Das signierte Gericht

Signature Dishes – ein Anglizismus erobert das Gastro-Universum. Jeder Gourmet, der auf sich hält, schwadroniert darüber. Doch was ist wirklich damit gemeint? Und kann man das alles nicht viel besser benennen? Eine Diskussion.

Natürlich wissen wir das zu würdigen. Wenn das englische Enfant terrible Gordon Ramsay uns was Überraschendes erzählt. Überraschend schon deswegen, weil er für eine lange Zeit ohne sein geliebtes »fucking« auskommt. Nein, wirklich, es ist eine schöne Geschichte, und sie handelt von der Ramsay-Vorspeise »Ravioli von Hummer, Norwegischer Hummer und Lachs mit Zitronengras und Chevril-Velouté«, vorwiegend in seinem Restaurant »Gordon Ramsay« in Chelsea, London, serviert. Und nun O-Ton – piieep – Gordon – piieep – Ramsay: »In all unseren Restaurants schaffen wir ständig neue Gerichte, indem wir die bekannten ab­wandeln. Unheimlich oft kommen einem Ideen hierzu mitten im Service, genau dann, wenn man gerade die Teller zubereitet. Manchmal denkt man einfach nur, was wäre, wenn man ein wenig von dem einen Gericht oder einem anderen hinzufügen würde oder einfach nur ein wenig Sauce von einem Gericht zwei Menüs vorher? Doch wenn ich das sage, sage ich genauso, dass es Gerichte gibt, die wir nie und nimmer verändern werden. Die Ravioli vom Hummer sind so ein Gericht. Sie belegen wirkliches Geschick und Technik, und sie sind alles in allem in ihrem Schaffensprozess ein extrem komplexes Gericht. Wir hatten dieses Essen schon mal von der Karte genommen. Da hagelte es so viele Beschwerden, dass wir das sofort wieder zurücknehmen mussten.«

Bingo! – und vielen Dank an Gordon Ramsay, der hier die wesentlichen Elemente des Begriffs »Signature Dish« mit Leben erfüllt: eine eigene Idee, ein wohlüberlegter Einsatz von Produkten, ein intellektuell wie handwerklich komplexer Schaffensprozess, der letztlich zum Spiegel ak­tueller Schaffenskraft wird, dazu ein begeistertes Publikum, eine daraus resultierende jahrelange Tradition und ein Proteststurm, sollte irgend­etwas geändert werden.

»Ikarus«-Executive-Chef Roland Trettl, der inzwischen knapp hundert internationale Stars als Gastköche am Herd in seinem Restaurant hatte, sagt zum Thema »Signature Dish«: »Für mich muss ein Koch wirklich lange im Job sein, um so ein Gericht machen zu können. ›Signature Dishes‹ müssen doch Gerichte sein, die seit vielen, vielen Jahren auf der Karte stehen und dort einfach nicht mehr wegzudenken sind. Wie beispielsweise Santi Santamarias Schweinebauch mit Kaviar. Oder Eckart Witzigmanns ›Kalbsbries Rumohr‹.«

Santi Santamaria war 1994 der erste ­Katalane, der drei Sterne erhielt. Sein ­Credo: »Einfaches gut zubereiten.« Im ­Februar 2011 starb er 54-jährig in Singapur / Foto: beigestellt
Santi Santamaria war 1994 der erste ­Katalane, der drei Sterne erhielt. Sein ­Credo: »Einfaches gut zubereiten.« Im ­Februar 2011 starb er 54-jährig in Singapur.

Hört sich doch gut an – allerdings nur so lange, bis man sich mit Eckart Witzigmann über den semantischen Doppel-Whopper »Signature Dish« unterhält. Ausgerechnet Witzigmann, der gelassene, der altersmilde, der so oft in vielem verständnisvolle Witzigmann – hat beim Wort »Signature Dish« plötzlich, nein, nicht Espuma, sondern richtiggehend Schaum vor dem Mund: »Warum um alles in der Welt müssen wir im deutschen Sprachraum mit einem englischen Begriff hantieren? Gibt es keine deutsche Erklärung dafür?« Solchermaßen in die Luft gegangen, legt der Jahrhundertkoch richtig los: »Nennen Sie solche Gerichte Klassiker, Lieblinge, Dauerbrenner, Hits oder sonstwie, aber bitte nicht ›Signature Dishes‹. Ganz zu schweigen vom Benutzen der schrecklichen Abkürzung SD. SD erinnert mich an eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte ...«

Das sitzt. Das sitzt noch mehr, wenn solche Worte von Deutschlands erstem Drei-Sterne-Koch kommen, der schon so viele und vieles hat kommen und gehen sehen, dass eine solche Erregung schier auffällt. Grund genug, den ­Bogen von Deutschlands dienstältestem Drei-Sterne-Koch zu einem der jüngsten, zu Sven Elver­feld vom »Aqua« in Wolfsburg, zu schlagen.

Der ganz offensichtlich auf die harte Tour mit dem Begriff vertraut gemacht wurde: »Ich habe zum ersten Mal davon gehört, als ich im Ritz Carlton in Dubai angefangen habe – und dort prompt gefragt wurde: ›What is your si­gnature dish?‹ Ich fragte nur: ›Was?‹ Und dann musste ich mir halt schnell Gedanken darüber machen, was das Gericht ist, das mich am ­meisten widerspiegelt.«

Was genau aber postuliert das »Signature Dish« letztlich: das Wissen des Kochs, dass hier alles drinsteckt, was ihm als Koch wichtig ist? Oder das Klatschen begeisterter Gäs­te. Das Dacapo der Genießenden?

Santi Santamaria: Gedämpfte Papada mit Kaviar

Den vollständigen Artikel mit Signature Dishes von Eckart Witzigmann und Paul Pairet lesen Sie in der aktuellen Falstaff Deutschland-Ausgabe Nr. 6/2011 - Jetzt am Kiosk!

Text von Christoph Schulte