Der Wein-Kontinent Sizilien

In den letzten zwanzig Jahren hat sich in Siziliens Weinbau einiges verändert. Die lange Zeit vor allem für ihre billigen Verschnittweine bekannte Mittelmeerinsel produziert mittlerweile Spitzenweine.

Sizilien – so sagen die Sizilianer immer – sei keine Insel, sondern ein eigener Kontinent. Heißes, ausgeprägt subtropisches Klima an den Stränden rund um die Insel steht im Kontrast zum ewigen Eis am Ätna in über 3000 Meter Höhe. Ähnliche Dimensionen gibt es im Weinbau: Dort spannt sich der Bogen von den sonnendurchfluteten Weingärten in der Ebene bei Pachino im Südosten oder bei Marsala im Südwesten über Mittelgebirgslagen im Landesinneren bis hin zu Höhenlagen an den Hängen des Ätna, wo Weinbau auch auf 1000 Metern über dem Meer zu finden ist. Entsprechend vielfältig sind die Weine der Sonneninsel. Zu dieser Vielfalt tragen auch die vielen Weinbaubetriebe bei, die im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte entstanden sind.

PLANETA
Eine Reise durch Sizilien« – unter diesem Motto präsentiert sich das Weingut Pla­neta. Der Betrieb wurde zu Beginn der Neunzigerjahre von den Cousins Fran­cesca und Alessio Planeta gegründet. Mit viel Eifer stürzten sich die beiden ins Francesca PlanetaWeinabenteuer. Alessio hatte Weinbau und Kellerwirtschaft studiert, Francesca war vorher als Produktmanagerin bei Nestlé tätig gewesen. Im Hintergrund zog Alessios Vater, Diego Planeta, seines Zeichens Präsident der Cantina Settesoli in Menfi, die Fäden. Innerhalb weniger Jahre schafften sie mit harter Arbeit, hervorragenden Weinen, geschicktem Marketing und nicht zuletzt mit ihrem jugendlichen Charme etwas, was vorher keinem anderen sizilianischen Weingut gelungen war: der gesamten Weinwelt zu beweisen, dass auf Sizilien auch hervorragende Spitzenweine erzeugt werden können. Das erste Weingut lag am Lago Arancio bei Sambuca. Schon bald kamen Weingärten und eine Kellerei bei Menfi hinzu.

Sizilianische Rebsorten
Während die Planetas in den ersten Jahren vor allem mit internationalen Sorten Erfol­ge feierten, entdecken sie in letzter Zeit zunehmend auch den Wert der sizilianischen Rebsorten. 1997 wurde der erste Santa Cecilia, ein Nero d’Avola, erzeugt. Vom Jahrgang 2000 wurde erstmals der Cometa, ein reinsortiger Fiano, präsentiert. Fiano ist zwar keine traditionell sizilianische Sorte, sondern kommt aus Kampanien, der Wein hatte aber so gro­ßen Erfolg, dass in den folgenden Jahren auch viele andere Produzenten Fiano auspflanzten. Mit Santi, Alessios jüngerem Bruder, stieß Weintraubenzur Jahrtausendwende der dritte Planeta zum Betrieb. Die drei erwarben weitere Weingüter auf der ganzen Insel. Das erste in dieser Reihe war ein Weingut bei Vittoria im Südosten der Insel. Hier bauen die Planetas ihren Cerasuolo di Vittoria an. Cerasuolo ist übrigens der erste und bisher einzige DOCG-Wein Siziliens. Bald folgte das Weingut Buonivini bei Noto. Dieses Gebiet gilt als Grand Cru für Nero d’Avola, die wichtigste autoch­thone Rotweinsorte Siziliens. Seit dem Jahrgang 2007 wird Planetas Santa Cecilia ausschließlich aus Trauben von Noto erzeugt. Daneben gibt es Weinberge, die dem Muskateller vorbehalten sind. Er bietet die Grundlage für den köstlichen süßen Passito di Noto. 2005 erwarb die Familie ein rund zehn Hektar gro­ßes Weingut am Ätna in 850 Meter Höhe. Dieses Jahr kommen davon die ersten Flaschen Carricante auf den Markt.

Auf Capo Milazzo soll der Mamertino wieder auferstehen
Die letzte Erweiterung gab es vor einigen Monaten in einzigartiger Umgebung: eine rund 30 Hektar große Hochebene über dem Meer. Rund neun Hektar dienen dem Weinbau, der Rest besteht aus Olivenbäumen und Macchia. Capo Milazzo ist eine Halbinsel, die sich im Norden von Messina erstreckt. Hier möchten die Planetas den Mamertino wieder auferstehen lassen, von dem berichtet wird, dass ihn bereits Julius Cäsar gerne trank.

TASCA D'ALMERITA
Ein anderer großer Name in der sizilianischen Weinwelt ist Tasca d’Almerita. Es war zu Beginn der Neunzigerjahre, als ich erstmals auf die Weine von Tasca aufmerksam wurde. W Lucio ­Tasca eltweit boomten gerade Cabernet und Chardonnay, und Tasca d’Almerita zeigte bei beiden Sorten, dass Sizilien auch in diesen Bereichen souverän mithalten kann. Die Tascas, eine alte sizilianische Adelsfamilie, beschränken ihre Produktion nicht auf einen Standort, sondern führen fünf Betriebe, die über die ganze Insel verstreut sind. Zentrum ist die Tenuta Regaleali, ein Landgut von 500 Hektar Umfang, das im Landesinneren an der Grenze zwischen den Provinzen Palermo und Caltanisetta liegt. Knapp 400 Hektar davon sind Weingärten, die auf Höhen von 400 bis 700 Metern lie­gen. Geleitet wird das Weingut von Conte Lucio Tasca d’Almerita und seinen Söhnen Giuseppe und Alberto. Während Lucio und Alberto Tasca das städtische Ambiente vorziehen und sich vorwiegend in Palermo aufhalten, fühlt Giuseppe Tasca sich ganz dem Land verpflichtet. Auf Regaleali, so sagt er, sei er zu Hause.

Top-Weine
Neben Chardonnay und Cabernet Sauvignon ist der Rosso del Conte, den einst sein Großvater kreierte, der dritte Top-Wein von Tasca d’Almerita. Der Rosso del Conte besteht aus Nero d’Avola sowie etwas Perricone. Die bekanntesten Weine aus dem Hause Tasca sind der Regaleali Bianco (Inzolia, Catarratto, Varietà Tasca) und der Regaleali Rosso (Nero d’Avola), die beide in beachtlichen Stückzahlen erzeugt werden.

Die Weingüter der Adelsfamilie erstrecken sich über ganz Sizilien
Der Stadt Trapani im Westen vorgelagert befindet sich die Insel Mozia, auf der einst schon die Phönizier Wein angebaut haben. Seit einigen Jahren haben die Tascas von der Stiftung Withaker, in deren Eigentum sich die Insel befindet, die Weingärten übernommen. Daraus erzeugen sie einen eigenständigen Weißwein aus Grillo-Trauben. Vor einigen Jahren erwarb man auch ein Weingut am Nordhang des Ätna. Es liegt auf 750 Meter Höhe und umfasst 18 Hektar. Demnächst sollen dort geschliffene Rotweine auf Basis der lokalen Nerello-Mascalese-Trauben entstehen. Das wohl schönste Weingut von Tasca d’Almerita befindet sich auf der Insel Salina. Die Familie besitzt hier fünf Hektar mit Malvasia-Trauben – auf Hängen, die steil Die Weingüter der Adelsfamilie Tascazum Meer hin abfallen. Daraus wird ein einziger Wein erzeugt, der Capofaro. Für diesen edlen Süßwein werden die Trauben nach der Lese im Schatten getrocknet und schonend gepresst. Ziel ist es, so Alberto Tasca, im Wein auch die feine Aromatik der Trauben zu erhalten. Letzter Baustein im Unternehmen Tasca d’Al­me­rita ist das Weingut Sallier de La Tour. Es umfasst rund 50 Hektar Weinberge und befindet sich im Hin­terland von Palermo bei Monreale. Für zwanzig Jahre habe die Tascas von ihren Cousins Sallier de La Tour die Weinberge und den Keller übernommen. Derzeit werden dort klare, fruchtbetonte sortenreine Weine erzeugt: Inzolia, Grillo, Cabernet, Merlot, Nero d’Avola und Syrah. In Zukunft möchte man verstärkt auf Syrah setzen, der hier hervorragende Ergebnisse zeigt. Demnächst sollen auch ein weißer (Semillon, Viognier, Sauvignon) und ein roter (Syrah) Lagenwein erzeugt werden.

DONNAFUGATA
Zu den wichtigen Betrieben der Renaissance des sizilianischen Weines zählt vor allem auch Donnafugata. Der Betrieb der Familie Rallo befindet sich in Marsala, die Weingüter in Contessa Entellina im Hinterland von Menfi im Südwesten der Insel. José RalloNachdem sie den ursprünglichen Marsala-Betrieb verkauft hatten, starteten Gabriella und Giacomo Rallo 1983 das Projekt Donnafugata. Heute ist bereits die nächste Generation, José und Antonio, mit der Leitung des Betriebes befasst. Gut 260 Hektar gehören zu Donnafugata im Anbaugebiet von Contessa Entellina.

Spitzenweine
Die qualitative Spitze des Sortiments bildet der »Mille e una notte«, ein dichter, kraftvoller Nero d’Avola. Daneben wird in den Kellern in Marsala noch eine ganze Reihe hervorragender Weine erzeugt, so etwa der Tancredi, eine Cuvée aus Nero d’Avola und Cabernet Sauvignon, der auch durch sein hervorragendes Preis-Leis­tungs-Verhältnis besticht. Der Wein, der mir bei Donnafugata aber am meisten am Herzen liegt, ist ein Süßwein. Der »Moscato Passito di Pantelleria Ben Ryé« wird auf Pantelleria erzeugt. Ben Ryé kommt – wie viele Namen auf Pantelleria – aus dem Arabischen und bedeutet so viel wie »Kind des Windes«, eine Anspielung auf die heftigen und dauerhaften subtropischen Winde, die diese schon näher bei Afrika als bei Sizilien gelegene Insel umstreichen. Für den Ben Ryé werden die Moscato-Trauben unter freiem Himmel angetrocknet und dann verarbeitet. In einem Schluck dieses köstlichen Süßweines findet man die ganze Essenz dieser wild-herben Insel vereint.

COS
Die vierte Station meiner Reise durch den »Wein-Kontinent« Sizilien führt in den Südosten der Insel, nahe der Stadt Vittoria. 1980 gründeten hier die drei Giusto Occhipintiweinbegeisterten Jugendlichen Gianbattista Cilia, genannt Titti, Giusto Occhipinti und Pinuccia Strano ihren eigenen Betrieb. Sie nannten ihn kurz COS, nach den Anfangsbuchstaben ihrer Familiennamen. Von den dreien sind im Laufe der Jahre zwei übrig geblieben: Cilia und Occhipinti. Beide sind mittlerweile auch gestandene Architekten.

Cerasuolo di Vittoria und Pithia
Bei COS setzte man von Beginn an auf den ­Cerasuolo di Vittoria, der immer noch ihr wichtigster Wein ist. Ein ganz eigener Wein ist der reinsortige Frappato. Von der Farbe her erinnert er eher an einen Rosé, er duftet intensiv nach Himbeeren und Erdbeeren und fließt erfrischend durch die Kehle. Ungewöhnlich an diesem Wein ist auch der für sizilianische Verhältnisse sehr ­bescheidene Alkoholgehalt von 12 bis 12,5 Prozent. Leicht gekühlt ist das der ideale Wein für den Sommerabend auf der Terrasse oder zu Fisch in Tomatensauce, wie er in Italien häufig zubereitet wird. Außergewöhnlich ist auch ein zweiter Wein von COS, der Pithia. Dieser Cerasuolo (60 Prozent Nero d’Avola, 40 Prozent Frappato) vergärt in großen Ton-Amphoren, die in Kies ein­gebettet sind. Er zeigt eine schöne süße Frucht und wirkt sehr feingliedrig – ein Wein, den man einfach probieren muss.

Die vier Betriebe Planeta, Tasca d’Almerita, Donnafugata und COS zeigen eindrucksvoll, dass Sizilien in der Weinwelt ganz oben mitspielt.

>> Zu den Verkostungsnotizen

von Othmar Kiem

aus Falstaff 04/2010

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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