Südtiroler Speck vereint das Beste aus zwei Welten, weil er geräuchert und luftgetrocknet wird.

Südtiroler Speck vereint das Beste aus zwei Welten, weil er geräuchert und luftgetrocknet wird.
© IDM Südtirol/Frieder Blickle

Der herzhafte Biss in den Speck

Unser Autor erinnert sich an seine Frühprägung in Geschmacksbelangen, erzählt, was Südtiroler Speck so einzigartig macht, und stattet drei sehr unterschiedlichen Produzenten einen Besuch ab.

Was macht guten Speck aus? Und wer hat den besten Speck? Um diese kniffligen Fragen zu beantworten, muss man ein wenig ausholen und seinen Blick in Richtung Knödel lenken. In Südtirol ist der Knödel nämlich ein küchenphilosophischer Nahverwandter des Specks. Denn so wie die besten Knödel immer die eigene Mutter macht und Spitzenköche lediglich annähernd an die mütterlichen Knödelkünste heranreichen, verhält es sich auch mit dem Speck. Der Maßstab für mich ist der Speck meines Großvaters. Rauchig war der – und durchzogen. Das Wichtigste war aber nicht das Rote, also der Fleischanteil im Speck, sondern das Weiße: der Fettanteil. Das Fett machte letztendlich den Geschmack aus, und das musste bissfest sein. Diese Bissfestigkeit und das Verhältnis Rot zu Weiß sind für mich heute noch der Maßstab für guten Speck.

Streng gehütete Familienrezepte machen Südtiroler Speck zu einer Religion.
© Helmuth Rier
Streng gehütete Familienrezepte machen Südtiroler Speck zu einer Religion.

Nord trifft Süd

So ein Speck mit derart hohem Fettanteil, erzählen mir Südtiroler Speckproduzenten, sei aber nur an die Südtiroler selbst zu verkaufen. Für alle anderen Speckgenießer sollte der Fettrand nur einen Zentimeter breit sein. Höchstens! Aber was macht Südtiroler Speck abseits dieser, meiner persönlichen, Maßstäbe so einzigartig?
Ausgangsprodukt für den Südtiroler Speck sind ausgelöste Schweinskeulen, die sogenannten Hammen. Über zweieinhalb Millionen Hammen werden jährlich verarbeitet. Das entspricht einem Drittel der gesamten Speckproduktion im Lande. Traditionell wird Speck zwar auch aus ­den vorderen Teilen Bauch und Schulter erzeugt, die tragen dann allerdings nicht das »g.g.A.«-Siegel. Dieses Siegel verweist da­rauf, dass der Speck nach traditionellen Methoden in der Region verarbeitet wurde und auf eine Besonderheit von Südtiroler Speck, die auf dem Grundsatz »wenig Salz, wenig Rauch und viel frische Bergluft« beruht. Dieses Credo vereint nämlich zwei unterschiedliche Methoden, zwei Speck-Schulen, wenn man so will: die mediterrane und die mittel- beziehungsweise nordeuropäische. Der Unterschied ist schnell erklärt. Die mediterrane Methode entzieht der Schweinekeule durch Salz und Lufttrocknung das Wasser. Bekanntestes Beispiel ist der ­Parmaschinken. Bei der nordischen Methode wird das Fleisch durch Salzen, Würzen und Räuchern haltbar gemacht. Das kennt man etwa vom Schwarzwälder Schinken.

Blick in die Selchkammer der Metzgerei Senfter.
© Frieder Blickle
Blick in die Selchkammer der Metzgerei Senfter.

Südtirol hat sein eigenes, typisches Herstellungsverfahren entwickelt und kombiniert diese zwei Methoden: Zuerst wird der Speck mild über Buchenholz und Gewürzen geräuchert, danach reift er mehrere Monate an der Luft. Diese Symbiose macht den Südtiroler Speck einmalig und unverwechselbar. Noch heute hat jeder Produzent sein eigenes Familienrezept, und die Zusammensetzung der Gewürze, mit denen der Speck eingerieben wird, ist ein wohlgehütetes Familiengeheimnis.

Richtig genießen

Südtiroler Speck ist jedenfalls ein gern gesehener Gast auf Tellern. Traditionell wird der Speck zum Essen in kleine Streifen geschnitten. Es gibt in Südtirol wahre Meister, die den Speck mit rasender Geschwindigkeit kleinschneiden. Ein wahrer Genuss, da zuzusehen. Man kann den Speck aber selbstverständlich auch mit der Maschine in dünne Scheiben schneiden. So entwickelt er einen milderen, dem Schinken ähnlichen Geschmack. Aus der Südtiroler Küche ist Speck nicht wegzudenken. Seinen großen Auftritt hat er meist in den Speckknödeln. Dann treffen Knödel- und Speckphilosophie zu einer fulminanten kulinarischen Liaison zusammen. Aber abseits der Hausmannskost greift auch die Sterneküche bei ihren feinen Kreationen immer wieder auf Südtiroler Speck zurück.

Der Metzger

Lösungsorientiert
»Es gibt immer mehr Lösungen als Probleme« steht prägnant am Eingang zum Büro von Lukas Pfitscher. Sein Vater Gottfried hatte im Zentrum von Meran eine Metzgerei. Dort hat er sich langsam aufs Speckmachen konzentriert. Vor einigen Jahren übersiedelten die Pfitschers den Betrieb nach Burgstall und vergrößerten die Produktion. Rund 200.000 Hammen werden hier zu Speck gemacht. Aber nicht nur. Mit ihrer Frischfleisch-Sparte bedienen die Pfitscher das ganze Land.

Das Rot-Weiß-Verhältnis ist bei Speck nicht unwesentlich.
© Daniel Pertoll Photography
Das Rot-Weiß-Verhältnis ist bei Speck nicht unwesentlich.

Ausgezeichnet vertreten
Mittlerweile sind die beiden Söhne leitend im Betrieb tätig. Neben Lukas, dem Älteren, der sich um alles Geschäftliche kümmert und bei Kunden in ganz Europa unterwegs ist, auch Michael, der Jüngere, der für die Produktion verantwortlich ist. »Unser Speck ist im mittleren und gehobenen Qualitätssegment angesiedelt. Sein Geschmack ist rund und elegant«, erzählt Lukas Pfitscher.  Der Edelspeck landet in ausgewählten Supermärkten, aber auch in Feinkosttempeln wie Meinl am Graben in Wien oder Käfer in München. Der Espresso-Führer »Salumi d’Italia« bedachte Pfitscher-Speck übrigens mit der höchsten Auszeichnung. Lediglich 22 andere Fleischprodukte aus Italien liegen auf dem
gleichen Qualitätsniveau.

Mehrfach ausgezeichneten Speck gibt es in der Metzgerei Pfitscher zu verkosten.
© Foto beigestellt
Mehrfach ausgezeichneten Speck gibt es in der Metzgerei Pfitscher zu verkosten.

Metzgerei Pfitscher
Romstraße 20, 39014 Burgstall
T: +39 0473 292358
www.pfitscher.info

Der Bauer

Guter Speck braucht Zeit
»Begonnen hat alles als Hobby«, erzählt Johann Stauder stolz. »Ich war Skilehrer und wollte für meinen Hof ein Zusatzeinkommen schaffen.« Der Stofnerhof liegt in sonniger Lage im urigen Sarntal. Hühner, Pferde und Kühe gibt es hier – und auch Schweine. Und die werden unter dem Namen »Sarner Speck« zu Speck verarbeitet. Da der Eigen­bestand nicht ausreicht, werden zusätzlich Schweine von einem langjährigen Lieferanten in Bayern zugekauft. »Bei uns ist noch alles Handarbeit.« Geselcht wird mit Holz aus dem eigenen Wald. Drei Wochen hängt der Speck in der Selchkammer, nicht nur ein paar Tage wie bei den modernen Anlagen. Danach reift er viele Wochen in der würzigen Bergluft. Verarbeitet wird übrigens das ganze Schwein. Exportiert wird nicht, dafür kann man ausnahmslos das ganze Jahr über ab Hof die herrlichen Speck- und Wurstwaren kaufen. 

Johann Stauder produziert Spitzenspeck, den man ab Hof ganzjährig kaufen kann.
© Alberto Campanile
Johann Stauder produziert Spitzenspeck, den man ab Hof ganzjährig kaufen kann.

Stofnerhof
Steet 40, 39058 Sarnthein
T: +39 0471 622422
www.stofnerhof.it

Tradition, die wächst

1857 begann die Metzgerei Senfter in Innichen im Pustertal mit der Erzeugung von Fleisch- und Wurstwaren nach Südtiroler Tradition. 1960 übernahm Franz Senfter den Familienbetrieb. In einem halben Jahrhundert machte er daraus ein führendes Unternehmen der italienischen Lebensmittelindustrie. Grandi Salumifici Italiani, ein Zusammenschluss aus Senfter und Unibon, ist der größte Hersteller klassischer italienischer Wurstwaren. »Aber Speck ist immer noch unser Kerngeschäft«, erklärt Helmuth Senfter, ein smarter Enddreißiger, der gerade von der Skipiste kommt.

Helmuth Senfter leitet die Geschicke des Familienbetriebes.
© Ivocorra Fotografo
Helmuth Senfter leitet die Geschicke des Familienbetriebes.

In die Welt hinaus
Dort, wo alles begann, in der Metzgerei Senfter am Senfter Platzl, sitzt nun Helmuth Senfter und erzählt begeistert von Speck und Fleisch, von Heimat, aber auch von internationaler Weite. Gleich nach dem Studium ging Helmuth Senfter nach China und baute dort ein eigenes Werk auf. »China ist großartig, aber nicht einfach«, erinnert er sich.

Dieses Brandzeichen bekommt der Südtiroler Speck g.g.A. aufgedrückt.
© Frieder Blickle
Dieses Brandzeichen bekommt der Südtiroler Speck g.g.A. aufgedrückt.

14 Jahre blieb Senfter im Reich der Mitte und lernte dort auch seine Frau kennen. Der Spagat zwischen Heimatverbundenheit und Weltbürgerschaft gelingt der Familie jedenfalls. Welchen Speck er am liebsten isst? »Unseren Bauernspeck natürlich. Der stammt von Schweinen, die hier in Südtirol großgezogen werden, und reift mindestens acht Monate!«

Metzgerei Senfter
Alter-Markt-Straße 4, 39038 Innichen
T: +39 0474 913139
www.senfter-metzgerei.it

Aus dem Falstaff Südtirol Spezial 01/2017.

Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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