Der Chardonnay wurde erst 1991 in Deutschland zugelassen. Jetzt kommen die damals gepflanzten Reben in ein interessantes Alter.

Der Chardonnay wurde erst 1991 in Deutschland zugelassen. Jetzt kommen die damals gepflanzten Reben in ein interessantes Alter.
© Shutterstock

Die Sieger der Chardonnay Trophy 2019

Lange schien der Chardonnay hierzulande zu fremdeln. Doch nun hat sich etwas getan: Den Weingütern Wageck, Friedrich Becker und Dr. Heger gelingen straffe, mineralische Weine mit prägnantem Ausdruck.

(v. l. n. r.) Platz 1: 2017 Geisberg Chardonnay vom Weingut Wageck. Ebenfalls auf Platz 1: 2015 Mineral Chardonnay vom Weingut Friedrich Becker. Platz 3: 2017 Ihringer Winklerberg Chardonnay VDP. Erste Lage vom Weingut Dr. Heger.
© melhubach photographie | Foto beigestellt
(v. l. n. r.) Platz 1: 2017 Geisberg Chardonnay vom Weingut Wageck. Ebenfalls auf Platz 1: 2015 Mineral Chardonnay vom Weingut Friedrich Becker. Platz 3: 2017 Ihringer Winklerberg Chardonnay VDP. Erste Lage vom Weingut Dr. Heger.

Und damit kommen wir zur Gegenwart und zur Falstaff Chardonnay Trophy des Jahres 2019 – der ersten, die Falstaff Deutschland durchgeführt hat. Das erste und wichtigste Fazit, das man aus der Verkostung von 116 Chardonnays aus ganz Deutschland ziehen kann: Die Spitze hat an Breite gewonnen. Die Winzer beherrschen den gerade beim Chardonnay so schwer zu meisternden Holzeinsatz immer besser. Dabei schmecken die besten Weine gar nicht einmal nach Burgund. Sie schmecken nach Bissersheim, Schweigen, Ihringen und so weiter. Sie sind burgundisch in ihrer Konzentration auf den Lagenausdruck und darin, dass sie auf Reifepotenzial vinifiziert sind. Aber sie sind dennoch Pfälzer Originale, badische, rheinhessische und so weiter.
Das sich nach und nach einstellende Alter der Reben lässt uns heute endlich verstehen, was einen großen Chardonnay ausmacht. Und dass er auch hierzulande gelingen kann.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2019

Zum Magazin

Als im Lauf der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts die ersten deutschen Chardonnays auf den Markt und ins Verkostungsglas kamen, da kratzte sich mancher Kommentator nachdenklich hinterm Ohr: Hm, so schmeckt der also bei uns. »So«, das hieß, wenn man es weniger verblümt sagt: ziemlich langweilig. Neutral in den Aromen, säuerlich in der Gaumenstruktur. Nicht wenige – der Schreiber dieser Zeilen inbegriffen – hatten den Eindruck, dass sich die Sorte hierzulande schwertun werde.
Um der Neutralität aufzuhelfen, kamen bald die sogenannten Duftklone in Mode: Chardonnay-Spielarten, die dem Wein wür­zige Aromen mitgeben, weil ihre Trauben – anders als diejenigen der burgundischen Standardklone – eine stattliche Menge von aromatischen Monoterpenen enthalten. Das Weinbauinstitut Freiburg fand später heraus, dass das Terpen-Profil dieser Duftklone demjenigen des Müller-Thurgau ähnelt. Man ahnt es: Eine wirkliche Verbesserung brachte auch dieser Kniff nicht. Ebenso wenig wie der übertriebene Einsatz von Neuholz oder gar das Spiel mit Botrytis.
Auch in der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts blieb der Chardonnay daher eher ein Mauerblümchen, ein ewiges Talent mit fraglicher Zukunft. Aber dann, um das Jahr 2010 herum, tat es plötzlich einen Schlag. Die Weine der neueren Jahrgänge hatten auf einmal Kontur und Tiefe, die man vorher nicht für möglich gehalten ­hätte. Zurückhaltend in ihrer Aromatik blieben sie weiterhin, aber wo früher eine neutrale Leere war, da traten plötzlich subtile Zwischentöne zutage, und am Gaumen gewann die einstmals holzschnittartige Kernigkeit mehr und mehr an mineralischen Facetten. Es war, als würde ein Bild plötzlich scharf gestellt, das man zuvor nur unscharf und grob verpixelt, verschwommen im Sucher hatte.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Mehr entdecken
Mehr zum Thema
Familie Giovanett vom Weingut Castelfeder
Chardonnay
Castelfeders Kreuzweg
Der neue Wein von Castelfeder ist Gott sei Dank keine Leidenspassion, sondern eine Offenbarung!
Von Simon Staffler