Bei geselligen Gasthausrunden durfte schon früher ein Krug ­mit Bier nicht fehlen.

Bei geselligen Gasthausrunden durfte schon früher ein Krug ­mit Bier nicht fehlen.
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Die Geschichte des Biers

Schon vor mehr als 13.000 Jahren brauten unsere Ahnen Bier. Es ist das älteste uns bekannte alkoholische Getränk und ein großer Erfolg in fast allen Kulturen.

Bier ist das erste alkoholische Getränk, das wir Menschen selbst hergestellt haben. Wie alt diese Erfindung ist, ist heute natürlich schwer nachzuvoll­ziehen. Vermutlich kennen wir Bier – also vergorenes Getreide – seit den Anfängen unserer Sesshaftwerdung. Lange waren es die Sumerer, die als Erfinder des Biers galten. Um 3000 vor Christus benutzten sie die Keilschrift, errichteten monumentale Bauten und genossen offenbar ab und zu ein kühles Blondes. Das ist allerdings etwas überspitzt: Die Attribute kühl und blond konnte man dem damaligen Gerstensaft bestimmt nicht zuschreiben. Ausgangspunkt für das Sumerer-Bier war vergorenes Brot, das als Brei gegessen, als Suppe gelöffelt oder eben als Gerstensaft getrunken wurde. Um zu verhindern, dass dabei größere Brotstücke verschluckt wurden, trank man diesen Urahn unseres Biers mit einer Art Strohhalm.

Keilschrift-Tontafeln legen nahe, dass die Sumerer bereits 3000 vor Christus eine Urform des Biers brauten: vergorenes Brot, das als Brei, Suppe oder Saft genossen wurde.
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Keilschrift-Tontafeln legen nahe, dass die Sumerer bereits 3000 vor Christus eine Urform des Biers brauten: vergorenes Brot, das als Brei, Suppe oder Saft genossen wurde.
Wandgemälde der Sumerer
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Wandgemälde der Sumerer

Der älteste Alkohol der Welt

Schon lange gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Sumerer nicht die Ersten gewesen sein konnten, die von der Wirkung von vergorenem Getreide begeistert waren. Im September 2018 bestätigte sich diese Annahme: Archäologen der Universitäten Haifa und Stanford fanden in der Rakefet-Höhle im israelischen Karmelgebirge Hinweise da­rauf, dass man dort bereits vor 13.000 Jahren Getreide zu Alkohol vergoren hat. Vermutet wird, dass damals in vorherrschenden Natufien-Kultur in der Le­vante der Gerstensaft vor allem für rituelle Zwecke genutzt wurde. »Das ist das früheste archäologische Zeugnis für getreidebasiertes Bierbrauen und der älteste Beleg für menschengemachten Alkohol«, ließen die Forscher nach ihrem Fund verlauten. Schon vor 11.700 bis 13.600 Jahren vergoren die Menschen des Natufien gesammeltes Wildgetreide, Hülsenfrüchte und Bastfasern zu Bier. Die Forscher schlussfolgern daraus, dass man Getreide schon zum Bierbrauen benut­zte, als man Brot noch gar nicht kannte.
Belege für altertümliches Bierbrauen gibt es in verschiedensten Epochen und Kulturen – die Babylonier hatten ihre Art Bier, genauso wie die Ägypter, die Römer und natürlich die Germanen. Letztere gelten als Wegbereiter unseres modernen Biers. Sie waren die Ersten, die Getreidekörner be­wusst keimen und dann trocknen ließen, um sie anschließend mit Wasser aufzukochen, anstatt ein ganzes Brot oder zufällig gekeimtes Wildgetreide zu vergären.
Der Biergenuss war bei den Germanen der Wirkung wegen beliebt – dank Alkohol fühlten sie sich ihren Göttern näher.

Nicht nur hinter Klostermauern

Geschichtsträchtig ist die Rolle des Biers ­im Mittelalter. Oft wird angenommen, dass damals vor allem deshalb hinter Klostermauern gebraut wurde, damit die Mönche dank des nährenden Biers gut durch die Fastenzeit kamen. Doch natürlich wollte auch das einfache Volk auf sein Bier nicht verzichten. Auch Abgaben und Gesetze änderten daran wenig. Insbesondere in den aufblühenden Städten des Mittelalters erlebte der Gerstensaft eine spannende Phase. Da die Häuser der einfachen Leute nicht aus Stein, sondern aus Holz gebaut wurden, bestand permanente Feuergefahr, und vielerorts wurde das bis dahin gängige Bierbrauen in Privathaushalten verboten. Es entstanden Gemeinschaftsbackhäuser, wo man neben dem Brotbacken auch dem gemeinsam Bierbrauen nachging – Brot und Bier sind seit jeher eng verbunden.
Bis das Bier aber so schmeckte wie heute, sollten noch einige Jahre vergehen – die Bierrezepte des Mittelalters enthielten neben Malz oft Kräuter wie Wacholder, Eichenrinde, Wermut und Enzian. Hopfen wurde eher selten verwendet. Manche Biere enthielten gar halluzinogene oder giftige Substanzen wie Fliegenpilz oder Tollkirsche – vermutlich einer von mehreren Gründen für das 1516 verfasste Reinheitsgebot.

Fortschritt dank Kälte

Die Bierwelt, wie wir sie heute kennen, und allen voran die heute beliebtesten Bierstile entstanden übrigens erst mit der industriellen Revolution im 19. und 20. Jahrhundert.
Zu den wichtigsten Errungenschaften dieser Zeit gehörten sicher die Verdienste von Louis Pasteur, der 1870 das geheimnisvolle Wirken von Fäulniserregern entschlüsselte. Dadurch enträtselte er auch den Gärvorgang. Zuvor wussten die Brauer nämlich gar nicht, was in ihrem Bier überhaupt vorging oder warum manche Chargen beispielsweise sauer schmeckten. Die technisch größte Errungenschaft für die Brauer war eindeutig die Erfindung von Kühlmöglichkeiten.
1876 erfand der Münchner Carl von Lin­de die Kältemaschine. Bis dahin wurde vornehmlich und je nach Region sogar ausschließlich obergärig gebraut – es entstanden also vor allem Biere im Stile eines heutigen Ales. Erst Lindes Erfindung veränderte das, und die untergärige Methode setzte sich von Bayern aus bald flächendeckend durch.
Erst die technischen Neuerungen zur Zeit der industriellen Revolution erlaubten es, Bier nach heutigen Vorstellungen zu brauen. In vielen Regionen setzten sich alsbald große Brauereien durch. Die Vormachtstellung einiger weniger wurde in der Schweiz und in Österreich durch Bierkartelle geschützt. Es war also lange vorausgeplant, wer wohin und zu welchem Preis Bier liefern sollte. Dem Begriff Einheitsgebräu machte Österreich bis 1980, die Schweiz gar bis 1991 alle Ehre. Der Markt wurde umfassend kontrolliert. Und es kam, wie es kommen musste: Der größte Innovationsschub in der Bierwelt der Neuzeit kam nicht aus den Bierhochburgen Mitteleuropas, sondern aus Übersee.

Bis zur Prohibition zwischen 1920 und 1933 waren die USA an Biervielfalt kaum zu überbieten. Immigranten aus Europa brachten verschiedenste Rezepte mit, die hier neu interpretiert wurden. Die Jahre des Alkoholverbots überlebten nur wenige der damals 3200 amerikanischen Brauereien. Sie hielten sich während der Prohibition mit der Produktion anderer Produkte über Wasser –  Eiscreme etwa oder Softdrinks. Die Brauereien, die überlebten, erholten sich zwar meist wieder, zu ihrer alten Vielfalt fand die amerikanische Bierszene aber so schnell nicht zurück. Nach einer ersten Erholung folgte eine Phase der Konsolidierung. Effektive, aufwendige Marketing­kampagnen hatten den amerikanischen Biergeschmack einschneidend verändert – von Ales vor der Prohibition hin zu einfachen Lagerbieren und sogar Leichtbieren. In den 1970er-Jahren gab es in den USA gerade noch 44 Braukonzerne.

Von den USA aus eroberte das Craft-Bier die Welt: 2012 gab es 2500 Kleinbrauereien, 2017 waren es bereits 6300.
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Von den USA aus eroberte das Craft-Bier die Welt: 2012 gab es 2500 Kleinbrauereien, 2017 waren es bereits 6300.

Der Siegeszug des Craft-Biers

Diese Situation war ein perfekter Nähr­boden für Heimbrauer, die Bier mit Geschmack schätzten und das Korn säten ­für die heutige, einzigartige Brauereivielfalt in den USA.
Als Wendepunkt gilt heute das Jahr 1976, als im kalifornischen Sonoma die Brauerei »The New Albion Brewery« gegründet wurde. Diese musste zwar sechs Jahre danach aus wirtschaftlichen Gründen wieder schließen, inspirierte aber unzählige Heimbrauer, eigene Projekte umzusetzen, darunter Jim Koch, Gründer von Samuel Adams, Ken Grossman von Sierra Nevada, Randolph »Stick« Ware von Boulder Beer und Sam Calagione von Dogfish Head. Auch alte, handwerklich brauende Betriebe profitierten von der Neuentdeckung der amerikanischen Bier­identität. Die Anchor Brewing Company, gegründet im Jahr 1896, initiierte zeitgleich mit neuen Mikrobrauereien eine Rückbesinnung auf alten Geschmack und alte Werte.
Was damals losgetreten wurde, sprengt heute sämtliche Vorstellungen. 2012 gab es in den USA 2500 Kleinbrauereien, 2017 waren es bereits 6300. Inspiriert von der amerikanischen Biervielfalt begannen auch Brauer in Europa, neue Projekte anzustoßen. Auch hierzulande stehen hinter vielen neuen Kleinbrauereien innovative Biermacher, die ihre Karriere als Heimbrauer starteten. Und auch bei uns ziehen immer mehr gestandene Brauer mit Innovationen nach.
Betrachtet man die wachsenden Listen der registrierten Brauereien in Österreich, der Schweiz und in Deutschland, so dürfte der Höhepunkt der Brauereivielfalt noch bevorstehen. Für den neugierigen Biertrinker gab es nie bessere Zeiten als heute.

Erschienen in
Bier Spezial 01/2019

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Benjamin Herzog
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