Unter Claret versteht man einen leichten Gegen­entwurf zu schweren Rotwein-Bomben.

Unter Claret versteht man einen leichten Gegen­entwurf zu schweren Rotwein-Bomben.
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Die Geschichte des Claret

Viele Jahrzehnte aus der Mode, hat sich der zutiefst englische Begriff zuletzt wieder fest im Vokabular der Weinliebhaber etabliert. Aber was meinen die Briten eigentlich, wenn sie einen Claret bestellen?

Die urenglische Weingattung des Clarets ist bereits viele Jahrhunderte alt und bezeichnet grundsätzlich Rotweine aus Bordeaux. Die Bedeutung der Bezeichnung hat sich im Laufe der Zeit jedoch gewandelt und kann heute als Überbegriff für roten Bordeaux verstanden werden, meint aber im eigentlichen Sinn einen originären Rotweinstil aus der berühmten Weinregion. Als Claret bezeichnet man elegante, nicht zu schwer wirkende und ausgewogene Weine mit manchmal nicht ganz so dunkler Farbe, die einen guten Trinkfluss bieten. Der Name Claret hat seinen Ursprung im lateinischen claritas (= Helligkeit, Klarheit) und verweist darauf, dass man im Mittelalter damit wohl zunächst keinen dunklen Rotwein beschrieben hat. Es handelte sich vielmehr um einen zarten Rosé-Stil mit recht wenig Alkohol, der in Frankreich Clairet hieß. Ab dem 18. Jahrhundert versteht man in England unter Claret aber bereits definitiv aus Bordeaux importierten Rotwein und verbindet damit auch eine hohe Qualitätsvorstellung. Und fielen die gelieferten Weine einmal gar zu schwach aus, so hatten die englischen Weinhändler wohl keine Scheu davor, die eine oder andere Flasche Brandy oder Portwein beizumischen, damit die Weine den Vorstellungen der Kunden entsprachen.

Die Bezeichnung Claret war lange aus der Mode, wurde aber in den letzten Jahrzehnten wieder aufgegriffen, um die klassischen roten Bordeauxweine von jenen abzugrenzen, die seit den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts unter dem Postulat des amerikanischen Weinkritikers Robert Parker Jr. en vogue wurden – also tiefdunkle, konzentrierte Weine mit präsentem Holztannin und hohen Alkoholwerten, von denen sich manche Produzenten entsprechend hohe Bewertungen und dadurch verbesserte Absatzmöglichkeiten versprachen.

Unterschiedliche Geschmackswelten

Diese Entwicklung spiegelt die unterschiedlichen Geschmackswelten wider, die in England und den USA dominieren. Briten schätzen auch beim edlen Wein vor allem noble Zurückhaltung, während es in Amerika gerne etwas vordergründiger, plakativer und lauter zugehen darf. Und so standen in Bordeaux die zarteren, traditionellen Rotweine bald den muskelbepackten Giganten aus den Fitness-Studios der modernen Kellertechnik gegenüber. Das war der Zeitpunkt, als die englischen Wein-Feuilletonisten sich des Clarets erinnerten und diesen als Inbegriff eines klassischen britischen Weinstils, der sich über Jahrhunderte entwickelt hatte, wieder aufs Tapet brachten.

Einen hitzigen Höhepunkt fand die Diskussion über den angeblich richtigen Stil in Bordeaux, als ein Jungwein von Château Pavie 2003 in Saint-Émilion anlässlich der En-primeur-Verkostung vom Amerikaner Parker mit der Höchstpunktezahl 96–100 bedacht wurde und die wichtigste britische Kritikerin Jancis Robinson den nämlichen Wein mit zwölf von 20 Punkten abkanzelte. Robinson bezeichnete den sehr kraftvollen Pavie als »lächerlichen Wein« und polemisierte, dass man die Erzeugung von Vintage Port durchaus den Portugiesen überlassen sollte. Geht man heute auf die Homepage robertparker.com sieht man, dass Parker selbigen Pavie zuletzt im Jahr 2013 mit 96 Punkten eingestuft hatte, während ihn sein britischer Nachfolger bei »The Wine Advocate«, Neal Martin, nie höher als mit 90 und zuletzt mit 88 Punkten bewertet hat.

Die »neuen« Clarets

Der Begriff Claret ist heute also der Gegenentwurf zu den hochkonzentrierten, alkoholreichen und opulent angelegten Rotweinen und findet immer öfter wieder Anwendung. Anzumerken ist dabei allerdings, dass auch Franzosen und Engländer nicht immer dasselbe unter Claret verstehen. Im Ursprungsgebiet des Weins gibt es nämlich seit geraumer Zeit eine Sprachregelung, die gute oder schwächere Jahrgänge einfach in »exzellent« oder »klassisch« umbenannt hat. Und so hat es sich inzwischen eingebürgert, dass man etwas weniger gelungene Jahre (also die »klassischen«) heute gerne als typische Claret-Jahrgänge verkauft. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt …

Den Hintergrund zur Geschichte des Claret erfahren Sie im Artikel »Ein Wein wird kommen...«.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2020

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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