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Deutsche Biowinzer hoffen auf Wiederzulassung von Phosphonat

Künftige Starkwettereignisse könnten den Ökoweinbau gefährden – doch momentan ist keine Abwanderung aus Bio-Methoden in Sicht.

Nach dem Mehltau-Sommer 2021 scheint in Deutschland der Bio-Wein knapp zu werden – zumindest im Preiseinstiegssegment. Schon im Spätsommer des vergangenen Jahres berichtete der Einkäufer einer großen deutschen Supermarktkette im Gespräch mit Falstaff, dass er Schwierigkeiten habe, in ausreichender Menge Grundweine für die Abfüllung seiner Bio-Eigenmarken aufzutreiben. Das ist nach Abschluss der 2021er Lese nicht besser geworden: Denn durch den massiven Mehltau-Befall im Sommer 2021 haben viele Ökowinzer zwischen 20 und 50 Prozent ihres Ernteertrags eingebüßt.

Reagiert haben auch die Fassweinpreise, ein Liter Öko-Riesling wird derzeit für Kurse um die zwei Euro gehandelt – für die Fassweinmärkte ist dies ein astronomischer Tarif. Zeitgleich ist nun auf weinbaupolitischer Ebene wieder Bewegung in die Diskussion um ein Pflanzenstärkungsmittel namens Kaliumphosphonat gekommen. Dieser Stoff war bis zum Jahr 2014 EU-weit im Ökoweinbau zugelassen, wurde dann jedoch neu bewertet und als Pflanzenschutzmittel eingestuft. Seither ist seine Anwendung im Ökoweinbau untersagt.

Wie eine Impfung

Professor Randolf Kauer hat den Lehrstuhl für Ökoweinbau in Geisenheim inne. Kauer erklärt die Wirkung der Phosphonate so: »Das ist recht einfach zu beschreiben. Die Phosphonate wirken wie eine Impfung: als ein Signalgeber, der die Pflanze anregt, Abwehrstoffe zu produzieren. Daher nützt es auch wenig, Phosphonate erst auszubringen, wenn der Befall schon da ist. Die Pflanze muss Zeit haben, so genannte Phytoalexine zu bilden, postinfektionelle Abwehrstoffe.«

Aus diesem Grund sei die frühere Einordnung der Phosphonate als »Pflanzenstärkungsmittel« seiner Meinung nach berechtigt gewesen. Er würde es sehr begrüßen, fügt Kauer an, wenn die Phosphonate wieder zugelassen würden für die Biowinzer. Es waren jedoch zwei Umstände, die 2014 dazu geführt hatten, dass die EU-Kommission den Daumen gesenkt hatte: Zum einen handelt es sich bei Kaliumphosphonat um ein Salz der phosphorigen Säure, das nicht in der Natur vorkommt. Daher wurde der Stoff als »synthetisch« klassifiziert. Zum zweiten besitzt das Kaliumphosphonat auch einen direkten Pflanzenschutzeffekt: Das heisst, die Substanz besitzt neben ihrer indirekten Wirkung über die Abwehrkräfte der Pflanze auch eine direkte Wirkung auf Pilze.

Kauer deutet an, dass er diese Doppelnatur der Substanz nicht außer Betracht lässt: »Aber wenigstens als Brückentechnologie, bis wir andere Stoffe besitzen, und um den Einsatz von Kupfer zu minimieren, wären die Phosphonate schon sehr nützlich. Schließlich haben wir parallel auch noch den Klimawandel im Kreuz«. Um einen wissenschaftlichen Beitrag zur Klärung der Natur der Phosphonate zu leisten, hat Geisenheim im Forschungsprojekt VITIFIT ein Arbeitspaket zum Thema »Kaliumphosphonat« aufgelegt, mit umfangreichen Feldversuchen und Arbeiten zur chemischen Analytik.

Interesse an Bioweinbau und an Fortbildungen bleibt hoch

Die Hoffnung, dass neue Forschungsergebnisse zu einer günstigeren Bewertung der Phosphonate führen könnten, hat auch der Verband ECOVIN. Anne Holl, Pressesprecherin bei Deutschlands größtem Ökoweinbau-Verband, berichtet, dass die Repräsentantin der EU-Kommission im vergangenen Herbst den deutschen Verbänden wenig Hoffnung auf eine Wiederzulassung der Phosphonate gemacht habe. Man sei schon etwas überrascht gewesen von der Wucht der abwehrenden Haltung, dennoch herrsche Einigkeit darüber, dass man nochmal einen allerletzten Versuch unternehmen werde, die Kommission umzustimmen. »Vielleicht ist es erfolgreich, wenn wir nochmal ein neues Dossier einreichen mit den allerneuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.«

Ansonsten bleibe, so Holl, nur die Hoffnung, dass »die kommenden Weinbaujahre nicht so gravierend ausfallen wie 2021«. Eine zweite Hoffnung besteht darin, dass pilzwiderstandsfähige Neuzüchtungen, so genannte PiWis, weiter an Verbreitung gewinnen. »Allerdings hat sich gerade in 2021 gezeigt, dass auch die PiWis in einem solchen Jahr nicht völlig ohne Pflanzenschutz auskommen.«

Immerhin, so resümiert Holl weiter, hätten aber selbst in 2021 etwa »zwei Drittel unserer Mitglieder eine ganz ordentliche Ernte eingefahren, nicht überragend, aber doch o.k.«

Von einer Flucht aus dem Ökoweinbau könne jedenfalls in den Kreisen der ECOVIN-Mitglieder nicht gesprochen werden. »Bei uns im Verband haben letztes Jahr zwei von insgesamt rund 250 Mitgliedsbetrieben den Ökoweinbau aufgegeben.« Und auch der Anmeldestand bei den Umstellerseminaren, die ECOVIN anbietet, also bei Fortbildungsveranstaltungen, die von konventionell wirtschaftenden Winzern besucht werden, die sich für die Bio-Bewirtschaftung interessieren, sei unverändert hoch. »Dass das Interesse an Ökoweinbau gebrochen sein könnte, sehen wir überhaupt nicht.«

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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