Hier wachsen die Reben vom »Winzer 2017« Konrad Salwey.

Hier wachsen die Reben vom »Winzer 2017« Konrad Salwey.
© Helmuth Scham

Ein kühner Erneuerer: Konrad Salwey

Immer Burgunder, immer trocken: Mit dieser unverwechselbaren stilistischen Handschrift wurde Konrad Salwey zum Falstaff Winzer des Jahres 2017 gewählt.

Wo heute der Kaiserstuhl liegt, war vor 20 Millionen Jahren einiges los: Denn zwischen Vogesen und Schwarzwald hatte sich der Rheingraben gebildet, und in einer Spalte des Grabenbruchs stieg Magma aus dem Erdinneren auf. Ein paar Millionen Jahre spuckte der Vulkan Feuer. Was von ihm nach weiteren 12 Millionen Jahren übrigblieb, ragt heute 250 Meter aus der Rheinebene empor: ein Eldorado für Reben. Schwer und voller Glut sei der Kaiserstühler Wein, sagt man, die Kulmination des sonnigen Badnerlands: heißblütig einerseits, mit geradezu mediterranem Touch, aber auch urbadisch in seiner gemütlichen, gutmütigen Behäbigkeit. 

Ganz weit vorne

Konrad Salwey (43) aus Oberrotweil am Kaiserstuhl ist Falstaff Winzer des Jahres 2017.
© Helmuth Scham
Konrad Salwey (43) aus Oberrotweil am Kaiserstuhl ist Falstaff Winzer des Jahres 2017.

In früheren Jahrzehnten verlieh ein solcher Weinstil dem Kaiserstuhl Alleinstellung. Doch mit dem Voranschreiten der globalen Erwärmung verkehrte sich dieser Vorteil in einen Malus: Exzessive Alkoholgehalte und pappige Süßspitzen machten – und machen – viele Kaiserstühler Weine zu Karikaturen ihrer selbst. In diese stilistische Landschaft eines überlebten, aber noch nicht überwundenen Ideals platzten vor etwa zehn Jahren Konrad Salweys Weißweine wie Geschöpfe von einem anderen Planeten: mit einem kühnen, verstörenden Purismus. Mit einer bissigen Mineralität, einer straffen Frische und einer präzisen Bündelung, die inzwischen weit über den Kaiserstuhl hinaus den Weg weist zu einem terroirverwurzelten deutschen Burgunderstil. Dass Salwey von der Falstaff-Jury mit großem Vorsprung zum Winzer des Jahres 2017 erkoren wurde, sagt viel über die Stellung aus, die der 43-Jährige inzwischen erreicht hat – weit über Baden hinaus.

Rückblickend

Solche stilistische Reife kommt natürlich nicht von ungefähr. Salwey nennt fast ein halbes Dutzend von Stationen, die ausschlaggebend für die Bildung seiner handwerklichen Fähigkeiten und seines visionären Stilempfindens waren. »Zuerst, ganz klar, Wirsching in Iphofen. Da durfte ich im dritten Lehrjahr unter Aufsicht des Kellermeisters schon alles machen. Danach war ich ein halbes Jahr bei Michel Jaillot in Mercurey an der Côte Chalonnaise in Burgund, und das über den Herbst. Dort habe ich alles auf eine Weise zu machen gelernt, wie es bei uns nicht üblich ist, mit minimaler Technik. Maische stampfen, überschwallen, schöpfen. Das Sommerhalbjahr darauf war ich bei Zind Humbrecht im Elsass, vor allem im Weinberg.

Die Vulkangesteinslage Oberrotweiler Kirchberg ist der Edelstein unter den Grands Crus des Weinguts.
© Helmuth Scham
Die Vulkangesteinslage Oberrotweiler Kirchberg ist der Edelstein unter den Grands Crus des Weinguts.

Alexandre Guth, der Außenbetriebsleiter, hat mich unter die Fittiche genommen. Ich war bei der Bundeswehr bei den Gebirgsjägern und er bei den Chasseurs alpins, da haben wir immer Wettrennen im Weinberg veranstaltet, zum Beispiel wer schneller mit Gipfeln fertig ist«, erzählt Salwey. »Und was ich bei den Humbrechts auch gelernt habe«, ergänzt er, »ist, wie faszinierend Weine schmecken können, die nicht marktkonform sind. Zum Mittagessen gab es manchmal Weine, die auf der Flasche nachgegoren hatten – speziell an einen Muskateller aus einer Grand-Cru-Lage erinnere ich mich. Großartig!«

Erste Experimente

Nach dem Studium in Geisenheim (»Das ging vor allem über die Leber«) absolvierte Salwey sein Diplomsemester beim Weingut Müller-Catoir, unter dem legendären Hans-Günter Schwarz. Die erste Lese zu Hause absolvierte er im Herbst 2002 an der Seite seines Vaters Wolf Dietrich, der ihm die Verantwortung für die Weißweine überließ.

Das Weingut produziert nur noch drei Sorten: Weiß-, Grau- und Spätburgunder.
© Helmuth Scham
Das Weingut produziert nur noch drei Sorten: Weiß-, Grau- und Spätburgunder.

2003 übernahm Konrad Salwey auch die Leitung im Außenbetrieb, vor der Lese 2004 holte er sich nochmals zusätzliche Rotwein-Erfahrung bei Christophe Perrot-Minot in Morey-Saint-Denis in Burgund, um dann zu Hause auch die Roten zu bereiten. »Und der erste Pinot ging gleich daneben«, erzählt -Salwey – und die Souveränität, mit der er den gewiss bitteren Moment schildert, ist bemerkenswert. »Die Trauben vom Eichberg sollten eine Kaltstandzeit machen, dann fing der Bottich aber schon nach anderthalb Tagen an zu gären und blieb schließlich bei 12,5 Gramm Restzucker stecken. Meine erste Tat zu Hause war also ein Spätburgunder halbtrocken.« In den Barriques baute der Wein den Zucker zwar ab, doch Wolf Salwey zog die Bereitung der Rotweine daraufhin wieder an sich – und behielt sie bis zum Jahrgang 2009.

Ein verbotenes großes Gewächs

Der Jahrgang 2008 brachte einen weiteren Wein, an dem sich die Geister schieden. Den Grauburgunder aus der GG-Lage Henkenberg ließ Salwey vor der Gärung eine ganze Woche kalt mazerieren. Nach der Abfüllung zeigte der Wein im Herbst 2010 eine rotgoldene Farbe bei extrem verschlossenem Duft, praller Extrakt setzte den Gaumen bei kräftiger Tanninkomponente unter Spannung. Heute würde eine solche Kelterung vielleicht nicht mehr irritieren. 2010 jedoch fassten zwei unterschiedliche Prüfinstanzen den Wein unisono als Affront auf: Die Qualitätsweinprüfung verweigerte ihm die amtliche Prüfungsnummer, und der VDP attestierte ihm, untauglich für die Bezeichnung »Großes Gewächs« zu sein. »Das war eine absolute Niederlage«, sagt Salwey, »aber vielleicht kam der Wein einfach fünf Jahre zu früh.«

Von der Niederlage zum Triumph

Sind Salweys Weine inzwischen weniger radikal? Wohl kaum. Doch mit zunehmender Flaschenreife seiner älteren Weine wird deutlich, wie recht er mit dem hat, was er tut. Etwa wenn er dafür plädiert, die Trauben für die Großen Gewächse so früh wie möglich zu lesen. Bei einer Jahresproduktion von 50.000 Flaschen GG spricht Salwey dabei nicht über eine Nische, sondern über sein Schlüsselprodukt: »Lage braucht den Alkohol nicht. In der Champagne wird der Pinot noir bei einem potenziellen Alkohol von nur zehn Volumenprozent gelesen. Und fehlt es ihm an Frucht? Nein!« Frankreich und Deutschland ist eine der Balancen, die Salwey ausmisst. »Wenn ich an meine Zeit bei den Juillots denke, wie man da schon beim Casse-Croûte den Moment mit einem Glas Rotwein gefeiert hat … Und mittags hat die Seniorchefin gekocht: eingelegte Schweinsfüße, Salat mit Hahnenkämmen. Dazu gab es Weine blind, da musste man sich anstrengen – natürlich lag ich meist daneben.«

Die renovierte Probierstube des Weinguts im Ortskern von Oberrotweil.
© Helmuth Scham
Die renovierte Probierstube des Weinguts im Ortskern von Oberrotweil.

Da ist er wieder, Salweys souveräner Umgang mit dem Irrtum: Diesen auszuhalten und sich von ihm berühren zu lassen, ohne an ihm zu verzagen, das ist nur jenen Großen beschieden, die es ernst meinen mit ihrem Tun. Konrad Salwey ist einer von ihnen.

INFO

Weingut Salwey
Hauptstraße 2
79235 Oberrotweil
Baden-Württemberg
weingut@salwey.de
www.salwey.de

Aus dem Falstaff Magazin Nr. 02/2017.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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