Deutscher Käse: Viel mehr als Industrieware

Die neue Falstaff-Coverstory: Handwerklich arbeitende Käsereien ver­suchen, dem Einheits­geschmack etwas entgegenzusetzen – mit Erfolg!

Hier in Adolzhausen, einem kleinen Weiler im fränkischen Nordosten Baden-Württembergs, rund 30 Kilometer von Rothenburg ob der Tauber entfernt, ist die Welt noch in Ordnung. Sonja Schmidberger lockt ihre Ziegen in den Melkstand, und als sie etwas Futter in den Trog schüttet, drängen sich alle zwölf Tiere am Gitter. Die vordersten beiden ergattern den ersten Platz und stecken ihre Köpfe durch die Holzstäbe, Sonja Schmidberger schiebt blitzschnell einen Riegel vor, damit sie nicht mehr weglaufen können. Dann rückt sie mit der Melkmaschine an, und kurz darauf fließt die Milch. Etwa 30 Liter geben ihre zwölf Ziegen am Tag, dafür werden sie morgens und abends gemolken.

Die Schmidbergers haben einen kleinen Hof, auf dem sie Ziegenkäse, Lammfleisch und verschiedene Öle herstellen. Angefangen hat alles mit den Schafen, später kamen die Ziegen dazu. »Irgendwann kam ich auf die Idee, dass ich Ziegenkäse machen könnte«, erzählt Sonja Schmidberger. In Kursen eignete sie sich das nötige Handwerkszeug an, machte eine Prüfung, weil das die Hygienebestimmungen verlangen, und konnte loslegen. Jeden zweiten Tag verarbeitet sie die Milch, die sie dafür in der Kühlung sammelt. Das sind dann rund 60 Liter, die wiederum sechs Kilogramm Käse ergeben – eine verschwindend kleine Menge. Die winzige Käserei, die im Hauptgebäude untergebracht ist, wirkt auf sympathische Art unprofessionell, doch Sonja Schmidberger versteht ihr Handwerk. So gut, dass sich ihre Käse sogar auf dem Käsewagen von Sternekoch Jürgen Koch finden, Patron des Restaurants »Laurentius« im nahe gelegenen Weikerheim. Drei Sorten produziert sie, einen Frischkäse, einen jungen Schnittkäse und einen gereiften Hartkäse. Die vertreibt sie dann ab Hof oder auf Bauernmärkten in der Umgebung. Ob sie denn nie daran gedacht hat, eines Tages einmal zu expandieren? »Ach, das ist sehr aufwendig, und ich müsste alles hier vergrößern und viel Geld investieren. Da mache ich meinen Käse doch lieber im kleinen Stil«, sagt sie. Da mag der Schwabe ein wenig mitspielen, doch immerhin stellt sie so auch sicher, dass ihr Käse nicht seine Seele verkauft und zum Massenprodukt verkommt. Wer etwas davon haben will, muss eben zum Käse kommen und nicht umgekehrt.

Auch Käse aus pasteurisierter Milch kann schmecken
Mittlerweile gibt es in Deutschland immer mehr Produzenten wie Sonja Schmidberger, die auf Individualität und Qualität setzen und ihren Käse handwerklich herstellen. Deutschland einig Käseland? Nun ja, die Vorstellung von Deutschland als Käsenation, die es mit Frankreich, Italien oder Spanien aufnehmen könnte, ist von Haus aus gar nicht einmal so abwegig. Deutlich über 150 Sorten haben deutsche Käser im Programm, die sie von Flensburg bis Sonthofen an den Mann oder die Frau bringen wollen. Insgesamt kommen da zwei Millionen Tonnen pro Jahr zusammen, und jeder Deutsche verspeiste im Jahr 2011 laut Bundeslandwirtschaftsministerium durchschnittlich 23 Kilogramm Käse. So weit, so gut, doch leider kommt der meiste Käse nach wie vor aus industrieller Produktion und wird im Supermarkt ge- und verkauft, am besten bereits in Scheiben geschnitten und in Plastik verpackt. Möglichst neutral soll er schmecken, also nicht zu sehr nach Käse. Aber es gibt eine Gegenbewegung von ehrgeizigen Hofkäsereien und kleineren, professionell organisierten Betrieben, die noch Wert auf Reife und Geschmack legen. Dabei darf es durchaus auch einmal Rohmilch sein, doch viele gehen lieber auf Nummer sicher und verwenden pas­teurisierte Milch, liefern aber dennoch ein mehr als passables Ergebnis. Denn verglichen mit dem geschmacksarmen Industriekäse spielt ein handwerklich hergestellter Käse in einer ganz anderen Liga, auch wenn er aus pasteurisierter Milch ist – wenngleich auch dieser mit einem sorgfältig hergestellten und gereiften Rohmilchkäse meist nicht so ganz mithalten kann.

Die Käse der Dorfkäserei Geifertshofen im Landkreis Schwäbisch-Hall, die allesamt aus pasteurisierter Milch gemacht werden, brauchen den Vergleich mit Rohmilchkäsen aber nicht unbedingt zu scheuen, denn sie sind noch handgemacht und auch trotz der Pas­teurisierung kräftig und differenziert im Geschmack. Doch man darf keine romantischen Illusionen von Holztrögen und Melkschemeln haben: Auch hier unterstützen Maschinen die Produktion. Dennoch wird sehr viel Hand angelegt, und ein Käsemeister aus der Schweiz sorgt dafür, dass alles rund läuft. Margarete Schmidt, die Chefin, ist stolz darauf, dass alle Käse in Bioqualität gemäß der Richtlinien der Verbände Bioland und Demeter produziert werden. »Dafür haben wir zehn Milchbauern in der Umgebung unter Vertrag, die uns die Milch aus reiner Heufütterung und Weidehaltung liefern«, berichtet sie. Schmidt, die studierte Agrarwissenschaf­t­lerin ist, kann ihre rheinländische Herkunft nicht verleugnen; dennoch hat sie hier im Schwäbischen Fuß gefasst und eine Käserei gegründet. »Ich habe mich immer schon für die Milchwirtschaft interessiert, da war es eigentlich naheliegend, es einmal mit dem Käse zu versuchen«, erzählt sie. 1,8 Millionen Liter Milch verarbeitet die Käserei im Jahr, das gibt rund 180 Tonnen Käse. »Damit gehören wir aber zu den kleinen Betrieben«, schmunzelt Schmidt. Den Geifertshofer Käse gibt es in zwölf Sorten, angefangen beim milden, nur vier Wochen alten Sonnentaler über den vier Monate gereiften kräftigen Schwarzbierkäse bis hin zum Via Aurelia, einem Hart­käse mit 18-monatiger Lagerung, der an Parmesan erinnert.

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>>> Käse aus Deutschland: Ausgesuchte Käsereien und Internetadressen

Johannes Weiss
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