In Adong, auf knapp 2.600 Meter in der Region Yunnan im Süden Chinas, liegt Ao Yun, eine der zukunftsträchtigsten Weinregionen weltweit.

In Adong, auf knapp 2.600 Meter in der Region Yunnan im Süden Chinas, liegt Ao Yun, eine der zukunftsträchtigsten Weinregionen weltweit.
© Ao Yun

Die Weinbaugebiete der Zukunft

Die fortschreitende Klimaerwärmung mischt die Karten in der Weinwelt neu. Während etablierte Weinregionen immer mehr in Bedrängnis geraten, spielt diese Entwicklung anderen Regionen in die Hände.

Extremes Wetter, Frost, Hagel und steigende Temperaturen machen den Klimawandel besonders in den letzten zehn Jahren immer deutlicher spürbar. Weltweit, so heißt es in einer Studie, die in diesem Jahr von spanischen und kanadischen Wissenschaftlern veröffentlicht wurde, sei mindestens die Hälfte aller Weinanbaugebiete bedroht. Bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad sollen sich demnach die für Weinbau geeigneten Zonen um 56 Prozent reduzieren, bei einem Anstieg von vier Grad gar um 85 Prozent. Ein dramatisches Szenario, das sich laut den Wissenschaftlern jedoch abschwächen ließe, indem die Winzer einen radikalen Wechsel bei den kultivierten Sorten vornehmen. Für das französische Burgund etwa schlagen sie den Anbau von hitzeliebendem Grenache statt Pinot Noir vor, für das Bordeaux Mourvedre statt Cabernet Sauvignon. Tiefe Eingriffe in die Weinbautradition der Regionen, die sich über Generationen hinweg ihren Ruf, gleich einer Marke, mit gewissen Sorten erarbeiteten.

Regionen, in denen die Temperaturen niedriger sind, Neuseeland etwa oder der pazifische Nordwesten der USA sowie auch Deutschland, die Schweiz und Österreich würden die Erhöhung der Durchschnittstemperatur um zwei Grad jedoch relativ unbeschadet überstehen. Viel mehr noch, sie profitieren sogar von der Klimaerwärmung. Zumindest was den Anbau von Sorten angeht, die die Wärme lieben, könnten sie profitieren und aus diesen künftig handfeste Weine keltern. Mit steigenden Sonnenstunden und den damit verbundenen höheren Temperaturen steigt aber auch der Zuckergehalt der Trauben und mit ihm der Alkoholgehalt im Wein. Ein Fakt, der in vielen etablierten Regionen bereits dazu führt, dass die Winzer, um allzu alkoholreiche, schwerfällige Weine aus klassischen Sorten zu vermeiden, in die Höhe ausweichen oder gezielt nach Norden ausgerichtete Lagen bepflanzen. Lagen, in denen Weinbau früher – aufgrund der kühlen Temperaturen – nicht denkbar war.

Das Weingut »Domaine de Long Dai« in der chinesischen Provinz Shandong ist die neueste der vier internationalen Domaines der französischen »Domaines Barons de Rothschild«.
© Domaines Baron de Rothschild/Domaine de Long Dai
Das Weingut »Domaine de Long Dai« in der chinesischen Provinz Shandong ist die neueste der vier internationalen Domaines der französischen »Domaines Barons de Rothschild«.

Wine Time

Es geht beim Weinbau in Zeiten des Klimawandels jedoch nicht nur um einzelne, früher als suboptimal für Reben angesehene Lagen, sondern inzwischen um ganze Regionen beziehungsweise Länder, die im Zuge des Klimawandels und der damit verbundenen Temperaturerhöung zu Weinanbaugebieten werden. England beispielsweise. Hätte man vor dreißig Jahren behauptet, England würde zu einer Schaumweinhochburg, hätten die Briten vermutlich nur müde gelächelt und an ihrem Tee genippt. Inzwischen existiert hier, oberhalb des 50. Breitengrads, der lange als Grenze für Qualitätsweinbau galt, jedoch eine florierende Schaumweinindustrie.

Selbst die Nachbarn aus der französischen Champagne investieren in England seit einigen Jahren in die Zukunft. Eine Zukunft, die den Anbaubedingungen in der Champagne vor dem spürbaren Klimawandel gleichkommt. »Es gibt viele Unterschiede, aber auch entscheidende Gemeinsamkeiten wie die Kreideböden, die sehr ähnlich sind. Genauso wie das Wetter«, berichtete Clovis Taittinger, der Exportmanager des Champagnerhauses Taittinger in einem Falstaff-Interview im Jahr 2017, kurz nachdem Taittinger als erster Champagnerproduzent überhaupt in England aktiv wurde und in der Grafschaft Kent rund 30 Hektar Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier pflanzte. Die ersten Schaumweine der Domaine, die rund eine Stunde von London entfernt liegt, sollen im Jahr 2024 auf den Markt kommen.

Auch in England sorgt der Klimawandel für neue Möglichkeiten im Weinbau. Namhafte Winzer sehen das Land schon als künftige Schaumweinhochburg. Die ersten prickelnden Schätze der »Domaine Evremond« sollen im Jahr 2024 auf den Markt kommen.
© Domaine Evremond
Auch in England sorgt der Klimawandel für neue Möglichkeiten im Weinbau. Namhafte Winzer sehen das Land schon als künftige Schaumweinhochburg. Die ersten prickelnden Schätze der »Domaine Evremond« sollen im Jahr 2024 auf den Markt kommen.

England ist aber bei Weitem nicht das einzige Land, das hinsichtlich des Weinbaus von der Klimaerwärmung profitiert. Selbst im hohen Norden Skandinaviens existieren mittlerweile Rebberge, oftmals noch mit kälteresistenten Hybridsorten bepflanzt. Aber auch klassische Sorten scheinen sich in Skandinavien durchaus wohlzufühlen wie das Beispiel der deutschen Winzerlegende Klaus Peter Keller zeigt, der im Jahr 2008 in Norwegen Riesling pflanzte. In Kristiansand, am sage und schreibe 58. Breitengrad. Die Forscher der deutschen Weinbauhochschule Geisenheim prognostizierten damals die früheste Ernte für das Jahr 2050. Ein Trugschluss, denn Keller erntete schon im Jahr 2015 die ersten reifen Rieslingtrauben. Dank der Sonnenreflektion des Fjords, der in Sichtweite liegt und trotz der im Gegensatz zu klassischen Weinanbaugebieten verkürzten Reifephase. Natürlich war Keller nicht der Erste, der sich in Norwegen der Weinproduktion widmete. Die Norweger begannen schon vor rund zwanzig Jahren, Reben zu kultivieren – wenn auch nur als Hobby. Mit der Klimaerwärmung und der wachsenden Wertschätzung einheimischer Weine hat der Weinbau aber auch in Norwegen mittlerweile kommerziell Fuß gefasst.

Frische Brise

Während Norwegens Weinkultur noch in den Kinderschuhen steckt, finden sich die ersten Beweise für Rebbau in den Niederlanden bereits zur Zeit der Römer. Moderner Weinbau ist im Königreich aber eine relativ junge, sich jedoch rasch entwickelnde Sache. Wein war den Niederländern aufgrund der starken historischen Verbindung zu Südafrika niemals fremd. Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung und durch Förderungen der EU erlebte die hiesige Weinproduktion jedoch einen wahren Quantensprung. Im Jahr 1997 zählte das Land an der Nordsee lediglich sieben Weingüter, weniger als ein Jahrzehnt später existierten bereits vierzig und heute gibt es in jeder niederländischen Provinz mindestens einen Weinberg, wobei die Qualität der Weine stetig steigt.

Silvia Nowak, die früher unter dem Pseudonym Cordula Eich den Weinführer SuperSchoppenShopper veröffentlichte, hat sich in den Niederlanden ihren Traum vom eigenen Weingut erfüllt. In der Region Flevoland bewirtschaftet sie einen halben Hektar auf dem ehemaligen Demeterhof ihres Mannes Willem, der mit pilzwiderstandsfähigen Sorten bestockt ist. Die Sorten weisen eine Resistenz gegen die klassischen im Weinbau auftretenden Pilzkrankheiten auf. Letztere sind vor allem in humidem Klima eine große Gefahr für die Weinproduktion und können die Erntemenge stark dezimieren, wie es in diesem Jahr beispielsweise in der Schweiz oder auch der Champagne der Fall war.

Nowaks Weingut trägt den Namen Min Zeven, was auf deutsch »Minus sieben« bedeutet und auf den Keller des Guts hinweist, der sich sieben Meter unter dem Meeresspiegel befindet. Die Winzerin glaubt an das Potenzial der Region, vor allem, um Schaumweine zu produzieren, worauf sie sich aktuell auch fokussiert. Eine Ausrichtung, die sinnvoll ist, denn während es für einen hochwertigen kräftigen Rotwein perfekt ausgereifte, von der Sonne verwöhnte Trauben benötigt, ist dies bei Schaumweinen, die von ihrer Frische und Säure leben, nicht der Fall.

So heißt das Weingut von Silvia Nowak in den Niederlanden. Die Rebensorten auf dem ehemaligen Demeterhof weisen eine hohe Resistenz gegen häufige Pilzkrankheiten auf.
© Ronald van der Mark
So heißt das Weingut von Silvia Nowak in den Niederlanden. Die Rebensorten auf dem ehemaligen Demeterhof weisen eine hohe Resistenz gegen häufige Pilzkrankheiten auf.

Als im Jahr 2009 etwas weiter nördlich, auf der beliebten Insel Sylt, vom Land Schleswig-Holstein Anbaurechte für zehn Hektar ausgeschrieben wurden, packte der Rheingauer Winzer Stefan Ress die Chance am Schopf und bewarb sich mit einem konkreten Weinbauprojekt. Nach dem Zuschlag für rund 3000 Quadratmeter Anbaufläche in Keitum am 55. Breitengrad setzte er Solaris-Reben. Die erste Lese fand im Hitzesommer 2013 statt, ein Jahr später kam der erste Sylter Wein namens »Söl’ring« auf den Markt. Seit zwei Jahren setzt aber auch Ress wie Nowak auf die Schaumweinproduktion und produziert an einem der nördlichsten Orte Deutschlands den »Söl’ring«-Sekt.

Die Sorte Solaris, die Ress auf Sylt kultiviert und die zu den zuvor erwähnten pilzwiderstandsfähigen Sorten zählt, spielt auch beim Weinbau in Polen eine bedeutende Rolle. Ja, auch in Polen wird heute Wein produziert. Wieder! Polen besaß bereits um 1800 eine Rebfläche von rund 1700 Hektar sowie eine blühende Weinkultur. Nach dem zweiten Weltkrieg unter der Sowjetherrschaft wurden die Rebberge liquidiert und erst zu Beginn der 1980er fanden erneut Pflanzungen statt. Nach 2000 setzte ein neuer Boom ein und im Jahr 2017 zählte das Land bereits 433 Weinberge, die sich fast über das ganze Land bis hin zur Ostsee verteilen. Auch hier spielt der Klimawandel eine entscheidende Rolle, denn das Klima wird immer weinbautauglicher. Auch in anderen, bisher nicht erwähnten europäischen Ländern ist das der Fall: etwa in Belgien, Dänemark, Schweden oder sogar Irland.

Koloss China

Obwohl China zu den ältesten Weinbauländern der Welt gehört, spielt Wein historisch gesehen keine bedeutende Rolle im Land der Mitte. In den letzten Jahrzehnten hat sich dies dramatisch geändert, denn mit zunehmendem Interesse der Chinesen am Wein als Luxusgut entwickelte sich das Land zu einem der wichtigsten Exportmärkte weltweit. Aktuell sind in China etwa 875.000 Hektar mit Reben bepflanzt, womit es den dritten Platz weltweit hinsichtlich der Rebfläche, knapp hinter Frankreich belegt. Auch hier spielt der Klimawandel – vor allem in den nördlichen Regionen des Landes, in denen es im Winter sehr kalt werden kann – eine Rolle.

Bereits anno 1892 gegründet, wird Chinas ältestes Weingut Changyu in der Region Ningxia auch künftig die internationale Szene maßgeblich prägen. Auf dem »Château Changyu Moser« wird heute schon unter Beteiligung von Lenz M. Moser höchste Weinqualität produziert.
© Château Changyu Moser
Bereits anno 1892 gegründet, wird Chinas ältestes Weingut Changyu in der Region Ningxia auch künftig die internationale Szene maßgeblich prägen. Auf dem »Château Changyu Moser« wird heute schon unter Beteiligung von Lenz M. Moser höchste Weinqualität produziert.

Viel wichtiger für die Entwicklung des chinesischen Rebbaus war jedoch die Adaption moderner westlicher Weinbautechnologien und Investitionen von Big Playern wie Rémy Martin, Pernod Ricard, LVMH oder Rothschild. Dementsprechend klar ist auch die Ausrichtung bei der Stilistik, die sich bei den Spitzenweinen des Landes klar am Vorbild Bordeaux orientiert. Eine erfolgreiche Strategie, die sich in letzter Zeit immer wieder bei Blindproben offenbarte, bei denen chinesische Gewächse, beispielsweise vom Weingut Changyu Moser, etablierte Spitzenproduzenten aus dem Bordeaux oder Napa Valley in den Schatten stellten. Wohin dies führt, wird sich zeigen, denn noch werden chinesische Weine hauptsächlich im eigenen Land genossen und decken nur einen Bruchteil des Weinbedarfs der Chinesen, die immer noch nach Gewächsen aus dem Ausland dürsten. Sollte sich das Szenario der eingangs erwähnten Studie jedoch bewahrheiten, werden die Karten neu gemischt – weltweit.

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