zwolle), um nur einige wenige zu nennen. Einige der aktuellen ­Stipendiaten waren 2017 bereits bei Daniel Humm im »Eleven Madison Park« in New York City. Unglaubliche Möglichkeiten und unvergessliche Momente. Denn die Stiftung übernimmt nicht nur alle Kosten, sondern auch alle rechtlichen Abwicklungen wie die der Visa. Der Unterschied zu einer üblichen Stage ist neben der Abwicklung und Organisation, die von der Fundaziun Uccelin durchgeführt wird, die Sicherstellung, dass die Ausbildungsinhalte eingehalten werden und der Stipendiat nicht ausschließlich zum Kartoffelschälen eingeteilt wird.

Mentoring: Die Fürsorge für das Team und die Stipendiaten hat oberste Priorität.
© Schloss Schauenstein
Mentoring: Die Fürsorge für das Team und die Stipendiaten hat oberste Priorität.

Ohne Fleiß kein Preis

Verpflichtungen der Stipendiaten neben einer umfangreichen Bewerbung sind unter anderem die Führung eines Tagebuchs, wöchentliche Berichterstattungen und ein 20-seitiger Schlussbericht. Arbeit statt Vergnügen?  Der 40-Jährige gibt zu Bedenken: »Wir verlieren so viele junge Talente, weil wir uns nicht die Zeit nehmen, sie zu fördern. Natürlich ist dies für alle Seiten mit Arbeit verbunden, aber auch mit unglaublichen Chancen. Schließlich motivieren und schulen wir unsere zukünftigen Top Mitarbeiter.« Zwischen dem Bildungssystem und dem Schritt in die Arbeitswelt bestehen Lücken, die für Caminada eine zu bereinigende Problematik darstellen. »Erfolg kommt nicht nur von Zufällen oder Glück. Ein Mentor beziehungsweise Menschen, die dich auf deinem Weg begleiten, sind essenziell.« Und so blickt der Schweizer selbst mit gerade einmal 40 Jahren auf unzählige Auszeichnungen, erfolgreiche Projekte und eigene Publikationen wie sein Bookazine zurück. »Ohne Unterstützung und gute Ratgeber ist so ein Weg nicht möglich.«

Der Kampf um den Nachwuchs

Caminada betrachtet nüchtern die Zahl der Anmeldungen im ersten Jahr: »Wir haben sehr gute Bewerbungen erhalten. Dennoch dachten wir, dass wir bei dem gebotenen Programm überflutet werden.« Die Branche schlägt Alarm und versucht nun, das jahrzehntelang propagierte schlechte Image der Kochzunft wieder ins rechte Licht zu rücken. Köche müssen nur kochen können? Ganz im Gegenteil – der Beruf ist abwechslungsreich und herausfordernd: Mathematische Kenntnisse sind Pflicht, um Rezepturen korrekt zu berechnen, neben Kreativität sind vor allem Fachwissen und Organisationsmanagement gefragt. »Wir müssen die Leidenschaft jedes Einzelnen wieder entfachen. Dies braucht Zeit und Engagement, damit wir den jungen Menschen das besondere Potenzial für den eigenen Karriereweg aufzeigen.« Wie positiv sich das Stiftungsprogramm entwickelt, geben das deutlich gestiegene Interesse und die Förderer der Praktikumsplätze wieder: »Nun haben wir das Problem, dass unsere Stipendiaten noch während des Aufenthalts abgeworben werden«, lacht Caminada. Auch wenn man sich wünscht, dass die jungen Stipendiaten im eigenen Land bleiben, ist dies genau die Zielerreichung der Stiftung: die Motiva­tion der jungen Menschen, einhergehend mit dem Ausbau des bereits bestehenden Fachwissens und die Aneignung von unerlässlichen Social Skills.

www.andreascaminada.com
www.schauenstein.ch
www.uccelin.com

Leidenschaft: Caminada liebt die Arbeit in seiner Schlossküche in Fürstenau.
© Schloss Schauenstein
Leidenschaft: Caminada liebt die Arbeit in seiner Schlossküche in Fürstenau.

Andreas Caminada

Geburtsjahr und -ort: 1977, Ilanz/Glion, Schweiz

Restaurants:
»Schauenstein Schloss Restaurant Hotel« in Fürstenau, im März 2012 ­eröffnete Caminada die »Remisa – La Tavlada«, 3-Sterne-Catering »acasa«, »IGNIV by Andreas Caminada« im »Grand Resort Bad Ragaz« und im »Badrutt’s Palace-Hotel« in St. Moritz

Auszeichnungen:
3-Michelin-Sterne, Platz 72 bei  »The World’s 50-Best-Restaurants«, Eckart-Witzigmann-Preis für »Große ­Kochkunst«, Koch des Jahres u. v. m.

Fundaziun Uccelin

Gründung: 2015

Ziel: die individuelle Förderung ­einzelner handwerklicher Talente und die Möglichkeit, das jeweilige Können weiter fortzubilden.

Stiftungsrat: Andreas Caminada (Stiftungspräsident), Tanja Grandits (Restaurant »Stucki« in Basel), Rolf Sachs (Schweizer Künstler, Designer & Fotograf), Hans Peter Strebel (Unternehmer)
Artikel aus »Falstaff KARRIERE« 04/2017

Alexandra Gorsche
Alexandra Gorsche
Herausgeberin Profi
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