Der Wodka und seine Feinheiten

Der weltweite Erfolg von Wodka hat eine Kehrseite: Zu Unrecht wird ihm die Eignung als Genussgetränk abgeschrieben.

Es gab sie, die wüsten Zeiten der Alcopops auf Wodkabasis. Glücklicherweise verschwanden sie so schnell, wie sie gekommen waren. Und doch haben diese Unsitten den Wodka letztlich zum Schmuddelkind der Bars werden lassen. Wodka ist als Zutat für vielerlei Cocktails unverzichtbar. Viele Barleute stoßen sich jedoch an jener Kundschaft, die damit nur ihren Energydrink aufmotzt. Eines ist in jedem Fall sicher: Der weltweite Erfolg ist gewaltig. Mit Wodka wird richtig Geld gemacht, die Kosten der Herstellung sind schließlich überschaubar. Aufgrund dieser Aussichten haben sich auf allen Kontinenten Erzeuger etabliert. Diese Entwicklung erhöht die Bedeutung des Marketings auf unangenehme Weise. Und so manchem, wie dem einst ambitioniert lancierten russisch-österreichischen Unternehmen Oval, wurde die Luft letztlich zu dünn.

Mit Hollywood Stars beworben und mit Diamanten gefiltert
Die Player auf dem Wodkamarkt versuchen, mit unterschiedlichen Argumenten zu punkten: Jean-Marc positioniert sich als französisches ­Luxusprodukt der Kategorie »XO«, also Extra Old, – und wirft die Frage auf, was genau an diesem Wodka nun lange gereift ist? Andere stellen Prominente als angebliche Besitzer ins Schaufenster: Bruce Willis steht für Sobieski Vodka, Dan Aykroyd für den in einen gläsernen Totenkopf abgefüllten Crystal Head Vodka. Wieder andere betonen technische Verfahren – Smirnoff Black etwa wirbt mit dem Pot-Still-Verfahren, die österreichischen Winzer Kracher und Hillinger destillieren ihren betont weichen Wodka ­namens Puriste gleich sechsfach, bei Three Sixty Vodka filtert man sogar mit Diamanten.

»Dabei«, so Jürgen Deibel, Consultant und Destillatexperte aus Hannover, »geht es mehr um die Kommunikation der Filterung als um ­deren Nutzen.« Man findet daher auch ungefilterte Versionen, etwa vom polnischen Hersteller Belvedere. Die Filterung soll das Destillat von Fuselölen reinigen. Die bei Wodka übliche ­Verwendung einer Destillationskolonne sorgt ­jedoch ohnehin für einen sehr hohen Reinheitsgrad, der dem Wodka allerdings den Ruf von Neutralität eingetragen hat. Als positive Effekte gelten hingegen geminderte Folgeerscheinungen bei exzessivem Genuss sowie eine signifikant ­reduzierte Alkoholfahne.

Russland: Die Heimat des Wodkas
Mit der Verträglichkeit von Wodka sowie seinen anderen Eigenschaften haben sich auffällig viele berühmte russische Köpfe befasst. Manche sehen in ihm gar den Grund für die große russische Literatur. Dmitri Iwanowitsch Mendelejew, der Erfinder des Periodensystems, hat wiederum die ideale Stärke für Wodka ermittelt – und sie bei exakt 40 Prozent gefunden. Daran halten sich die meisten russischen Wodkahersteller bis heute. Auch das Fassungsvermögen der Stopka, des russischen Wodkaglases, mit »sto«, also hundert, Gramm geht auf Men­delejew zurück. Nikolai Wolowitsch hingegen entdeckte 1903 über die Messung der Puls­frequenz die ideale Tagesration. Eine halbe ­Stopka galt fortan als Mittel zur Prophylaxe, im Sommer wie im Winter.

Das größte Verdienst für russischen Wodka ­erwarb sich Wiljam Wassiljewitsch Pochljobkin. Veranlasst durch den Versuch Polens 1977, die Marke Wodka allein für sich zu reklamieren, verfasste er eine umfangreiche Studie. Er fand Hinweise auf eine jahrhundertealte Tradition der Wodkakultur in Russland. In der westlichen Welt ist Wodka ein vergleichsweise junges Phänomen. »Die Feinheiten von Wodka und seine Trinkkultur werden dort oft verkannt«, sagt Jürgen Deibel. »Das nicht immer nachvollziehbare Angebot an Premiummarken führte dazu, dass viele Barkeeper sich leider abwandten.«

Der Stolichnaya Elit schaffte es in die Top 12 der Wodkas
Der Stolichnaya Elit schaffte es in die Top 12 der Wodkas

Qualität ist nicht gleich Neutralität
Die von manchen gepriesene Neutralität im Wodka ist auch mehr Hindernis als Auszeichnung. Der Großteil des in den USA erzeugten Wodkas stammt aus den neutralen Basisdestillaten zweier Großhersteller. Eines davon trägt den Produktcode 020001 und wird auch für die Herstellung industrieller Lösungsmittel verwendet. Dieses Faktum veranlasste Eric Felten, Autor des »Wall Street Journal«, zu folgendem pointiertem Kommentar: »Verdünne es mit Wasser – am ­besten von einer Quelle, die auch ein nettes Foto für das Etikett hergibt –, fülle es ab, und du bist im Wodkabusiness.« Feltens Tipp für Barbesucher: »Falls ihr euch nicht für einen Wodka entscheiden könnt: Bestellt einfach Code 020001.«

Feltons pfiffige Formulierungen treffen oft zu, doch es ist eine Mär, dass sämtliche Wodkas nach nichts schmecken. Gute Qualität definiert sich stets über ein transparentes Duft- und ­Geschmacksbild. Wodka, der auf diese Weise ­begeistert, ist sicher nicht neutral. Zudem zeigen sich vielfach sehr deutliche Noten des Grundmaterials: getreidige, grasige, blumige, würzige oder rauchige Anklänge. Auch was von manchen ­Destillerien als Weichheit gepriesen wird, ist ­bisweilen beeindruckend, aber nicht von jedem Hersteller gewünscht. Erstaunlich ist die Fähigkeit mancher Wodkas, in gekühltem Zustand noch zu strahlen – kein anderes Destillat guter Qualität würde man der Kühlung unterziehen.

Dennoch, Wodka solo bleibt schwer zu vermitteln. Markus Brunner vom »Drings« im Wiener Hotel The Ring, wo Wodkas den Großteil der präsentierten Destillate ausmachen, erzählt: »Pur ordern fast nur Russen.« Die Liste der weltbesten Wodkas liefert dafür vielleicht eine Erklärung – russische Wodkas schneiden nämlich besonders gut ab. »Der beste Wodka muss nicht der teuerste sein«, erklärt auch der ehe­malige Bartender Günter Rasfeld, der mit seiner Allgäuer Firma den russischen Wodka Mlechnij Put (Milchstraße) importiert, »außer man ­verschwendet Geld für die Verpackung.«

Die Top 12 der Wodkas

96 Punkte
Absolut Elyx, 40 %, € 80,–/1 l (S)
Das Duftbild changiert zwischen warm und kühl, im Hintergrund Aromen von Getreide, Brot, Zitrus, insgesamt sehr ruhig und tief. Von gleichförmiger, großer Kraft am Gaumen, dennoch lebendig, konsequent trocken im Abgang.

95 Punkte
Jean-Marc XO, 40 %, € 65,–/0,7 l (F)
Wunderbar ausgewogene Neutralität, süßlich-brotige ­Anklänge, leicht grasig, warm. Zeigt sich am Gaumen ­konsequent und sehr logisch, schokoladig, würzig-rauchig, weich, anhaltend.

95 Punkte
Kauffman soft, 40 %, € 60,–/0,7 l (Rus)
Warmes Duftbild, sehr neutral und ausgewogen, mit süßlichen, traubigen, zartwürzigen und an Kartoffeln erinnernden Aromen. Am Gaumen weich, crispy, süßlich und ­würzig, anhaltend.

94 Punkte
Beluga, 40 %, € 38,–/0,7 l (Rus)
Sehr ruhiges, warmes und weitgehend neutrales Duftbild mit getreidigen Anklängen. Am Gaumen sehr sanft, mit schokoladigen, nussigen und röstigen Akzenten, trocken im Abgang.

94 Punkte
Xellent, 40 %, € 42,–/0,7 l (CH)
Im Duft ätherische Aromen wie von Johannisbeerblättern, sehr transparent, kühl und würzig. Stimmig und logisch auch am Gaumen, wieder würzig, knackig-trocken im Abgang.

93 Punkte
Putinka, 40 %, € 35,–/0,7 l (Rus)
Warme, nussig-fruchtige Stilistik im Duft, Assoziation mit frisch angeschnittenen Kartoffeln. Weich, nussig, kraftvoll, neutral, anhaltend.

93 Punkte
Stolichnaya Elit, 40 %, € 65,–/0,7 l (Rus)
Transparent und strahlend im Duft, warm und kühl zugleich, getreidig. Am Gaumen knackig-mineralisch, Roggen­aromen, rauchig, im Abgang knochentrocken mit einem zarten alkoholischen Spitz.

93 Punkte
Wyborowa Exquisite Single Estate, 40 %, € 36,–/0,7 l (Pl)
Kühle und neutrale Aromatik im Duft, zarte Getreidenoten im Hintergrund, rauchig, Assoziation mit frisch angeschnittenen Kartoffeln. Am Gaumen sehr gut ausbalanciert, anhaltend und crispy.

91 Punkte
Valt Single Malt Scottish Vodka, 40 %, € 49,–/0,7 l (GB)
Viel Getreidearomatik im Duft, gleichzeitig sehr transparent, rauchig und blumig. Analog am Gaumen, wieder deutlich rauchig und getreidig, trocken im Abgang – sowohl logisch als auch witzig.

90 Punkte
Belvedere intense unfiltered 80, 40 %, € 48,–/0,7 l (Pl)
Transparent und ruhig, würzig und kühl, blumig und vegetabil. Am Gaumen weich, schokoladig, crispy, mit Druck und Würze.

90 Punkte
Ketel One, 40 %, € 20,–/0,7 l (NL)
Ruhig und weich im Duft, fruchtig-blumig, traubig-zitronig. Am Gaumen würzig, lebendig, crispy, anhaltend und trocken im Abgang.

90 Punkte
Mlechnij Put, 40 %, € 38,–/0,7 l (Rus)
Überraschend ätherisch und würzig in der Nase, Kümmel, Eukalyptus. Analog am Gaumen, insgesamt weich und im Abgang konsequent trocken.

Text von Peter Hämmerle

Aus Falstaff Nr. 03/2012

Peter Hämmerle
Autor
Mehr zum Thema
Elektrisierende Kombination aus Ingwer und Limette: Der »Tom Yum Mule«.
Wodka
Tom Yum Mule
Von Theerapol Kindt aus dem »Coast by East« in Hamburg.
Von Theerapol Kindt
Cocktail
»Wosé«: Rosa mit Schuss
Der neue Drink peppt den Lieblings-Rosé mit einem guten Schuss Wodka, Limonade und fruchtigen...
Von Fee Louise Schwarz
Roséwein
Wosé
Ein sommerlicher Trend-Aperitiv mit Rosé, Wodka und einer Handvoll Himbeeren.
Von Redaktion