Der Quotenflüsterer – Nico Hofmann im Interview

Er ist einer der erfolgreichsten Filmproduzenten Europas und Genussmensch. Mit Christoph Teuner sprach der 54-Jährige u. a. über sein schwieriges ­Verhältnis zu Saumagen.

FALSTAFF: Herr Hofmann, Sie sind der erfolgreichste Produzent im deutschsprachigen Raum. Wie oft geben Sie rauschende Feste in Ihrer Berliner Villa?
Nico Hofmann (lacht): Da muss ich Sie enttäuschen. Nie! Ich habe keine Villa, nur zwei kleine Wohnungen, eine in der Nähe der UFA in Babelsberg. Und zwei Kühlschränke, die bis auf das Obst für das Frühstück leer sind. Ich habe keinen Weinkeller und keine Zigarren. Ich kann dafür stundenlang über Restaurants und Hotels reden. Im vergangenen Jahr war ich 230 Tage unterwegs. Im Moment ­haben wir bei der UFA Fiction weltweit 48 Produktionen.

Von all den Restaurants, die Sie kennen – welche sind Ihnen die liebsten?
Das »Acquarello« in München. Ein toller Italiener. Ich habe es entdeckt, weil Maria Furtwängler um die Ecke wohnt. Mit ihr habe ich derzeit viel zu tun, weil wir unseren Leni-Riefenstahl-Film planen. Das Beste im »Acquarello« sind die Walnussravioli mit Ricotta und einer leichten, schaumigen Sauce. Dann das »Da Gianni« in Mannheim, das Helmut Kohls Lieblingsitaliener ist. Und der »Adler« in ­Asperg sowie das Wiener »Fabios«.
 
Das klingt ein bisschen eintönig: Italiener, Italiener, Italiener...
Diese Vorliebe hat unter anderem mit Donna Leon zu tun. Wir haben die Reihe vor zehn Jahren für die ARD übernommen. Wenn ich Donna in Venedig besuche, führt sie uns in die kleinsten, schönsten Straßenlokale. Nichts Aufgedonnertes. ­Pasta in allen Variationen. Wir haben auch schon vier Stunden lang nur Nudeln gegessen. Die Köche haben mir jede Sorte und ihre Geschichte erklärt.

Ihre Lust am Essen einmal beiseitegelassen – ich habe den Eindruck, wir leben in einer lustfeindlichen Zeit. Manager sind spindeldürr und laufen Marathon. Vettel und Co. haben Ernährungsberater und trinken nur Mineralwasser. Früher haben Formel-1-Fahrer wie James Hunt in Monaco die halbe Nacht durchgefeiert und sind dann den Grand Prix gefahren. Gibt es wenigstens in Ihrer Branche noch eine Feierkultur?
Für mich war und ist der große Bernd Eichinger prägend. Sein kreatives Zentrum war das Lokal, das durch Helmut Dietls fulminanten Film »Rossini« so berühmt wurde; Heiner Lauterbach hat Oskar Reiter, dessen Figur eine Anspielung auf Bernd war, umwerfend gut gespielt in »Rossini«. Oft sind wir zu zweit hingegangen und am Ende saßen 15, 20 Leute bei uns. Unglaublich, was für eine Energie, Euphorie, Lebenslust, Sinnlichkeit da von Bernd ausgegangen ist. Da wurde viel Weißwein getrunken, während wir wichtige Projekte besprachen. Unseren Beruf kann man ohne Lust nicht ausüben.

Wer sind denn heute die Lustbomben in Ihrer Branche?
(lacht) Die Schauspieler, die Drehbuchautoren. Das ganze Kreativgewerbe. Nehmen Sie Hannelore Elsner. Ich mache gerade einen großen Film mit ihr. Die besten Ideen kommen nach zwei Uhr morgens. Man muss die Fantasieräume aufmachen!

Im »Acquarello« in München gibt es laut Nico Hoffmann herrliche Walnussravioli mit Ricotta / Foto beigestellt
Ehrlich, das geht immer noch im Jahr 2014? Glaube ich nicht...
Sie haben recht, wir leben wirklich in einer Managementgesellschaft mit Permanenzkontrolle. Wenn ich heute mit einem wichtigen Fernseh­redakteur essen gehe, müssen wir wegen der Controller in eine Pizzeria! Als ich vor Jahren eine Auszeichnung als Weingourmet bekommen sollte, haben mir Kollegen geraten, sie nicht anzunehmen, weil ich mich dann rechtfertigen müsse. Aber Sie können mit Nadja Uhl oder Veronica Ferres nicht Mineralwasser zum Abendessen trinken oder einen auf Currywurst machen! Für meine Branche wäre Lustfeindlichkeit tödlich.

Wie kommen Sie heraus aus der Nummer?
Es gibt klare Compliance-Regeln. Die halte ich strikt ein. Wenn mein Gast Champagner bestellt, zahle ich den Preisunterschied zum Weißwein selbst.

Sie sprechen über Energie und Lust. Was ist mit Geld? Zahlen sich die lustvollen Essen mit viel Wein auch finanziell aus für den ­Produzenten Hofmann?
Ja, eigentlich ununterbrochen. Alle Deals finden beim Essen statt. Die Gespräche für das Weltvertriebsgeschäft für »Der Medicus« haben wir im »Bogenhauser Hof« in München geführt. Extrem schwierige Verhandlungen, vier Stunden lang. Am Ende machten wir einen Serviettendeal, wie Bernd früher auch. Oder meine ersten Musikverträge mit dem österreichischen Komponisten Harald Kloser, der später auch für Roland Emmerich Drehbücher schrieb. Die haben wir an der Stehtheke des »Matsuhisa« in Los Angeles gemacht. Ganz wichtig auch das Brenners Parkhotel in ­Baden Baden. Stauffenberg, Rommel und mehr – alles im Wintergartenrestaurant verhandelt und unterzeichnet.

Und in Berlin, wo Ihr Unternehmen sitzt?
Das »Grill Royal«. Das ist mein liebstes Res­taurant. Da komme ich auf 30, 40 heftige Deals. Zum Beispiel »Unsere Mütter, unsere Väter«, ein Programm, das in 109 Länder verkauft wurde. Und alle waren schon da: die großen deutschen Schauspieler, die wichtigen Produzenten aus England und den USA oder Olivier Martinez, mit dem wir den »Medicus« gedreht haben. 

Von Hollywood und der Hauptstadt in die Pfalz. Sie sind Pfälzer. Das hört man trotz ­Ihrer Weltgewandtheit deutlich...
(lacht) Und wie! Heino Ferch oder Götz George können meinen Akzent so perfekt nachmachen – da denke ich, ich rede selbst...

Sie müssten ein großer Freund Pfälzer Weine sein...
Meine Mutter war Journalistin bei der FAZ und hat unzählige Artikel über Winzer aus der Pfalz und Rheinhessen geschrieben. Sie hat diese Branche und ihre Wichtigkeit für den Wirtschaftsteil der FAZ entdeckt. Wir waren ununterbrochen auf Weingütern. Und ich war als kleiner Junge oft dabei. Manchmal durfte ich auch den Finger in ein Glas Wein tauchen. Über die Jahre sind tolle Freundschaften entstanden, zum Beispiel mit den Weinmachern von Fitz-Ritter oder Bürklin-Wolf. Wenn Freunde aus ­Amerika kommen, fahre ich manchmal acht, neun Mal in einem Sommer in die Pfalz.

Interview in Köln: Nico Hofmann und Christoph Teuner / © Albert Fuchs
Interview in Köln: Nico Hofmann und Christoph Teuner / © Albert Fuchs

Dann lieben Sie sicher gefüllten Saumagen!
Sie täuschen sich. Ich bin kein Freund von Saumagen. Aber wir gehen natürlich immer wieder in den Deidesheimer Hof, wo überall Helmut-Kohl-Bilder hängen. Ich esse fast nur noch Fisch. Das hat wohl mit meinem Pfälzertum zu tun. Wenn man als Kind immerzu Fleisch bekommt, zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Abendessen, hat man irgendwann genug. Meine Oma war Metzgerin. Sie hat bis zu ihrem Tod nicht verstanden, dass ich nicht mit derselben Lust Fleisch gegessen habe wie sie.

Und jetzt isst der Pfälzer Steinbutt und trinkt einen Crémant aus dem Burgund. Ich bin schockiert...
Ich liebe Crémant und Winzersekte. Ich habe Abende, wo ich bis vier Uhr in Stimmung bleiben muss, beim Deutschen Filmball oder bei der Berlinale. Die meisten Schauspielerin­nen trinken übrigens auch Sekt und Champagner, das ist bei Veranstaltungen ein Trend geworden. Wenn ich Rotwein trinke, will ich um Mitternacht ins Bett.

Welche Rolle spielen Essen und Trinken im Film, auf der Leinwand?
Bei vielen großen Filmen gibt es eine zentrale Essensszene. Nehmen Sie die »Der Pate«-Trilogie von Coppola. Die entscheidenden Szenen sind die großen Gelage. Oder »Das Fest« von Thomas Vinterberg, der in Cannes den Hauptpreis gewonnen hat. Das Drama findet bei einem Essen statt.

Ist es schwer, Essensszenen gut zu drehen?
Ja. Per se sind sie langweilig. Wenn man sie gut inszeniert, können sie aber extrem spannend sein. Das ist eine hohe Kunst.

Wo ist das gelungen?
In der Verfilmung von »Der Turm« von Uwe Tellkamp mit Jan Josef Liefers und Nadja Uhl. Das Weihnachtsessen und das Abitur­essen – das sind die einzigen Momente, wo die Familie zusammenfindet.

Und die größten Probleme bei solchen Szenen?
Wenn einer wirklich essen muss und nicht nur so tut, als äße er. Sie können viel lernen über einen Menschen, wenn Sie ihn beim ­Essen beobachten.

Wie gehen Schauspieler mit Essszenen um?
Maria Furtwängler hasst sie. Das kann ich verstehen, wegen der fettigen Lippen und der Schmatzgeräusche. Stellan Skarsgard liebt sie. Im »Medicus« hat er eine Riesenszene in einem Bordell, wo er mit mehreren Frauen gleichzeitig essen und schlafen muss, halbnackt. Und mein lieber alter Freund Götz George kann alles: essen, trinken, spielen – zur selben Zeit.

Wie ist es mit Saufszenen?
Unglaublich schwer! Man muss Trunkenheit spielen und gleichzeitig genau artikulieren. Das ist selten authentisch und meistens lachhaft und aufgesetzt. Am besten spielen die, die im echten Leben so gut wie nie betrunken sind.

Sie sind gelernter Regisseur und erst später zum Produzieren gekommen. Wie wirkt sich das aus?
Wenn ich etwas verbessern will, kann ich das mit meiner Detailerfahrung recht gut begründen. Grundsätzlich will ich aber eine Diskussionskultur. Das bessere Argument zählt. Wenn es sein muss, fasse ich selber mit an. Neulich habe ich einen kompletten Film umgemischt.

Sind sie ein Kontrolletti?
Im künstlerischen Prozess zunächst nicht, auf der Zielgeraden bin ich ein Megakontrolletti. Ich muss ja auch auf die Zahlen schauen, bin für das EBIT verantwortlich.

Wie erkennen Sie, ob eine Filmidee funktioniert oder nicht?
Immer mit dem Kopf und dem Bauch. Jeder Stoff muss einen Mehrwert haben. Wie die Satire über Ex-Wirtschaftsminister Guttenberg; die lief fulminant. Hat der Stoff ­keinen Mehrwert, lasse ich die Finger davon. Wenn ich das nicht tue – wie beim Film über Christian Wulff –, dann ist die Quote nicht so gut, wie ich will. Das Interessante ist: Ich habe lange keinen Film gemacht, der so tolle Kritiken hatte. 240 Rezensionen, 200 davon gut. Es ist mehr über den Film ­geschrieben worden als über den echten Rücktritt von Wulff.

Wie gehen Sie mit solchen Niederlagen um?
Misserfolg ist hier das völlig falsche Wort. Ich analysiere Resultate bis ins Detail: Minutenverlauf bei der Einschaltquote, Internetkommentare, Tweets, die während des Films gepostet wurden.

Machen Sie inhaltlich Kompromisse, wenn Sie einen anspruchsvollen Stoff für Privat­sen­der verfilmen, die Werbeunterbrechungen machen und eine klar definierte Zielgruppe haben?
Nein. Sie wissen, wie Ihr Film aussehen muss; da können Sie keine Kompromisse ­machen. Hätte ich mit dem Wulff-Film das typische weibliche Sat1-Publikum bedienen wollen, hätte es ein deftiger Ehekrisenfilm werden müssen, mit Bettina Wulffs ­Roman als Vorlage. Nichts lag mir ferner.

Bis zu sieben Millionen Menschen schauen Boulevard-Schmonzetten wie den Landarzt oder den Bergdoktor...
Dagegen habe ich nichts einzuwenden. ­Wissen Sie, ich bin in den letzten Jahren ­extreme Risiken eingegangen. Viele haben ­gesagt: Das will keiner sehen. Am Ende hat »Der Turm« Borussia Dortmund geschlagen. Und »Unsere Mütter, unsere Väter« oder »Der Fall Jakob Metzler« hatten mehr als sechs Millionen Zuschauer. Wo die Leute gefordert werden, da schauen sie. Wir machen die schlimmsten Erfahrungen, wenn wir den Mittelweg gehen.

Würden Sie den Fall Hoeneß verfilmen?
Der Fall ist binnen kürzester Zeit Tausende Male durchdiskutiert worden. Ein Film ­würde nur funktionieren, wenn man ihn sehr menschlich, sehr bayerisch machen würde, vielleicht auch parodistisch. Hoeneß hat viele tolle Seiten; ich mag den Kerl. Er hat einen Flugzeugabsturz überlebt, den verschossenen Elfmeter im EM-Finale und das Karriereende durch die Knieverletzung weggesteckt. Mich faszinieren die Brüche, die Kraft, die Über­lebensenergie. Ich bin überzeugt davon, dass er wiederkommt.

Wer könnte ihn spielen?
Ottfried Fischer ist die ideale Verkörperung bayerischer Naturgewalten.

Text von Christoph Teuner
Aus Falstaff Nr. 04/2014 bzw. Falstaff Deutschland Nr. 05/2014

Christoph Teuner
Christoph Teuner
Redakteur
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