Die Saisonarbeitskräfte in den Weinbergen kommen nicht selten aus Osteuropa – mit Corona sind aber die Grenzen momentan dicht.

Die Saisonarbeitskräfte in den Weinbergen kommen nicht selten aus Osteuropa – mit Corona sind aber die Grenzen momentan dicht.
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Dringend gesucht: Saisonarbeitskräfte

Mit der Corona-Krise steht die deutsche Landwirtschaft plötzlich ohne einen Großteil ihrer Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland da. Noch aber zeigt sich der Weinbau optimistisch.

Verlassene Spargelfelder, Wildwuchs im Weinberg – auch in der Landwirtschaft beschwört die Corona-Krise Schreckensszenarien herauf. Denn die meisten Staaten Europas haben inzwischen ihre Grenzen geschlossen – und das behindert nicht nur den freien Warenverkehr, sondern auch die Einreise dringend benötigter osteuropäischer Saisonarbeitskräfte.

Dabei wächst nun mit dem Erwachen der Natur auch der Bedarf an Hilfstätigkeiten. Nach dem milden Winter stehen die Reben in den Startblöcken für einen frühen Austrieb. Geschnitten sind sie zwar schon, doch nun heißt es, die Ruten zu biegen und an den Drahtanlagen anzubinden. Diese mühselige Handarbeit wird typischerweise von Hilfkräften aus Polen oder Rumänien erledigt. Wenn sie fehlen, ist das keine Bagatelle: Bedenkt man, dass auf einem Hektar zwischen 3000 und 10.000 Rebstöcke stehen und dass pro Stock in der Regel zwei Ruten zu binden sind, dann erkennt man rasch, vor welch gewaltigem Arbeitsaufkommen vor allem größere Betriebe stehen.

Einige Hilfskräfte sind schon da

Mit 135 Hektar ist das Weingut des Markgrafen von Baden eines der größten hierzulande – und könnte also von einem Arbeitskräftemangel besonders betroffen sein. Doch Betriebsleiter Volker Faust kann zumindest für den Moment vorsichtig Entwarnung geben: »Momentan haben wir in unserem Weingut noch Saisonarbeitskräfte, die schon vor der Eskalation der Corona-Krise zu uns gekommen waren. Nun bleiben sie sogar länger als anfangs geplant, denn sie befürchten, zuhause in Polen in Quarantäne zu müssen. Daher bleiben sie hier und arbeiten weiterhin für uns. Natürlich versorgen wir unsere Leute bestens in ihren Unterkünften mit allem was im Umgang mit dem Virus wichtig und nötig ist.«

Von der Gastronomie in die Landwirtschaft

Zudem, so Faust weiter, erreichten ihn vor allem für die Rebflächen am Bodensee vermehrt Anfragen von Arbeitssuchenden, die üblicherweise in der Gastronomie tätig sind, dort aber momentan keine Beschäftigung haben.

Auch Michael Burgdorf von den Weingütern Wegeler (45 ha im Rheingau und 13 ha an der Mosel) sieht momentan noch keinen Engpass: »Unsere Mannschaft an polnischen Kollegen ist derzeit guter Dinge und bleibt bis Ostern. Dann sind die anstehenden Arbeiten erstmal erledigt und unsere Kollegen fahren wie üblich nach Hause. Für den Sommer stellen wir uns gerade neu auf. Da bin ich aber guten Mutes!«

Sorge bei Markus Molitor

Etwas weniger optimistisch schätzt Markus Molitor (120 ha) die Lage ein: »Ich brauche im Sommer 80 Leute. Und zwar Leute, die richtig Druck machen können im Steilhang.« Molitor befürchtet, dass viele polnische Hilfskräfte, die zu Ostern in ihre Heimat reisen, dann nicht mehr zurück kommen. »Wenn die nach der Einreise aus Deutschland erst einmal zu Hause zwei Wochen in Quarantäne waren, dann nehmen die es nicht auch noch in Kauf, nochmal zwei Wochen bei der Wiedereinreise nach Deutschland in Quarantäne zu gehen.«

Heftmaschinen als Backup

Ähnliche Sorgen hat auch Dieter Greiner von den Hessischen Staatsweingütern Kloster Eberbach: »Ich habe heute morgen um acht Uhr noch schnell zwei Heftmaschinen gekauft«, berichtet er. Die annähernd 240 Hektar des namhaften Weinguts mit Rebflächen im Rheingau und an der Hessischen Bergstraße gestatten es nicht, ein Risiko einzugehen. Zumindest in den Lagen geringerer Hangneigung ist Mechanisierung eine Alternative: Sollte es für die Laubarbeiten später im Jahr nicht genügend Arbeitskräfte geben, wird das Laub dort maschinell in die Drahtrahmen eingeflochten.

Familienbetriebe kompensieren mit Eigenleistung

Am besten scheinen Familienbetriebe mit durchschnittlicher Größe die Unklarheit um ihre Saisonarbeitskräfte zu verkraften: »Es ist im Moment wirklich schön, zu den kleineren Betrieben zu gehören, wo noch viel über Eigenleistung kompensiert werden kann«, sagt Edeltraud Ziereisen vom gleichnamigen 17-Hektar-Weingut aus Südbaden. Allerdings ist der Betrieb schon jetzt sehr unmittelbar betroffen, denn er baut auch Spargel an: »Wir werden dieses Jahr nicht alle Spargeln decken und stechen, da wir ohne die Gastronomie gar nicht alle verkauft bekommen. Daher bräuchten wir auch nicht so viele Hilfskräfte. Schlimmer wird es mit den Reben, da braucht es viele Helfer, da auch alle Reben gleichzeitig wachsen. Hoffen wir, dass sich bis dahin die Lage etwas gebessert hat. Allerdings können wir da auch ungelernte Kräfte einsetzten. Beim Spargelstechen geht das nicht, da muss die Familie dran glauben.«

Am besten scheinen Familienbetriebe die Unklarheit um ihre Saisonarbeitskräfte zu verkraften: »Momentan kommen wir ganz gut klar«, vermeldet Falstaff Newcomer des Jahres 2019 Moritz Haidle (23 ha). »Wir haben eigentlich nur zwei bis drei ausländische Hilfskräfte im Sommer und dann nochmal zwei bis drei im Herbst. In der Regel sind das immer dieselben gewesen. Außerdem hatten wir dieses Jahr zum ersten Mal für zwei Wochen auch zwei Jungs im Januar/Februar da und sind deswegen momentan im Außenbetrieb ziemlich gut in der Zeit. Von daher kann ich mich gerade nicht beschweren, vor allem auch, weil ich einen neuen festen Mitarbeiter habe seit Mitte Februar. Aber ich mach mir halt ein bisschen Sorgen mit Blick auf den Sommer. In manchen Jahren haben uns da auch unsere Lesehelfer zusätzlich geholfen. Aber das sind eben fast ausschließlich Rentner – und um die machen ich mir wirklich Sorgen, wenn die Corona-Krise anhält.«

Ich denke, momentan müssen wir alle kleinere Brötchen backen.
Moritz Haidle

Haidle denkt auch darüber nach, Angestellte der Gastronomie anzusprechen, wenn die Schließung der Restaurants länger anhält: »Vielleicht hat ja der ein oder andere Sommelier Bock. Wird dann halt schwierig mit der Gehaltsfrage, aber ich denke, momentan müssen wir alle kleinere Brötchen backen.«

Die Krise als Chance?

Wer weiß, vielleicht ist die gegenwärtige Krise auch der Beginn einer neuen Freundschaft zwischen einheimischen Verbrauchern und einheimischen Landwirten. Als eine Gruppe von Spargel- und Erdbeerbauern im Bodenseeraum vergangene Woche auf Facebook einen Hilferuf postete, wurde dieser innerhalb kurzer Zeit 17.000 Mal geteilt – und Hunderte von Freiwilligen meldeten sich, um zum gesetzlichen Mindestlohn Spargel zu stechen und Erdbeeren zu pflücken.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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