© Lenka Li Lilling

»Die Schnösel verhalten sich bei uns nicht so«

Wolfgang »Woife« Hingerl ist Sommelier, Geschäftsführer und Gastro-Denker hinter der Mural-Familie, die im Sommer mit dem »Farmhouse« ihren vierten Ableger in München vollständig eröffnet. Wir sprachen mit dem Mann hinter den Ideen über Wachstum, Champagner und Döner.

2017 eröffnete das Restaurant »Mural«, 2020 führte der Guide Michelin es erstmals mit einem Stern auf, der nach wie vor über dem Stammhaus leuchtet. Mittlerweile ist aus dem »Mural« sowas wie ein Gastrokünstler-Kollektiv geworden. Neben dem Sternerestaurant besteht es aus der auf Wein fokussierten »Bar Mural« und der »Bambule! Bar« im Schwan Locke Hotel. Die Pop-up-Konzepte aus der Lockdown-Zeit, die »Mural Tagesbar« sowie der To-Go-Döner liegen gerade in der Eistonne, dürften aber irgendwann auch mal wiederbelebt werden. Außerdem steht gerade das »Mural Farmhouse« in den Startlöchern, das im Sommer 2022 vollständig eröffnen soll. Wir sprachen mit Wolfgang »Woife« Hingerl über seine neuen Projekte und die Philosophie dahinter. 

Ihr betreibt unter dem Namen »Mural« eine Weinbar, ein Sternerestaurant und eine Hotelbar, habt während des Lockdowns Döner mit regionalen Produkten auf die Hand verkauft und eine Tagesbar in einem Auto-Showroom betrieben. Was vereint diese ganz verschiedenen Konzepte? Was ist der Mural-Stil?
Alle Läden sind, um es mal pathetisch zu sagen, aus unserer Brust herausgeschnitten. Wir wissen genau, welche Produkte wir verkaufen: nur regionale, weil wir dies als das einzig Richtige ansehen. Wir kaufen kein Produkt ein, von dem wir nicht wissen, was es ist, woher es kommt oder welche Geschichte oder welcher Produzent dahintersteckt. Wenn es bei einem Pop-up dann mal – nicht regionale, aber wilde – Austern von der holländischen Küste gibt, kommen die von unseren Freunden von »Austerregion« und wir wissen ganz genau, wer dahintersteckt.

Und wir haben natürlich unglaublich schöne Menschen als Mitarbeiter, optisch natürlich auch (lacht), aber vor allem von ihrer Art. Die leben alle das »Mural«. Deswegen gleitet uns die Produktauswahl nicht aus der Hand, nur weil wir größer geworden sind.

Stichwort größer werden – ihr seid schnell gewachsen seit der Gründung des Restaurant Mural 2017. Die »Bambule! Bar« hat letzten Sommer als viertes Outlet eröffnet und jetzt wird schon euer nächstes Projekt, das »Farmhouse« in Obersendling, an den Start gehen. War dieses Wachstum von Anfang an geplant?
Nee… Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wie das kam.

Wie kann man sich das vorstellen? »Ups, noch ein Restaurant eröffnet«?
Ein bisschen so. Aber Spaß beiseite. Es kommen immer mal wieder tolle Leute zu uns und wollen, dass wir irgendwo einen Laden entwickeln. Manchmal ergeben sich daraus dann einfach kreative Ansätze, wie zum Beispiel zusammen mit der Gruppe hinter den Locke-Hotels, in dem wir in einem Haus die »Bambule! Bar« und in einem weiteren bald das »Farmhouse« betreiben. Da hatten wir Glück, dass die sich denken »nicht die großen Gastronomen sind die guten Partner, sondern die guten Partner sind die guten Partner«, dass sie Lust auf coole Gastronomie haben, und junge Leute einfach mal machen lassen.

Ihr habt im Mercedes-Showroom am Odeonsplatz in 1A-Lage eine Tagesbar betrieben. Wie kam das?
Das war genau so eine Geschichte. Freunde von uns haben uns für ein Pop-up ins Gespräch gebracht und uns hat während des Lockdowns, als unsere Restaurants zu waren, ein Mittags-Konzept als lokale und zentrale Anlaufstelle gut gepasst. Generell hat uns die Lockdown-Zeit viele neue Ideen gebracht. Und wenn wir was machen wollen, dann machen wir das einfach. Zum Beispiel haben wir aus der »Bar Mural« heraus Döner verkauft, als die Restaurants vor Ort schließen mussten. Wir brauchen da keine monatelange Findungsphase, sondern vier Wochen später steht das Ding.

Und diesen Sommer dann das nächste Ding. Was kannst Du darüber schon sagen?
Das »Mural Farmhouse« in Obersendling wird im Sommer auf mehreren Etagen eröffnen, einmal in der Gartenebene und auf der Dachterrasse. Dazu kommen dann noch Bar und Café im unteren Stockwerk. Der Restaurantbereich auf der Gartenebene ist zweigeteilt, in einen á-la-carte-Bereich mit 40 bis 50 und einem Fine-Dining-Restaurant mit etwa 20 Sitzplätzen. »Mural Farmhouse« heißt das Ganze, weil wir auf zwei Dritteln der 1000m2 großen Dachterrasse in Hochbeeten selbst Nutzpflanzen, Obst und Kräuter kultivieren. Und weil dies die Wurzel des Konzepts am besten beschreibt: Selbst für einen großen Teil in der Entstehung mit allen Vor- und Nachteilen in der Verantwortung zu stehen.

Wie unterscheiden sich die Restaurants?
Ein Restaurant wird täglich geöffnet sein, mit einem außerordentlich guten à-la-carte-Angebot, das Fine-Dining-Restaurant nur vier Tage die Woche, und dann wirklich »voll auf die Schnauze« – nur ein Menü und es gibt das, was es eben gibt. Auf der Dachterrasse haben wir außerdem Platz, neben interessanten Dinner-, Drinks- und Wein-Events, die regionalen Streetfood-Ideen der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen,

Döner?
Mal schauen, was es gibt. Wir haben ja ein bisschen was ausprobiert und uns ist da auch nicht langweilig. Wichtig ist mir, dass wir für jeden Geldbeutel, jede Zeitspanne und jede Zeit was anbieten. Gerade im à-la-carte-Bereich gibt es in München viel zu wenig Restaurants, die auf hohem Niveau, aber einfach kochen. Da wollen wir aufzeigen, dass es nicht immer diese Mittelmeerküche mit 25 Gerichten auf einer Karte sein muss. Mir schmeckt das sicher auch, aber ich vermisse schon ein wenig Produkte aus der heimischen Region. Und das sind nun mal nicht Tomate, Mozzarella & Co. Ich glaube, in München sind vergleichsweise gute Produkte eher zu billig und Convenience wird zu teuer verkauft, gerade in diesen ganzen Influencer-Mediterranean-Lifestyle-Objekten. Wenn man dann was anderes möchte, ist es immer gleich ein mehrstündiges Menü. Da wollen wir einfach die Tür ein bisschen weiter öffnen für tolle zwanglose Restauranterlebnisse.

Weil Du das Zwanglose ansprichst: Wie schafft man es hochwertige Gastronomie zu betreiben, ohne dass man zum Schnösel-Laden wird?
Man braucht eine Linie, eine klare Kante, klare Ansprache und auch mal ein Widerwort. Bei uns ist es so, dass unsere Angebote im jeweiligen Laden immer sehr klein sind. Deswegen können und wollen wir gar nicht jeden Geschmack treffen. Ich glaube, dass wir die gleichen Gäste haben, wie ein Laden, den man jetzt vielleicht als »Schnösel-Laden« titulieren würde – mir fällt da jetzt natürlich keiner ein in München – aber bei uns verhalten sich diese Gäste dann anders. Weil wir einfach nicht die allseits bekannten Markenprodukte haben. Wenn es Champagner gibt, dann gibt es Champagner von kleinen Winzern. Wenn es Kaviar gibt, dann weil es Sinn für das Gericht macht und nicht weil es für Instagram gedacht ist. Wir schaffen Atmosphäre im Raum durch das, was wir machen, durch unsere Köche, unsere Sommeliers, unsere Produzenten – nicht dadurch, dass wir irgendeinen DJ spielen lassen, der vom kulinarischen Konzept vielleicht ablenkend wirken soll.

Dein nächstes Baby kommt also diesen Sommer. Ist ein übernächstes schon in Planung?
Ja, wobei da muss ich mich noch ein bisschen zurückhalten. Aber es darf nie aufhören zu rattern, man braucht das. Ich gehe ja auch nicht essen, weil ich Hunger haben, sondern weil ich was erleben will.

Das ist doch ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch.


INFO

Mural Farmhouse
Hofmannstraße 45
81379 München
muralfarmhouse.de

Paul Kern
Paul Kern
Falstaff Scout
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